Schechen:Das Virus holt die Kitas ein

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Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beklagt, dass Träger, Eltern und Erzieher allein gelassen würden, "damit die Wirtschaft läuft". (Symbolbild) (Foto: dpa)

In einer Tagesstätte bei Rosenheim gab es einen Corona-Ausbruch. Nun diskutieren Eltern und Ämter über Infektionsgefahren für und durch die Kleinsten.

Von Anna Günther und Matthias Köpf, Schechen

Seit Freitag ist das Kinderhaus Sonnenschein in Schechen geschlossen, vorerst für eine Woche. 18 Personen sind bisher positiv auf das Coronavirus getestet, bestätigte der Sprecher des Rosenheimer Landratsamtes. Im Kinderhaus ist von 21 Infizierten die Rede - und die Hälfte der Testergebnisse ist noch nicht bekannt. Geschlossene Kitagruppen sind nicht ungewöhnlich, die Infektionszahlen sind in ganz Bayern hoch, immer wieder müssen Kitas teilweise oder komplett zusperren, weil Erzieher oder Kinder positiv getestet werden. Zwar können auch Kleinkinder Corona übertragen, selbst wenn sie keine Symptome haben, aber Kitas gelten nicht als Pandemietreiber. Umso erstaunlicher sind die Zahlen in Schechen.

Vor einer Woche wurden Erzieherinnen positiv getestet, deren Gruppen geschlossen und heimgeschickt. Das Rosenheimer Gesundheitsamt deklarierte die Kinder zu Kontaktpersonen der Kategorie Eins, am vergangenen Donnerstag fand ein Massentest statt. So weit ein normales Prozedere. Trotzdem ärgern sich Eltern in Schechen massiv über das Gesundheitsamt: Die Testergebnisse der Kinder sollen erst am Dienstag vorliegen. Vorher solle sie gar nicht in den Briefkasten schauen, erzählt eine Mutter. Man setze auf die Post, und am Wochenende sei das Büro halt nicht besetzt. Das sei ihr auf die Frage nach QR-Codes oder Online-Passwörtern entgegnet worden.

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"Ich finde das skandalös", sagt die Mutter. Dem Gesundheitsamt sei doch seit längerem klar, dass es sich um ein massives Ausbruchsgeschehen handle, da müsse die Auswertung der Tests schneller gehen. Zumal das Amt im Schreiben an die Eltern explizit erklärt, dass Haus- und Kinderärzte für Coronatests nicht zuständig sind und dass Eltern oder Geschwister der kleinen Kontaktpersonen nicht in Quarantäne müssen. Für die Mutter ist das "krass". Sie kenne eine Familie, die das Virus weitergetragen hätte, wenn sich nicht alle gegen die Amtsanweisung beim Hausarzt hätten testen lassen. Diese Eltern sind Lehrer.

Was die Mutter "Superspreader-Ereignis" nennt, scheint das Rosenheimer Landratsamt nicht zu beeindrucken: "Ich bin mir nicht sicher, ob man die Ursache überhaupt noch finden kann und ob man sich bei solch einer Einrichtung noch die Mühe machen muss, Patient eins zu finden. Irgendjemand wird es reingetragen haben", sagt der Landratsamtssprecher. Er sieht das Problem bei den Geschwisterkindern, damit sei "allem Tür und Tor geöffnet".

So hohe Zahlen kenne man sonst nur aus Altenheimen

Zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz in der Region Rosenheim wieder deutlich über 200. Damit sei der Trend zu sinkenden Infektionszahlen schon wieder vorbei, heißt es aus dem Landratsamt. "Bislang konnten die Beschränkungsmaßnahmen der Staatsregierung mit dem Teil-Lockdown in der Region Rosenheim das Infektionsgeschehen nicht wie erhofft abbremsen." Es falle immer schwerer, die Quelle einer Ansteckung zu ermitteln und die Infizierten sowie deren Kontaktpersonen "zeitnah" zu informieren. Letzteres gelinge nur mit Hilfe der Bundeswehr. "Der jetzt aktuell wieder aufgetretene Anstieg der Fallzahlen ist sehr kritisch. Insbesondere die Zunahme der Ausbrüche in den medizinischen Einrichtungen wie Kliniken und Heimen bereitet uns Sorgen", mahnt Gesundheitsamtsleiter Wolfgang Hierl.

So hohe Zahlen kenne man sonst nur aus Altenheimen, heißt es entsprechend von der Staatsregierung zum Schechener Kinderhaus. Obwohl laut den aktuellen Zahlen des Sozialministeriums derzeit 62 von 9800 Kitas komplett und 341 teilweise geschlossen sind, wundert man sich in der Staatsregierung doch über den heftigen Ausbruch in Schechen. Zugleich hält Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) daran fest, die Kitas unabhängig von Infektionszahlen offen zu halten. Die Kinder müssen aber in festen Gruppen betreut werden. Das löst vielerorts Protest aus, denn normale Öffnungszeiten sind bei getrennten Gruppen wegen des Personalmangels oft kaum umzusetzen. Auch in Schechen mussten vor den positiven Tests Gruppen zusammengelegt werden, weil Erzieher krank waren.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beklagt, dass Träger, Eltern und Erzieher allein gelassen würden, "damit die Wirtschaft läuft", und spricht von "psychischen Belastungen" für Erzieher in nie dagewesenem Ausmaß. Die Katholische Erziehergemeinschaft spricht von Zusammenhalt bei Eltern und Erziehern, aber auch von großen Belastungen und fragt, wie lange das noch gehen soll.

Grund für Zweifel sieht die Sozialministerin nicht. "Mir liegt am Herzen, dass unsere Kinder so lange wie möglich ihre Kitas besuchen können. Unseren bisherigen Weg der Vorsicht und Umsicht wollen wir beibehalten." Es sei ihr aber gleichzeitig ein Anliegen auf "Anregungen und Hinweise des pädagogischen Personals einzugehen".

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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