Schliersee:Wer ist verantwortlich für die "entsetzlichen Zustände" im Heim?

Lesezeit: 3 Min.

Vor einigen Tagen haben die letzten Bewohner die Seniorenresidenz Schliersee verlassen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Nach dem Pflegeskandal ist die Seniorenresidenz Schliersee geschlossen. Doch der politische Streit um die Konsequenzen beginnt gerade erst.

Von Matthias Köpf, Schliersee

Das Haus, um das so viele Fragen kreisen, steht inzwischen leer. Ende vergangener Woche sind die letzten der einst 140 Bewohner aus der Seniorenresidenz Schliersee ausgezogen. Schon in den Wochen und Monaten davor waren es immer weniger Menschen geworden, die dort entweder selbst ihre alten Tage verbringen mochten oder denen ihre Angehörigen und gesetzlichen Betreuer das noch länger zumuten wollten. Die Heimaufsicht des Miesbacher Landratsamts hat den Betrieb des Pflegeheims am 10. September untersagt - eineinhalb Jahre nachdem es in dem Heim im Frühjahr 2020 zu einem großen Corona-Ausbruch gekommen war. Bei der Gelegenheit waren schwere Pflegemängel ans Licht gekommen, die sogar zu einem längerem Unterstützungseinsatz der Bundeswehr in dem Heim geführt hatten.

Seither geht es auch um die Fragen, ob die Behörden in Miesbach und München die Seniorenresidenz genau genug kontrolliert haben, ob sie daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen haben und ob sie diese überhaupt ziehen konnten. All das wollten die Landtagsabgeordneten im Ausschuss für Gesundheit und Pflege schon vor einer ganzen Weile von der Staatsregierung wissen. Deren schriftlichen Bericht wiesen sie in einer Sondersitzung am Dienstag als völlig unzureichend zurück.

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Dabei hatte auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) im Frühjahr im Zusammenhang mit dem Heim in Schliersee angekündigt, sein Haus prüfe, "ob weitere Verbesserungen am derzeitigen Kontroll- und Bewertungssystem erforderlich sind". Erkenntnisse dazu hatten sich die Abgeordneten nun von dem Bericht aus Holetscheks Haus erhofft. Doch auf viele konkrete Fragen habe das Ministerium entweder überhaupt nicht geantwortet oder bestenfalls sehr allgemeine Antworten gegeben, kritisierten vor allem Ruth Waldmann (SPD), Andreas Krahl (Grüne) und Dominik Spitzer (FDP). Dabei gehe es im Fall Schliersee um Bewohnerinnen und Bewohner, "deren Menschenwürde zutiefst verletzt wurde", sagte Krahl.

Angesichts zahlreicher offenkundig verwahrloster und teils auch unterernährter Bewohner ermittelt die Staatsanwaltschaft München II schon seit längerer Zeit wegen des Verdachts auf Körperverletzung an 88 Bewohnern. Eine darauf spezialisierte Einheit bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg geht zudem dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs nach, weil sich das Heim womöglich für Leistungen bezahlen ließ, für die es gar nicht das nötige qualifizierte Personal hatte.

Die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern hatte daher schon im Mai dieses Jahres angekündigt, den Versorgungsvertrag mit dem Heim wegen "Verletzung der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen" vorzeitig zu kündigen, und damit der Seniorenresidenz spätestens zum Ende des vergangenen Monats die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Erst lange nach dieser Ankündigung hatte auch die staatliche Heimaufsicht verfügt, dass die Seniorenresidenz Ende November den Betrieb einstellen muss. Der Träger des Heims, eine Tochterfirma eines größeren italienischen Heimträgers, hat nun lieber gleich mit dem Auslaufen der Kassenverträge den Betrieb in Schliersee eingestellt. 14 Bewohner sind von dort zuletzt in ein Seniorenheim in Augsburg umgezogen, das ebenfalls von der italienischen Gesellschaft betrieben wird.

Diese Einrichtung werde von der Heimaufsicht der Stadt Augsburg "eng überwacht", sagte die zuständige Ministerialrätin aus dem Gesundheitsministerium den Abgeordneten im Ausschuss - so wie das Ministerium und die Regierung von Oberbayern auch die Miesbacher Heimaufsicht stets eng begleitet hätten. Zwar habe es Verbesserungen gegeben, die allerdings "nicht nachhaltig" gewesen seien, sodass man das Heim am Ende habe schließen müssen. Eine solche Schließung dürfe laut Gesetz aber immer nur das letzte Mittel sein, wenn alle milderen Mittel wie ein Aufnahmestopp oder das Auswechseln der Heimleitung ausgeschöpft seien. So etwas sei "immer ein längerer Prozess". Vor allem aber stelle ein Wechsel des Trägers wie in Schliersee zuletzt im Mai 2019 alle Verfahren auf null.

Das jedoch mochten die Abgeordneten so nicht hinnehmen. So möge in Schliersee vielleicht der Träger gewechselt haben, nicht jedoch die Heimaufsicht und auch nicht die Bewohnerinnen und Bewohner, rügte Ruth Waldmann und wies darauf hin, dass es im Fall Schliersee in den vergangenen Jahren zahlreiche Beschwerden und zahlreiche Kontrollen der Heimaufsicht gegeben habe, ohne das sich an den "entsetzlichen Zuständen" viel geändert habe. Dabei müsse es nun darum gehen, aus dem Fall Lehren für die Zukunft zu ziehen. Auch Krahl kritisierte, dass sich die Behörden bis hinauf zur Staatsregierung nicht eher veranlasst gesehen hätten, einzugreifen. "Wann denn dann?", fragte er und äußerte eine Befürchtung: "Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass die Situation in der Seniorenresidenz Schliersee kein Einzelfall ist." Die konkreten Antworten der Staatsregierung auf ihre konkreten Fragen erwarten die Abgeordneten nun bis Anfang November.

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