Süddeutsche Zeitung

Flucht und Migration:Erste kommunale Asylunterkunft

Sankt Wolfgang will als erste Gemeinde im Landkreis Erding auf eigene Kosten ein Wohnheim für Geflüchtete errichten.

Von Florian Tempel, Sankt Wolfgang

Man glaubt es kaum, aber die Idee von Bürgermeister Ulrich Gaigl (FW) ist absolut innovativ. Gaigl hat dem Sankt Wolfganger Gemeinderat vorgeschlagen - und ihn überzeugt -, dass die Kommune selbst ein Wohnheim für 50 Asylsuchende errichten sollte. Das ist neu, so etwas gab es im Landkreis Erding bisher noch nicht. Das Wohnheim soll in Modulbauweise im Hauptort auf einem Teil der Festwiese und somit in günstiger und zentraler Lage errichtet werden.

Seit zehn Jahren werden zwar in wiederkehrenden Runden die zwei Städte und 24 Gemeinden von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) aufgerufen, dem Landratsamt bei der Beschaffung von Wohnraum für geflüchtete Menschen zu helfen. Sie sollen doch bitte leerstehende Gebäude weitervermitteln oder kommunale Grundstücke für Unterkünfte in Modulbauweise zur Verfügung stellen. Doch dass eine Gemeinde selbst in Vorleistung geht, selbst etwas bauen lässt und an die übergeordneten staatlichen Stellen vermietet, davon war nie die Rede. Nun ist das Landratsamt damit einverstanden und auch die Regierung von Oberbayern hat in der vergangenen Woche ihre Zustimmung erteilt.

Warum der Gedanke bislang offenbar allen abwegig erschien, ist gar nicht mehr so recht zu verstehen, jetzt, da er raus in die Welt ist und bald schon realisiert wird. Für Immobilienbesitzer und Immobilienunternehmer ist die Bereitstellung von Wohnraum für Geflüchtete doch schon seit Jahren ein Geschäft wie andere Vermietungen auch. Ein Vorteil ist auf alle Fälle, dass der Staat die Mietzahlungen zuverlässig überweist. Mit Ausfällen muss nicht gerechnet werden.

Die Sankt Wolfganger sind tatsächlich nicht ganz von selbst drauf gekommen, sondern reagieren mit ihrer Eigeninitiative auf das Vorhaben eines privaten Investors. Der war im Landratsamt mit der Idee vorstellig geworden, in Sankt Wolfgang ein sehr großes Wohnheim für 300 Asylsuchende hinzustellen. Den Bürgermeister und den Gemeinderat erschreckte die schiere Dimension. Im Hauptort der Gemeinde leben etwa 3000 Menschen. Auf einen Schlag zehn Prozent Neubürger dazuzubekommen, das ist ganz schön viel. Mal ganz abgesehen von den grundlegenden Integrationsnotwendigkeiten. Kinder müssen in den Kindergarten und in die Schule, die Erwachsenen sollten Deutsch lernen.

"Das private Vorhaben einfach abzulehnen, ging aber auch nicht", sagt Gaigl. Die Kommunen wissen sehr wohl, wie groß der Druck auf dem Landratsamt lastet, derzeit jeden Monat 50 neue Geflüchtete unterzubringen. Alle Gemeinden sind dazu verpflichtet, dass entsprechend ihrer Größe ein Anteil der Asylsuchenden bei ihnen lebt. Man musste also einen konstruktiven Gegenvorschlag finden.

Die Idee, Mobile Homes anzuschaffen, lässt sich auf die Schnelle nicht verwirklichen

Gaigl informierte sich, wie es andere Kommunen machen. Ihm gefiel besonders das Beispiel, sogenannte Mobile Homes, wie man sie von Campingplätzen oder dem Strandurlaub in Italien kennt, zu erwerben und auf einem kommunalen Grundstück aufzustellen. "Wenn der Zeitfaktor nicht wäre, hätte ich gesagt, dieses Wohnform ist es", sagt Gaigl. Ein Problem in Wohnheimen sei fraglos, dass sich viele Bewohner die Sanitäranlagen und Gemeinschaftsküchen teilen müssen. Kleinere und vollständiger ausgestattete Wohneinheiten würden diese Problematik entschärfen.

Doch da die Zeit drängt und es schnell gehen muss, wird nichts aus der Idee mit den Mobile Homes. Bis die gebaut und geliefert würden, dauere es etwa ein Jahr. Also wird es in Sankt Wolfgang doch ein Wohnheim in Modulbauweise, das schon nach zwölf bis 14 Wochen fertig dastehen kann.

Gaigl sagt, man müsse noch entscheiden, ob die Gemeinde das Wohnheim ganz in Eigenregie errichten lässt oder einen Dritten damit beauftragt. Auf alle Fälle soll es über die absolute Grundausstattung hinausgehen. "Ich möchte ein paar Sachen obendrauf", sagt der Bürgermeister. Es soll zum Beispiel multifunktionale Gemeinschafts- und Hausaufgabenräume, ordentliche Mülltonnenhäuschen, Fahrradständer und einen überdachten Freisitz geben. Die Ausgestaltung und die Mitsprache beim Raumangebot, das sei der große Vorteil für eine Gemeinde, sagt Gaigl: "Wir haben die Hand drauf."

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