Süddeutsche Zeitung

Schliersee/Bad Wiessee:Zweitwohnung, dritte Instanz

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Bundesverwaltungsgericht verwirft die Steuermodelle in Schliersee und Bad Wiessee. Das könnte ein Musterfall werden

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag die Zweitwohnungssteuer in der Form, wie sie in den beiden oberbayerischen Gemeinden Schliersee und Bad Wiessee erhoben wird, als verfassungswidrige Ungleichbehandlung verworfen. Der in beiden Gemeinden angewandte Stufentarif weiche vom Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ab, teilte das Gericht zur Begründung mit. Die Entscheidung betrifft neben Schliersee und Bad Wiessee rund 140 weitere Gemeinden, die eine Zweitwohnungssteuer erheben und sich dabei an die Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetags halten.

Diese Gemeinden liegen überwiegend im touristisch attraktiven Süden entlang der Alpen. Für sie ist die Steuer eine willkommene Einnahmequelle. Schliersee etwa nimmt so pro Jahr um die 400 000 Euro ein. Die gut 600 Zweitwohnsitze machen grob ein Fünftel aller Wohnungen und Häuser in der 6700-Einwohner-Gemeinde aus. In Bad Wiessee am teuren Tegernsee sind die Zahlen ähnlich, hier kommen bei etwa 350 Zweitwohnsitzen jährlich 450 000 Euro in die Kasse. Etwa 300 Menschen, die für ihre Zweitwohnungen keine Steuer zahlen wollten, verlegten stattdessen ihren Erstwohnsitz und verschaffen Bad Wiessee seither einiges an Einkommensteuer.

Die Möglichkeit, eine Zweitwohnungssteuer einzuführen, hat der Landtag 2004 geschaffen. Die Mustersatzung, die der Gemeindetag entworfen hat, überstand ein Normenkontrollverfahren durch mehrere Instanzen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht 2014 die Regelung der Stadt Konstanz verworfen, weil die Steuer dort bei größeren Wohnungen pro Quadratmeter geringer ausfiel als bei kleineren. Darauf bezogen sich auch die Kläger im Fall Schliersee und Bad Wiessee.

Während etwa München als Zweitwohnungssteuer stets neun Prozent der angenommenen Kaltmiete aus dem Mietspiegel verlangt, verfügen Schliersee und Bad Wiessee wie viele andere Gemeinden nicht über einen Mietspiegel und erheben die Steuer in sieben Stufen zwischen 110 Euro und 7200 Euro. Für eine Wohnung am unteren Ende einer Stufe wird genauso viel Steuer fällig wie für eine Wohnung am oberen Ende. Könnte der Eigentümer pro Jahr zwischen 2500 und 5000 Euro Kaltmiete einnehmen, verlangen Schliersee und Bad Wiessee 450 Euro Steuer, bei möglichen Einnahmen zwischen 5000 und 10 000 Euro wären 900 Euro Steuer fällig. Die Gemeinden hatten versucht, ihr Stufenmodell als einzig praktikables zu verteidigen. Alles andere bedeute riesigen Verwaltungsaufwand. Eine solche Verwaltungsvereinfachung rechtfertigt es nach Ansicht der Leipziger Bundesrichter aber nicht, von einem Eigentümer, dessen Wohnung nur knapp in der höheren Stufe liegt, gleich das Doppelte zu verlangen wie für eine Wohnung gerade noch in der niedrigeren Stufe. Geklagt hatten zwei Eigentümer, deren hypothetische Jahresmiete jeweils knapp über der Stufen-Grenze liegt. Das Verwaltungsgericht München hatte ihnen recht gegeben, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Gemeinden. Kläger im Falle von Schliersee ist ein Jurist, der im Zweithaus auch Freunde und Verwandte wohnen ließ. Zeitweise vermiete er das Haus aber an seine eigene GmbH. Diese wiederum stelle ihrem Geschäftsführer, also ihm selbst, das Haus zur Verfügung. Es verfüge also die GmbH über das Haus und nicht er selbst.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2017
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