Salzburger Taxifahrer:Plötzlich unter Schleuserverdacht

Taxis

Gast oder Flüchtling: Taxifahrer sehen ihren Kunden den Fahrtgrund nicht automatisch an.

(Foto: dpa)
  • Entblößt bis auf die Unterhose und stundenlang festgehalten: Salzburger Taxifahrer beschweren sich über rabiate Methoden der deutschen Polizei.
  • Wenn ein Fahrgast per Taxi illegal nach Deutschland einreist, geraten die Taxler ins Visier der Schleierfahnder.
  • Ein Sprecher des Traunsteiner Justizzentrums sagt, dass ein Fahrer seine Gäste nach Papieren fragen könne, wenn "sich Anhaltspunkte ergäben", dass sie illegal nach Deutschland einreisen wollten.

Von Heiner Effern

In der Statistik der Schleierfahnder taucht die Kontrolle am 12. April auf der B 20 nahe Freilassing unter Fahndungserfolge auf. Drei Erwachsene und zwei Kinder wurden erwischt, alle ohne Papiere. Sie gaben an, aus Afghanistan und Pakistan zu kommen. Ein klarer Fall von illegaler Einreise also. Der mutmaßliche Schleuser sei festgenommen worden, heißt es von der Bundespolizei. Doch diesmal entwickelte sich das in Zeiten vieler Flüchtlingsankünfte schon beinahe rituelle Ende solcher Mitteilungen zum Anfang eines Grenzstreits, der nun sogar zu einem Boykottaufruf führt.

Denn der Mann am Steuer war ein Taxifahrer aus Salzburg mit astreinen Papieren, der nur die falschen Kunden hatte. Weil sich nicht nur er, sondern immer wieder auch Kollegen von den deutschen Behörden als Schleuser verfolgt fühlen, wollen die meisten Taxler nun keine Fahrten mehr über die Staatsgrenze mehr annehmen. "Wir sind mitten in der EU, da lassen wir unsere Fahrer nicht kriminalisieren", sagt Erwin Leitner, Sprecher der Taxifahrer in der Salzburger Wirtschaftskammer. Er empfiehlt allen Kollegen, Deutschland zu meiden, da Festnahmen und Vernehmungen völlig überzogen seien. Etwa 90 Prozent der Taxler stünden hinter dem Boykott, sagt er. "Unsere Fahrer fühlen sich ja schon wie Schwerverbrecher."

Selbst wenn sie nach Papieren fragen - die können gefälscht sein

Auch Leitners Angestellter Siegfried Feiner hatte vor einiger Zeit sein Erlebnis mit deutschen Schleierfahndern. Er hatte einen Mann einsteigen lassen, der nach Basel wollte. Ganz normal angezogen sei der gewesen, sagt Feiner. Trotzdem habe er bei so einer weiten Fahrt in der Zentrale angerufen, sich vorher bezahlen lassen und den Gast nach einem Ausweis gefragt. Dieser habe ihm anstandslos Papiere hingehalten, sagt Feiner. Nur das die eben gefälscht waren, wie Schleierfahnder bei der Kontrolle später festgestellt hätten. "Menschenschmuggel oder so was haben die zu mir gesagt. Zuerst habe ich das noch spaßig gefunden", erinnert sich Feiner. Nach einem Foto von vorne und der Seite, kurzem Aufenthalt in einer Zelle und Vernehmung, "da fühlst dich aber wie ein Schwerverbrecher". Die Deutschen seien mit den Salzburger Taxlern "ein bisschen sehr radikal".

Das findet auch sein Chef Erwin Leitner, der sich insbesondere über die Staatsanwaltschaft ärgert. "Sämtliche Versuche der Fachgruppe, eine Stellungnahme des Generalstaatsanwaltes von Traunstein zu erhalten, wie sich Salzburger Taxilenker rechtskonform verhalten sollen, sind fehlgeschlagen", erklärt er. Im Traunsteiner Justizzentrum kann man wiederum die Aufregung der Taxifahrer nicht nachvollziehen.

Das Problem sei in der Branche und auch bei Ermittlern seit vielen Jahren bekannt. "Es gibt immer wieder Fälle, in denen ein Anfangsverdacht auf Einschleusen von Ausländern besteht", sagte ein Sprecher. Wann dies der Fall sei, könne man pauschal nicht sagen. "Das entscheidet sich im Einzelfall." Deshalb gibt es auch keine verbindlichen Vorschriften, wie sich ein Taxifahrer absichern soll. Allerdings erwartet die Staatsanwaltschaft schon, dass ein Fahrer seine Gäste nach Papieren fragt, wenn "sich Anhaltspunkte ergäben ", dass sie illegal nach Deutschland einreisen wollten.

Taxifahrer seien nicht zur Ausweiskontrolle berechtigt

Genau da ist aber bei den Salzburger Taxifahrern eine Grenze überschritten. "Das ist für uns nicht machbar und rechtlich auch gar nicht erlaubt", sagt Wirtschaftskammer-Vertreter Leitner. Taxifahrer seien laut Auskunft der Salzburger Polizei nicht berechtigt, Ausweise zu kontrollieren. Und wenn sie dies dennoch täten, um an der Grenze keine Scherereien zu bekommen, seien sie nicht dafür ausgebildet, Fälschungen zu erkennen. Im Übrigen, sagt Leitner, seien Taxifahrer nicht die einzigen, die Fahrgäste gegen Geld nach Deutschland brächten. "Ich bin schon gespannt, wann die den ersten Lenker eines Linienbusses festnehmen", sagt Leitner. Die würden auch Fahrgäste über die Grenze bringen, ohne sie zu kontrollieren.

Schleierfahnder reagieren auf diese Kritik mit dem Verweis auf ihre komplexen Aufgaben. Beziehungsweise erledigt das Rainer Scharf, Sprecher der Bundespolizei in Rosenheim, bei der sie angesiedelt sind. Auch professionelle Schleuser würden für ihr Gewerbe Taxifahrer einsetzen, sogar welche aus Ungarn oder Italien, sagt Scharf. Der Salzburger Taxifahrer, der jüngst bei Freilassing festgenommen worden sei, habe auch 1500 Euro in bar und ein Kampfmesser dabei gehabt. "Da können wir nicht wegschauen."

Das verlangt Peter Tutschku, Geschäftsführer der Salzburger Funktaxi-Vereinigung, auch nicht. Aber dass sein Fahrer über Stunden hinweg festgehalten worden sei und sich bis auf die Unterhose ausziehen habe müssen, das wurmt ihn gewaltig. "Da fehlt jede Verhältnismäßigkeit." Es müsste reichen, wenn die Taxler in solchen Fälle ihre Personalien für eine Vernehmung hinterließen, von Flucht- oder Verdunklungsgefahr könne keine Rede sein. Den aktuellen Fall hätte er in fünf Minuten aufklären können, wenn man ihn angerufen hätte, sagt Tutschku. "Wenn die deutschen Behörden sonst Hilfe brauchen, finden sie meine Telefonnummer sofort", sagt er. Deshalb gilt auch für ihn: "Wir fahren nicht mehr rüber."

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