Schleching:Alle Wege enden im Wirtshaus

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Das Streichen-Plateu ist ein Musterbeispiel für die bayerische Dualität aus Kirche und Wirtshaus. (Foto: Chiemgau-Tourismus)

Hier regiert die bayerische Dualität aus Kirche und Wirtshaus: Der Streichen ist ein Ort, an dem sich Himmel und Haxn begegnen.

Von Sebastian Beck, Schleching

Wer hier oben steht, der spürt sogleich: Das ist ein ganz besonderer Ort. Ein Platz zum Durchatmen und Auftanken. Im Süden grüßen die Zacken des Wilden Kaisers, im Westen ziehen sich die Blumenwiesen den Geigelstein hinauf. Wenn im Sommer dann auch noch eine Brise weht, dann ist man dem Himmel viel näher, als die gut 800 Meter Seehöhe es vermuten lassen. Der Streichen, wie die Bergnase über dem Achental bei Schleching heißt, ist zu jeder Jahreszeit eine kleine Reise wert.

Auf dem Wiesenplateau regiert die bayerische Dualität aus Kirche und Wirtshaus. Von außen sieht die gotische Streichenkirche St. Servatius unscheinbar aus. Wer sie aber betritt, der staunt: Seit den Vierzigerjahren wurde darin nach und nach der gotische Freskenschmuck freigelegt. Das barocke Gewölbe der einstigen Wallfahrtskirche musste einer Holzdecke weichen. Die gut 700 Jahre alte Kirche präsentiert sich den Besuchern damit wieder in ihrem gotischen Urzustand mit farbigen Wandmalereien, die das katholische Universum vom Heiligen Christophorus bis hin zum Leben der Gottesmutter illustrieren. Einst soll in der Kirche eine Heilquelle entsprungen sein, doch sie ist wie der Strom der Wallfahrer längst versiegt.

Bei Ausgrabungen fanden Archäologen am Streichen Spuren aus dem ersten Jahrtausend vor Christus. Auch heidnische Kultstätten soll es dort gegeben haben, was angesichts der Lage nicht verwundert. Im Mittelalter thronte dann eine Burg über dem Tal, ihre Steine wurden zum Bau der Kirche verwendet. Später führten auf den Bergen Schmugglerpfade ins nahe Tirol hinüber, heute wandern auf ihnen die Touristen.

Doch alle Wege auf dem Streichen enden irgendwann im Wirtshaus, das sich unterhalb der Kirche an den Hang duckt. Früher wohnten darin die Mesner. Seit 1984 ist Franz Strohmayer der Wirt. Seine Mutter hatte während des Kriegs damit angefangen, Milch und Butterbrote zu verkaufen, Strohmayer kocht die bayerische Speisekarte von der Schweinshaxn bis zum Kaiserschmarrn rauf und runter. Die Zutaten dafür holt er sich allesamt aus der Region, denn im Achental haben sich Gastwirte und Bauern dem sanften Tourismus verschrieben.

Sein Wirtshaus ist kein Geheimtipp mehr. Der Panoramablick vom Biergarten vor dem Haus hat sich herumgesprochen - auch bei Hochzeitspaaren, die zum Heiraten in die Streichenkirche kommen.

Nicht nur für fahruntüchtige Festgäste hält Strohmayer einige Zimmer parat. Die Dusche muss man sich zwar teilen, das Frühstück sei dafür aber mehr als reichlich, versichert Strohmayer. Dafür verlangt er gerade mal 25 Euro, schließlich müsse es "preislich im Rahmen bleiben". Kostenlos gibt es dazu die Geschichten von Strohmayer. Der passionierte Trachtler hat schon 1969 für den Film "Im Weißen Rößl" geplattelt und bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Bloß Medaillen gab es dafür keine.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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