Scheidung von Homo-Ehen:Walexejs Ende

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Gleichgeschlechtliche Dekoration auf einem Hochzeitskuchen (Foto: AFP)

Seit 2001 können Schwule und Lesben in Deutschland eine Lebenspartnerschaft eingehen. Doch was passiert, wenn sich das Paar wieder trennt? Wie läuft eine Homo-Scheidung ab? Und wie geht es danach weiter? Zwei Betroffene erzählen ihre Geschichte.

Eine Reportage von Beate Wild

Es ist nicht lange her, da waren Wolfgang und Alexej ein Traumpaar. Schwul, verliebt, verheiratet und glücklich. Mit einem großen Freundeskreis, der die Zweisamkeit der beiden so selbstverständlich fand, dass die Freunde sie nur noch "Walexej" nannten - so wie die bunten Blätter bisweilen von "Brangelina" schreiben, wenn sie über die Hollywoodstars Angelina Jolie und Brad Pitt berichten. Eine große Liebe, doch Wolfgang und Alexej konnten dieses Glück nicht halten.

Wolfgang F. lächelt, während er durch sein Hochzeitsalbum blättert und von der Feier erzählt. "Es war ein wundervoller Tag", schwärmt er. "Wir haben in drei verschiedenen Locations gefeiert." Das Album hat er mitgebracht, damit man sich ein Bild von Alexej machen kann, dem Mann, der mittlerweile sein geschiedener, sein Ex-Mann ist. Neun Jahre waren sie zusammen, davon sieben verheiratet - sprich: in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebend. Nach einer dreijährigen Trennung haben sie sich im vergangenen Jahr endgültig scheiden lassen. Wobei das Wort "Scheidung" nicht ganz stimmt, denn homosexuelle Paare dürfen in Deutschland nach wie vor keine vollwertige Ehe eingehen, sondern nur eine Lebenspartnerschaft. Geht diese Verpartnerung zu Ende, spricht man rechtlich korrekt von einer "Aufhebung". Ehe und Scheidung, das sind in Deutschland zwei Dinge, die bislang nur heterosexuellen Menschen vorbehalten sind.

Auf den Fotos im Album sieht man lauter lachende Gesichter. Dazu Blumen, Proseccogläser, eine Torte und den Hochzeitscadillac. Einen großen, gut aussehenden Alexej, schlank, blond, mit einem charmanten Lausbubenlächeln, und Wolfgang, dunkelhaarig, weltmännisch, 17 Jahre älter als sein Ehemann. Wolfgangs Vater hat bei der Zeremonie, die 2002 noch ein Notar und nicht ein Standesbeamter abhalten musste, eine Rede gehalten. "Alle waren ganz gerührt", sagt Wolfgang.

Nach der Hochzeit sind "Walexej" erst einmal unzertrennlich. Doch im verflixten siebten Jahr scheitert ihre Liebe. Sie haben sich auseinander gelebt. "Die Monate nach der Trennung waren sehr schwer", sagt Wolfgang, seine Stimme klingt gedämpft. "Ich habe unser gemeinsames Leben unglaublich vermisst." Trotzdem legt er Wert darauf, dass das Ende der Beziehung "einvernehmlich" war und sie es geschafft haben, ohne Streit und Bitterkeit auseinander zu gehen.

In Deutschland ist die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft seit 1. August 2001 gesetzlich geregelt. Der aktuelle Zensus registrierte Stand Mai 2011 knapp 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland - 60 Prozent von Männern geschlossen, 40 Prozent von Frauen. "Offenbar ist diese eingetragene Lebenspartnerschaft für viele gar nicht so erstrebenswert", erklärt sich Andreas Unterforsthuber, Leiter der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Stadt München, die niedrige Zahl der homosexuellen Eheschließungen. Bei der Forderung nach Gleichstellung mit den Heteros gehe es den meisten Schwulen und Lesben mehr um die allgemeine Akzeptanz in der Gesellschaft denn um den konkreten Wunsch zu heiraten. "Aber ob dabei das Modell der Hetero-Ehe noch zeitgemäß ist, ist die andere Frage", sagt Unterforsthuber und verweist auf die hohe Scheidungsrate bei Heteros.

Für Sophie war die Trennung von ihrer Ehefrau ein wahrer Albtraum. Die 46-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, hat eine sechsjährige Tochter und teilt sich das Sorgerecht mit ihrer Ex-Frau. "Die Gefühle von Verrat, Wut und Enttäuschung bei einer Trennung empfinden wir Homosexuellen genauso wie Heteros", sagt die zierliche dunkelhaarige Frau leise. Seit fünf Jahren ist Sophie nun getrennt. "Doch verarbeitet habe ich das immer noch nicht."

Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß: Hochzeitstorte für ein lesbisches Paar. (Foto: AFP)

Die beiden Frauen kennen sich zehn Jahre, als sie den Bund der Lebenspartnerschaft eingehen. "Ich war hochschwanger, als wir geheiratet haben", erzählt Sophie. Sie hatte sich das Kind schon seit langem gewünscht. Vater ihrer Tochter ist ein Freund, der sich als Spender zur Verfügung gestellt hat. Nach der Geburt beantragt ihre Partnerin die sogenannte Stiefkindadoption und erhält damit zu 50 Prozent das Sorgerecht für die Tochter. Die Kleine hat nun offiziell zwei Mütter.

Das geteilte Sorgerecht besteht selbstverständlich auch nach der Trennung. Jedes zweite Wochenende verbringt die Tochter bei der Ex, außerdem einen Teil der Ferien. Da die beiden Frauen nichts mehr miteinander zu tun haben wollen, erfolgt die Übergabe für die Wochenenden in der Schule. "Es war am Anfang für mich unglaublich schwer, dieser Frau, die mich so enttäuscht hat, mein Liebstes für ein ganzes Wochenende zu überlassen", sagt Sophie. Ihre Augen glänzen, sie muss blinzeln. Ein jahrelanger Betrug ist der Grund für die "Riesenenttäuschung". "Sie ist bereits fremdgegangen, als ich schwanger war", sagt Sophie. Mit dieser anderen Frau lebt ihre ehemalige Partnerin heute zusammen. "Erst als ich über ein zweites Kind nachdachte, hat sie mir die Wahrheit gesagt." Für Sophie bricht damals eine Welt zusammen. Ihre heile Welt, in der das Idealbild das einer glücklichen Familie ist.

Die darauf folgende Trennung endet in einem Rosenkrieg. Sophie muss ihrer geschiedenen Frau die Hälfte der gemeinsamen Eigentumswohnung abkaufen und dafür den Kredit komplett übernehmen. Die Ex-Frau wiederum muss für die Tochter Unterhalt bezahlen, was sie zunächst auch anstandslos tut. Erst als es um die Wahl einer Privatschule geht, kommt es zu einem großen Streit, einem Gerichtsprozess und vielen unschönen Szenen.

Es sind die gleichen Probleme wie bei der Scheidung von Hetero-Ehen - mit dem Unterschied, dass sie bei Homo-Trennungen selten in die Öffentlichkeit gelangen. Die Aufhebung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft muss laut §15 LPartG erwirkt werden. Ein Anwalt muss die Trennung vor dem Familiengericht beantragen. Sind beide Partner einverstanden, reicht es, ein Jahr getrennt zu leben. Will nur einer die Scheidung, müssen drei Jahre Trennungszeit vergangen sein. Da die Lebenspartnerschaft in Deutschland erst seit 2001 erlaubt ist, gibt es noch keine Langzeitstudien über Trennungen. Das Statistische Landesamt in Bayern erfasst hierzu keine Zahlen. Beim Amtsgericht München zählt man erst seit 2009 mit und hat in vier Jahren insgesamt 145 Aufhebungen registriert.

Ein schwules Paar beim Ringetausch. (Foto: REUTERS)

Dass homosexuelle Partnerschaften der Ehe nicht gleichgestellt sind, bringt nicht nur beim Adoptionsrecht, sondern auch beim Erb-, Miet- oder Bestattungsrecht Nachteile. "Dass wir nicht als echte Ehepartner anerkannt sind, habe ich gemerkt, als ich nach der Trennung die gemeinsame Eigentumswohnung übernommen habe", sagt Sophie. Sie musste für die Grunderwerbssteuer einen vierstelligen Euro-Betrag an das Finanzamt abführen.

Heute hat sich Sophie mit ihrem Leben abgefunden, auch wenn es immer noch schwierig ist. "Als lesbisches Paar ist man ein Sonderfall, aber als getrenntes lesbisches Paar erst recht", sagt sie. Es fühlt sich jedes Mal wie ein erneutes Coming-out an, wenn sie etwa einer Lehrerin sagen muss, dass ihre Tochter zwei Mütter hat. "Ich habe immer Herzklopfen vor solchen Gesprächen", sagt sie. Nach all dem Trennungsschmerz ist Heiraten für Sophie kein Thema mehr. "Ich habe das nur gemacht, weil ich eine Familie wollte", sagt sie. Dieser Traum ist geplatzt. Was bleibt, ist ihre kleine Tochter.

Wolfgang dagegen sieht eine Lebenspartnerschaft nach wie vor positiv. Er hat das Mediennetzwerk Queerelations.de gegründet, um dem Thema "anders lieben in unserer Zeit" eine Plattform zu bieten. Mit Alexej ist er nach wie vor befreundet. "Heiraten? Könnte ich mir schon noch mal vorstellen", sagt er. Und wer weiß, vielleicht darf er bei seiner nächsten Hochzeit dann eine "echte" Ehe eingehen - und nicht bloß eine Lebenspartnerschaft.

© SZ vom 14.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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