Süddeutsche Zeitung

Schauspieler und Politiker unter den Geehrten:Der Orden für laute und leise Helden

Lesezeit: 2 min

Stoiber verleiht wieder Bayerns höchste Auszeichnung - und die Opposition kritisiert die Auswahl der Träger.

Katja Auer

Jahrelang hat sich Sanih Savdir um das Gebiss von Ministerpräsident Edmund Stoiber gekümmert. Schon Franz Josef Strauß ließ sich die Zähne von ihm richten, heute bekommt der bald 80-Jährige den Bayerischen Verdienstorden. Die höchste Auszeichnung, die der Freistaat zu vergeben hat.

Freilich nicht für die Instandhaltung der Staatsgebisse, er habe sich "neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit vor allem mit karitativen und sozialem Engagement für hilfsbedürftige Kinder verdient gemacht", heißt es in der Erklärung der Staatskanzlei. Zudem habe der Zahnarzt "1985 durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten", der bayerische Orden folge in der Regel nach.

Seit 50 Jahren wird der Verdienstorden verliehen, ebenso lange wird die Vergabepraxis kritisiert. Schon bei seiner Einführung im Mai 1957 soll der CSU-Abgeordnete Paul Nerreter, früher Staatssekretär im Innenministerium, gewarnt haben: "Es wird ein Vereinsabzeichen für Politiker werden." Tatsächlich wird den Verleihern immer wieder vorgeworfen, den Verdienstorden bevorzugt Spezln und Parteifreunden anzuhängen. Besonders Strauß soll sich so gerne bei Geschäftspartnern bedankt haben. Seit Stoiber auszeichnet, kommen dagegen immer mehr Fernsehstars und Showsternchen zu der Ehre.

Verleihung ohne Begründung

Laut Gesetzestext wird der Verdienstorden verliehen "als Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste um den Freistaat Bayern und das bayerische Volk". Die Besonderheit: Die Zahl der lebenden Träger ist auf 2000 beschränkt.

Nach der Ehrung an diesem Mittwoch wird es 1831 Träger geben, seit seiner Einführung haben 4974 Personen den Verdienstorden erhalten. Vorschläge prüft ein Ordensbeirat, bestehend aus Landtagspräsident Alois Glück und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Günther Beckstein.

Die Liste des Ministerpräsidenten selbst bleibt jedoch unverändert. Weil bei der Verleihung auch keine Begründung veröffentlich wird, bleibt unklar, wer warum den Orden erhält. Man könne ihn sich ersitzen, wird gespottet, wenn man nur lange genug im Landtag sei. Tatsächlich finden sich viele Abgeordnete unter den Ordensträgern, aber auch Spitzenbeamte, Kabinettsmitglieder, Kommunalpolitiker.

"Die Auswahl erscheint mir undurchsichtig", sagt SPD-Fraktionschef Franz Maget, "die Kriterien erschließen sich mir nicht." Besonders wenn jemand nur seines Berufs wegen geehrt werde, sei das nicht unbedingt nachvollziehbar, sagt Maget, seit 2004 selbst Ordensträger. "Die machen ihre Arbeit, aber mehr auch nicht."

Unbestritten seien viele Personen dabei, die den Orden verdient hätten, trotzdem gebe es offenbar kein objektives Verfahren. Auch Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr sieht die Vergabe kritisch. "Da geht es oft weniger um den Verdienst der Personen als vielmehr um die Selbstbeweihräucherung des Ministerpräsidenten", sagt er.

Besonders in den vergangenen Jahren glaubt Dürr einen zunehmenden Missbrauch von Ordens- und Preisverleihungen festzustellen. Als Indiz dafür nimmt er, dass der Etat im Staatshaushalt von 2004 bis 2007 um 40 Prozent erhöht worden sei. 303.100 Euro sind pro Jahr im Doppelhaushalt 2007/2008 für Orden und Ehrenzeichen veranschlagt.

Darin inbegriffen sind auch die Kosten für die Freifahrten für alle Ordensträger bei der Seenschifffahrt. 19.500 Euro lässt sich der Freistaat diesen einzigen materiellen Vorteil, den ein Ordensträger genießt, kosten.

Neben dem Verdienstorden wird seit 1980 der Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst verliehen. Die Zahl seiner Träger ist auf 100 beschränkt. Außerdem hat der Freistaat vier andere Auszeichnungen zu vergeben: Das Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten, Rettungs- und Christophorusmedaille sowie die "Medaille für besondere Verdienste Bayerns in einem vereinten Europa".

"Der Bayerische Verdienstorden ist ein besonderes Zeichen der Anerkennung für alle, die sich weit über das normale Maß hinaus für ihre Mitmenschen und für den Freistaat engagiert haben", sagte Stoiber bei der diesjährigen Bekanntgabe. "Ohne sie wäre unser Land ärmer." Die sich vor allem angesprochen fühlen dürfen, halten sich naturgemäß bescheiden im Hintergrund. Ludowika Hackl zum Beispiel, Hausfrau aus Niederbayern, Jahrgang 1924. Seit 60 Jahren pflegt sie ihren schwerstbehinderten Sohn. Darüber sprechen will sie nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.803109
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.7.2007
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.