Identitätsdiebstahl im InternetWenn Betrüger plötzlich meinen Namen benutzen – eine Betroffene berichtet

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Hacker fangen im Internet die Daten von Personen ab und begehen dann in deren Namen Betrügereien. Identitätsdiebstahl nennt man das.
Hacker fangen im Internet die Daten von Personen ab und begehen dann in deren Namen Betrügereien. Identitätsdiebstahl nennt man das. (Foto: Yuri Arcurs/IMAGO)
  • Betrüger haben vier Jahre lang die Identität von Kathrin Rudolph benutzt, um fingierte Online-Verkäufe abzuwickeln.
  • Bayerns Justizminister Georg Eisenreich will bei der Justizministerkonferenz im November Identitätsmissbrauch als neuen Straftatbestand einführen, da das deutsche Strafrecht Lücken aufweist.
  • Gemeinsam warnen Rudolph und Eisenreich vor Identitätsdiebstahl, hinter dem meist professionell und international agierende Banden stecken.
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Das deutsche Strafrecht hat bei der Betrugsmasche Identitätsklau im Netz Lücken - die will Justizminister Eisenreich mit einer Initiative bei seinen Länderkollegen schließen.

Von Johann Osel

Klingt doch plausibel, also warum nicht? Das dachte sich Kathrin Rudolph vor gut vier Jahren, als sie ihrem Sohn eine Spielkonsole zum Geburtstag schenken wollte. Auf einem Kleinanzeigenportal verlangten viele Verkäufer Vorkasse, 500 Euro, da hatte sie Bedenken. Aber ein Anbieter verschickte die Ware auch auf Rechnung, mit Ausweiskopie als Sicherheit. Die Konsole hat Rudolph nie bekommen. Dafür stand zwei Monate später ein junger Mann bei ihr vor der Haustür in der Nähe von München. Er wollte wiederum eine Spielkonsole abholen, die er schon bezahlt habe. Weil Rudolph sie ihm angeblich zuvor im Netz verkauft habe.

So ging das los, was Kathrin Rudolph am Mittwoch im Münchner Justizpalast „eine richtig ätzende Situation“ nennt. Auf Einladung des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich (CSU) spricht sie über ihren Fall, über Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch. Mit der Ausweiskopie arbeiteten nämlich Betrüger im Netz, meldeten Accounts an, wickelten fingierte Verkäufe ab. Die Zahl von Menschen vor ihrer Tür „explodierte“ in den folgenden Monaten und Jahren; oft waren es fünf, manchmal acht oder gar zehn Leute jeden Tag und mitunter rund um die Uhr, die glaubten, bei ihr gekaufte Waren abholen zu können. Fernseher, Boote, Küchenmaschinen, Sättel, „alles, was man kaufen kann“.

Die geprellten Käufer, die aus der ganzen Republik und teils aus dem Ausland angereist waren, zeigen sich „nicht happy“, wenn Rudolph ihnen erklären muss, dass sie Opfer eines Betrugs geworden sind. Da formuliert sie wohl diplomatisch-vorsichtig, diesen Eindruck bekommt man jedenfalls im Justizpalast. Auch wenn Rudolph selbst keinen finanziellen Schaden bei der ganzen Causa davonträgt oder gar selbst rechtlich belangt wird, weil sie schon beim ersten vermeintlichen Käufer Anzeige bei der Polizei erstattete und ihren Personalausweis als gestohlen meldete – es ist eine unerträgliche Situation seit vier Jahren. Eine Belastung für ihre Familie, die Kinder, die pflegebedürftige Mutter. Würde sie nicht im Eigenheim wohnen, sagt Rudolph, hätte die Familie eigentlich längst umziehen müssen.

Die psychische Belastung geht über die oft enormen finanziellen Schäden noch hinaus, sagt Justizminister Eisenreich. Angriffe auf die Identität könnten „auch den Ruf einer Person ruinieren“. Er will durch die Presse-Veranstaltung, zu der neben Rudolph der Schweinfurter Oberstaatsanwalt Markus Küstner kam, die Bevölkerung aufklären und für die Gefahren sensibilisieren.

Justizminister Georg Eisenreich, Kriminalitätsopfer Kathrin Rudolph und der Schweinfurter Oberstaatsanwalt Markus Küstner (rechts) klären über Identitätsdiebstahl auf.
Justizminister Georg Eisenreich, Kriminalitätsopfer Kathrin Rudolph und der Schweinfurter Oberstaatsanwalt Markus Küstner (rechts) klären über Identitätsdiebstahl auf. (Foto: StMJ/Bayer)

Eisenreich kündigte zudem an, dass er bei der nächsten Justizministerkonferenz der Länder in Leipzig im November das Thema Identitätsmissbrauch auf die Tagesordnung bringen möchte. Seiner Auffassung nach gibt es Lücken im Strafrecht. Beim Diebstahl der Identität, also dem ersten Schritt vor dem Missbrauch, sei die Regelung noch umfänglich: Datenschutzrecht, Datenhehlerei, Ausspähen und Abfangen von Daten – das sind die üblichen Tatbestände. Beim Missbrauch fehle indes im Gesetz ein zielgenauer Schutz.

Die Schweiz habe 2023 Identitätsmissbrauch als neuen Straftatbestand mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr eingeführt. Binnen eines Jahres seien dort nach Medienberichten bereits mehr als 1000 Fälle angezeigt worden. Denkbar sei, dass bei der Konferenz auch über Identitätsmissbrauch aus nicht finanziellen Motiven gesprochen werde, also wenn es darum geht, jemanden aus Rache zu schädigen oder zu stalken.

„Zu den Ersten, die neue technische Möglichkeiten nutzen, gehören die Kriminellen. Betrüger passen ihre Methoden ans digitale Zeitalter an“, so Eisenreich. Große Teile des Privat- und Geschäftslebens fänden zunehmend im Internet und in sozialen Netzwerken statt. Immer wieder klärt das Ministerium über neue Betrugsmaschen auf. Etwa auch im amourösen Bereich, beim „Love-Scamming“. Auch hier kommt es zu Identitätsdiebstahl, 2024 wies Eisenreich mit einem Schauspieler der ZDF-Serie „Rosenheim-Cops“ darauf hin. Unter Missbrauch dessen prominenten Namens wurde in Bayern eine ältere Dame um ihr Vermögen gebracht.

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Von Johann Osel

Der Minister rät: „Schauen Sie im Internet genau hin, wer Sie anschreibt, vor allem wenn es um finanzielle Transaktionen geht. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Wechseln Sie nicht von geschäftlichen Kanälen zu privaten Chatanbietern.“ Gerade bei digitalen Identitätsnachweisen sei Vorsicht geboten. Es gelte der Satz: „Machen oder erzählen Sie online nichts über sich, was Sie nicht auch Fremden in der U-Bahn erzählen würden.“ Wichtig sei es vor allem, Straftaten und verdächtige Vorkommnisse anzuzeigen.

Hier hatte Kathrin Rudolph absolut richtig gehandelt und sich so noch weiteren Ärger erspart. Wobei der Ärger der vergangenen Jahre schon groß genug ist, auch wenn das Aufkommen von Menschen an der Haustür und zudem von Anwaltsbriefen Geschädigter zuletzt etwas abgeebbt sei. Was das mit einem macht, sei „wirklich unvorstellbar“. Und alles „aus einem unbedachten Moment heraus“.

Die Täter sind professionell und international aktiv – und so oft schwer zu ermitteln

Genaue Zahlen an Opfern von derlei Maschen in Bayern gibt es nicht. In den amtlichen Statistiken für Betrug oder Cyber-Kriminalität sind auch diese Fälle in größeren Deliktgruppen zusammengefasst. Oberstaatsanwalt Markus Küstner wies aber darauf hin, dass der digitale Tatort inzwischen den überwiegenden Anteil bei Betrug stelle, während klassische Phänomene deutlich weniger würden.

Zu den Tätern kann Küstner sagen: Dahinter steckten meist professionell und international agierende Zusammenschlüsse. Eingebettet in Kaskaden von geklauten Identitäten, zu denen auch Geldwäsche-Netzwerke gehören, etwa mit zwischengeschalteten Krypto-Währungskonten. Bis zum Geldabfluss ganz am Ende, dem „Aus-Cashen“. Das erschwert die Ermittlungen ebenso wie die verwinkelten und verschlüsselten digitalen Spuren der Täter.

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