Süddeutsche Zeitung

Prozess:Immer Ärger um die Saurüsselalm

Vor einem Jahr ist die Alm bei Bad Wiessee, die zuvor allein der Landwirtschaft diente, zu einem neuen Ausflugsziel aufgebrezelt worden. Doch statt stiller Wanderer zieht sie allerlei Partyvolk an - und Juristen.

Von Matthias Köpf, Bad Wiessee

Auf einen Ortstermin möchte der Richter erklärtermaßen gern verzichten. Denn einerseits ist die Einigungsbereitschaft der Parteien erkennbar gering, weshalb die Sache seiner Einschätzung nach sowieso als nächstes vor dem Oberlandesgericht landen wird. Und zum anderen liege diese Saurüsselalm "wohl irgendwo in der Pampa". Aber ganz ohne der nächsten Instanz vorzugreifen: Damit tut der Richter dem eigentlichen Schauplatz des Streits natürlich unrecht. Schließlich schmückt sich die besagte Alm mit dem Untertitel "am Tegernsee" und liegt lediglich eine knappe Dreiviertelstunde zu Fuß von Bad Wiessee entfernt.

Früher hieß sie Söllbachaualm und diente allein der Landwirtschaft. Doch seit der Freisinger Bauunternehmer und Wiesseer Großgrundbesitzer Franz Josef Haslberger sie vor einem Jahr zur markigeren "Saurüsselalm" aufbrezeln ließ und sie gastronomisch Helmut Kohls ehemaligem Leibkoch Martin Frühauf überantwortet hat, ist die Alm auch was für Richter und andere Juristen.

Allerdings sind selbst mittelweite Anreisen nicht jedermanns Sache, und so ist Haslberger am Donnerstag seinerseits nicht im Landgericht München II erschienen zur Verhandlung wegen seines Hausverbots gegen ein lokales Online-Medium. "Die 200 Euro Ordnungsgeld werden ihn jetzt nicht jucken", kommentiert der Richter. Dabei gäbe es für 200 Euro auf der Saurüsselalm laut aktueller Speisekarte wahlweise 20 bayerische Wurstsalate oder zehn Trüffelpizzen. Sämtliche Mitarbeiter der Lokale Stimme GmbH, und seien es die Reinigungskräfte, müssen sich aber ohnehin anderweitig stärken.

Diese GmbH betreibt nämlich das Online-Portal Tegernseer Stimme, das sich oft mit besonderer Hingabe an Haslberger und seinen Vorhaben abarbeitet. Haslberger hat daher ausnahmslos allen ihren Mitarbeitern Hausverbot erteilt, weswegen das Unternehmen ihn nun verklagt hat, weil es die Pressefreiheit bedroht sieht. Haslberger hingegen geht es laut der Argumentation seines Anwalts vor allem darum, ungefragtes Fotografieren auf der Saurüsselalm und das Publizieren jener Fotos zu verhindern.

Andere wiederum posten fleißig Bilder in den sozialen Medien. Der Wiesseer CSU-Gemeinderat Christoph von Preysing etwa, der in seiner "Fischerei Tegernsee" ein oft illustres und bei Bedarf gerne auch per Helikopterflotte eingeflogenes Publikum mit allerlei Fischen und Krustentieren verwöhnt. Auf einigen von Preysings Posts wollen Einheimische im Hintergrund von Partyvolk, Hummer und Schampus eindeutig das Ambiente der Saurüsselalm erkannt haben. Die Befürchtung, dass in dem einstmals eher abgelegenen Söllbachtal statt der angekündigten einfachen Wirtschaft mit almtypischen Speisen doch bloß wieder eine tegernseetypische Partylocation für ein auswärtiges Luxuspublikum entstehen sollte, ist einer der Gründe, warum die Saurüsselalm so umstritten ist.

Schwarzbauten auf der Alm

Der Verein zum Schutz der Bergwelt hat schon vor einer Weile gegen den Genehmigungsbescheid geklagt, mit dem das Landratsamt Miesbach den Umbau und die neue, gastronomische Nutzung der Alm erlaubt hat. In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht hat der Verein im Juni zwar verloren, doch beim Ortstermin auf der Alm rügte die Richterin auch etliche Schwarzbauten. Eine Terrasse zum Beispiel ist um einiges größer geworden als genehmigt, und die mächtige Markise statt der Sonnenschirme war auch nie beantragt.

Notgedrungen verlangte das Landratsamt dafür einen nachträglichen Bauantrag, doch wenige Stunden, bevor der Bauausschuss des Bad Wiesseeer Gemeinderats im Oktober über diesen diskutieren konnte, erschien Haslberger persönlich im Rathaus und zog ihn zurück. Für den Donnerstagabend standen beide Schwarzbauten noch einmal zur Debatte, denn die Behörden hatten Haslberger eine Frist gesetzt und mit einer Abrissverfügung gedroht. Selbst abreißen lassen hat er laut Landratsamt mittlerweile einen ebenfalls ungenehmigten Tanzboden, der zwischenzeitlich als Fahrradabstellfläche deklariert worden war. Das Amt will diese Angaben aber noch von seinen Baukontrolleuren überprüfen lassen.

Die waren bei einem früheren Besuch auch auf einen zweistöckigen und mit einer Art Balkon versehenen Ziegenstall gestoßen. Weil die Decke zwischen Erdgeschoss und erster Etage inzwischen entfernt wurde, gilt der Bau zumindest dem Landwirtschaftsamt inzwischen offenbar als ein der Landwirtschaft dienlicher und damit rechtens errichteter einstöckiger Ziegenunterstand.

Streitpunkte gibt es genug

Streitpunkte gibt es trotzdem noch genug. Den Shuttleservice mit Kleinbussen etwa, den das Landratsamt einst selbst vorgeschlagen hatte. Die Begründung für den Vorschlag ist natürlich vorsichtiger formuliert, läuft aber darauf hinaus, dass ein paar Busse immer noch besser sind als eine Horde angetrunkener Gäste, die abends oder gar nachts durch den Wald zu Tal ziehen. Allerdings seien die Shuttles nur für die Talfahrt gedacht und genehmigt, heißt es aus dem Landratsamt - und nicht als Zubringer, der die geschlossenen Gesellschaften überhaupt erst hinaufkarrt. Kontrollieren müsse das aber die Gemeinde, was diese ablehne.

Die 15 Extra-Events pro Jahr für geschlossene Gesellschaften, die das Landratsamt und die Gemeinde Haslberger zugestanden haben, hat das Verwaltungsgericht im Juni ebenfalls kassiert. Haslberger will deshalb erreichen, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Berufung gegen das Urteil zulässt, und immerhin in diesem Bestreben ist er sich einig mit dem Verein zum Schutz der Bergwelt. Mit einer Entscheidung des VGH ist wohl irgendwann 2023 zu rechnen. Sein Urteil in Sachen Hausverbot für die Tegernseer Stimme will der Richter Ende Februar verkünden.

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