Sankt Englmar:"Meine Gegner haben alle Kinder bekommen. Dann sind sie langsamer geworden"

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Walter Röhrl ist das Idol einer Generation von Autofahrern. An seinem 70. Geburtstag hadert er ein wenig mit dem Alter - und den vielen Baustellen auf den Straßen.

Von Rudolf Neumaier, Sankt Englmar

Neulich haben sie ihn wieder als besten Autofahrer der Welt bezeichnet. Ganz beiläufig. "Wir haben ihn besucht. Hält sich der beste Autofahrer der Welt immer noch für unfehlbar?", fragte die Auto Bild, das Zentralorgan des deutschen Automobilkultes. Unfehlbarkeit ist bei Walter Röhrl ein krummes Synonym für das, wonach er immer strebte: Perfektion. Er war besessen von der Perfektion. Ist es vielleicht immer noch. Dabei könnte er es lockerer angehen in seinem Alter. An diesem Dienstag wird er 70 Jahre alt.

Es sieht alles ziemlich perfekt aus bei Walter Röhrl. Die Karriere. Die Frau, mit der er seit 39 Jahren verheiratet und seit 50 Jahren liiert ist. Der Wohnpalast in Sankt Englmar. Die Freunde, mit denen er sich dort bei Kachelofenwärme in die Bauernstube setzt, die er in einem alten Südtiroler Hof abbauen und in Niederbayern wieder aufbauen ließ. Körperlich ist er fit, er geht Skitouren wie ein 40-Jähriger und er hat noch dieselbe Haarfarbe wie vor 30 Jahren.

Was will man mehr? Auf die mächtige Holzplatte seines Esstisches malt Walter Röhrl mit dem Zeigefinger eine Zahl. Die Fünf, sagt er, und die Sechs, die hätten ihm nichts ausgemacht. Überhaupt nicht. Aber diese Zahl, die macht ihm zu schaffen. Er malt sie noch mal: "Mit dem Siebener habe ich Schwierigkeiten." Irgendwo hat er gehört oder gelesen, dass 90 Prozent der Männer in der 70er-Dekade aus dem Leben scheiden. Ein Optimist war Walter Röhrl noch nie. Immer nur Perfektionist.

Seiner Laufbahn ordnete er alles, wirklich alles unter. Er verzichtete sogar auf Kinder. "Aus Ehrgeiz", sagt er, "reiner Egoismus, sonst wäre das alles nicht gegangen." Er hat seine Kontrahenten immer genau beobachtet - weit über die Rallyetouren hinaus. "Meine Gegner haben alle Kinder bekommen. Dann sind sie langsamer geworden. Wenn ich da an die Schweden denke - alle langsamer geworden, als sie Kinder hatten." Er wollte das auf keinen Fall, langsamer werden.

Daher hat er eine besondere Beziehung zu Maxl. Wenn Maxl mal aus dem Haus ausreißt, macht sich Walter Röhrl Sorgen. Ist Maxl gut drauf, dann ist auch er gut drauf. Ist Maxl zum Kuscheln aufgelegt, geht ihm das Herz auf. "Ich will das Gefühl haben, dass er mich mag", sagt Walter Röhrl. Diese Zuneigung ist für ihn so wichtig, weil er sie insofern für besonders glaubwürdig hält, als der Max ja nicht wisse, dass sein Herrchen mal Weltmeister war. Maxl ist ein junger Kater und sehr, sehr aufgeweckt. Man kann sagen, auch er ist perfekt. Und Walter Röhrl will von ihm nicht als Star gemocht werden, sondern als Mensch.

"Ich habe wahrscheinlich schon jeden Porsche auf der Welt unterschrieben"

Ein Star ist er für sehr, sehr viele Menschen immer noch. Es vergeht kein Tag, an dem nicht Fans an seiner Tür läuten, obwohl nur "M+W R" auf dem Klingelschild steht. Sie finden ihn. Viele schicken ihm nur Briefe, und er bekommt Tankdeckel zum Signieren zugesandt. Als Repräsentant von Porsche signiert er manchmal die Tankdeckel ganzer Flotten von Autos. "Wenn Sie ein exklusives Auto haben wollen", sagt er den Leuten im Scherz, "sollten Sie besser kein Autogramm nehmen. Ich habe wahrscheinlich schon jeden Porsche auf der Welt unterschrieben."

Vom 7. März 1965 an, seinem 18. Geburtstag, chauffierte er den Finanzchef des Bistums Regensburg auf die Dörfer. Sieben Fahrstunden, Prüfung, dann ans Steuer eines 200er Mercedes Diesel, hellblau. 120 000 Kilometer im Jahr. Sie hatten auf ihren Dienstfahrten die Grundstücke der Kirche zu verpachten. Seine Mutter beschimpfte ihn, als er den Job bei der Kirche nach wenigen Jahren kündigte. Die ganze Erziehung - für die Katz. Kündigen? Wie asozial! Im katholischen Regensburg galt ein Job im Ordinariat nicht nur als Lebensversicherung, sondern auch als gut fürs Seelenheil. Und dann auch noch Autorennen. Die Angst der Mutter lässt sich kaum beschreiben, ihren älteren Sohn hatte sie schon bei einem Autounfall verloren.

Röhrl ließ sich nicht von ihrer Angst abhalten, aber er versprach ihr, für einen Sieg beim Rennen nie sein Leben aufs Spiel zu setzen. Geschwindigkeit und Perfektion hängen nur bedingt zusammen. "Ich hätte keinen Tachometer gebraucht", sagt er. Mit seinem Fahrgefühl entwickelte er für verschiedene Hersteller perfekte Rennwagen. Seinen Job als Test- und Entwicklungsfahrer für Porsche auf dem Nürburgring hat er im vergangenen Jahr aufgegeben. Nicht weil er dessen müde geworden wäre. Er sagt, er habe die Autobahn-Baustellen und die immer häufigeren Staus auf der Strecke zum Nürburgring nicht mehr ertragen.

Die Fahrten wurden irgendwann unkalkulierbar. Mal kam er in fünf Stunden an, dann dauerte es wieder sechseinhalb. "Für einen wie mich, der im Wettbewerb auf die Minute genau an einem Ziel sein musste, ist so etwas kaum auszuhalten. Da lass' ich es lieber." An diesem Tag muss er nach Regensburg zum Zahnarzt. Die Fahrt von Sankt Englmar nach Regensburg dauert für ihn exakt 40 Minuten. Wenn's pressiert, geht es auch in 35 oder 34 Minuten, aber dann ist es nicht mehr perfekt, sondern zu schnell. Auf den Tag genau seit 52 Jahren fährt Walter Röhrl an diesem Dienstag Auto. Unfallfrei.

SZ PlusZum 70. Geburtstag von Walter Röhrl
:Mensch Walter

Am 7. März wird Walter Röhrl siebzig. Seine Karriere als Rennfahrerendete vor drei Jahrzehnten, aber es wirkt, als wäre "der Lange" immer noch da - er gehört zu jenen Ikonen, die nie verblassen

Von Max Küng, SZ-Magazin

Der ehemalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl feierte am Dienstag 70. Geburtstag und laut unserem Beitrag vom gleichen Tag mit dem Titel "52 Jahre unfallfrei" allzeit unbeschadetes Fahren. Zu ergänzen ist, dass er im Frühjahr 1993 einen Unfall im Straßenverkehr erlebte: Ein anderer Autofahrer rannte frontal in einen Ferrari, mit dem Röhrl unterwegs war.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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