Schlechtes Wahlergebnis:Der Kampf um Seehofers politisches Überleben wird schmutziger

Landtag Bayern

Am Montag trifft sich der CSU-Vorstand zu seiner nächsten Sitzung.

(Foto: Peter Kneffel/ dpa)
  • Eigentlich sollte die Personaldebatte in der CSU auf den Parteitag und damit auf die Zeit nach den Koalitionsverhandlungen verschoben werden.
  • Doch Seehofers Gegner halten sich nicht daran, der Rückhalt des bayerischen Ministerpräsidenten schwindet weiter.
  • Jedoch könnten manche Angriffe gegen ihn auch seinem Rivalen Markus Söder schaden.

Von Wolfgang Wittl

Wenn Horst Seehofer noch leiser spricht als sonst, ist die Lage besonders ernst. Am Donnerstag im bayerischen Landtag ist er kaum zu verstehen. Allein die Kraft des Argumentes zähle, flüstert der CSU-Chef. Und dass man jetzt kühlen Kopf bewahren und diszipliniert sein müsse. Seehofer redet über die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition, die Worte passen aber genauso gut zu seiner persönlichen Situation: In Berlin das Ringen um eine Regierung, daheim der täglich härter und schmutziger geführte Kampf um sein politisches Überleben - das ist der Korridor, in dem er sich derzeit bewegt.

Am Donnerstag wartete die Bild-Zeitung mit der exklusiven Meldung auf, acht der neun Münchner Kreisverbände forderten einen "personellen Neuanfang" in der CSU, auch der Bezirkschef, Kultusminister Ludwig Spaenle, habe an der Sitzung teilgenommen. Eine "schonungslose Analyse des Desasters bei der Bundestagswahl", als die CSU auf historisch schlechte 38,8 Prozent abstürzte, habe die Runde angemahnt - und die Verantwortlichen gleich selbst benannt: Angela Merkel und Horst Seehofer.

Exklusiv war die Meldung auch deshalb, weil mindestens vier der neun Kreisvorsitzenden gar nicht anwesend waren. Die Kräfteverhältnisse in der Münchner CSU sind hingegen seit Langem bekannt: Der Bezirksverband gilt als treue Bastion von Seehofers internem Rivalen Markus Söder. Dennoch kommt die erwartbare Schlagzeile "Aufstand gegen Seehofer" zum unliebsamen Zeitpunkt für den CSU-Chef. Er hat sich Ruhe erbeten für die Verhandlungen in Berlin, die Personaldebatte müsse auf dem Parteitag geführt werden. Doch seine Gegner lassen nicht locker, ein entsprechender Beschluss ist ihnen offenbar egal - ein Zeichen schwindender Autorität. Solange Seehofer kein Signal sende, dass er bereit sei, Macht abzugeben, werde die Zermürbungstaktik seiner Gegner anhalten, sagen erfahrene CSU-Politiker.

Aktionen wie in München halten das Rumoren in der Partei am Laufen, sie sind Ausdruck der inneren Zerrissenheit. So mancher wünscht sich einen Neubeginn für die Landtagswahl 2018, bei der die CSU die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen hat. Das bedeute aber nicht, dass Seehofer "vom Hof gejagt" werden solle, wie einer sagt. Kein anderer CSU-Mann vermöge bei den Verhandlungen in Berlin mehr herauszuholen. Doch genau dieselben Leute fordern einen geordneten Übergang zu einem neuen Spitzenkandidaten. Nicht wenige denken dabei an Söder. Nur wenn Seehofer und der Finanzminister sich zusammentäten, habe die CSU eine Chance, die Alleinregierung zu verteidigen. Wer das Verhältnis der beiden kennt, ahnt, dass sich die Sehnsucht nach einem harmonischen Miteinander schwer erfüllen wird.

Der enge CSU-Führungszirkel steht weitgehend hinter Seehofer, auch in der Bevölkerung sei die Unterstützung für den Ministerpräsidenten nicht geschwunden, behaupten seine Freunde. Sie schreiben das bayerische Debakel bei der Bundestagswahl Merkels Flüchtlingspolitik zu. Doch in den mächtigen CSU-Bezirken schwindet Seehofers Rückhalt. Die Oberpfalz und Oberfranken haben sich bereits für einen geordneten Übergang an der Spitze ausgesprochen, in anderen Bezirken gärt es. Das Ritual ist stets das gleiche: Die Kritiker preschen vor, Seehofers Gefolgsleute schlagen zurück, so auch am Donnerstag. "Wer glaubt, dass das zu einem besseren Verhandlungsergebnis in Berlin führt, wenn wir jetzt Personaldiskussionen führen, der weiß nicht, wie Diskussionen auf der Berliner Ebene geführt werden", sagte Ilse Aigner, die Chefin des größten CSU-Verbands Oberbayern. Die Debatte in München sei nichts weiter als "schädlich".

Auch Söder laufe Gefahr, beschädigt zu werden

Auch Markus Blume, der stellvertretende CSU-Generalsekretär, sprach von "Nebenabreden" zum Schaden der Gesamtpartei. Blume, der selbst einer der Münchner Kreisvorsitzenden ist, war zu dem Treffen am Dienstag nicht eingeladen. Beschlüsse müssten dort getroffen werden, wo sie hingehörten, warnte Blume: in den zuständigen Gremien. Es sei "definitiv nicht der Zeitpunkt, um solche Dinge aus dem Hinterzimmer loszutreten, man kann auch sagen: aus dem Hinterhalt". Andere Münchner CSU-Funktionäre nannten das Geheimtreffen ebenfalls parteischädigend.

Vielleicht haben Seehofers Gegner nun auch überzogen. Der Vorwurf der "Hinterzimmer"-Politik könnte auf fruchtbaren Boden fallen, Geheimabsprachen werden in der Partei argwöhnisch beäugt. Schon tags zuvor in der Landtagsfraktion hatten sich drei Münchner, darunter Spaenle, hintereinander zu Wort gemeldet und die von Seehofer mit der CDU ausgehandelte Einigung zur Flüchtlingspolitik infrage gestellt. Sogar Seehofer-Kritiker spekulierten über eine konzertierte Aktion, die kontraproduktiv gewesen sei. "Seehofers Gegner machen die ersten Fehler", sagt ein Vorstandsmitglied. Auch Söder laufe inzwischen Gefahr, beschädigt zu werden, weil er im Verdacht stehe, an den ständigen Attacken auf den Chef beteiligt zu sein - auch wenn dies gar nicht zutreffe.

Seehofer sagte, er werde sich bei Spaenle erkundigen, was sich bei dem Treffen in München wirklich zugetragen habe. Am Montag trifft sich der CSU-Vorstand zu seiner nächsten Sitzung, auch da will Seehofer ansprechen, "ob noch gilt, dass wir jetzt möglichst stark in Berlin verhandeln wollen". Für Personalfragen sei nach den Sondierungen immer noch Zeit. "Je nach Sachlage werden wir dann über die Mannschaft der CSU reden", sagte Seehofer: "Wir versäumen jetzt gar nichts."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: