Sanierungsstau in Bayern:„Nicht so mausgrau wie im Kasernenklo“

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Sie jammern nicht, sondern packen an: Weil sie sich mit dem baulichen Zustand der Ulrichschule nicht abfinden wollten, sanierten Eltern jetzt sogar die Schulklos. (Foto: Anja Waninger)

In Augsburg sanieren Eltern in den Ferien die Toiletten der Schule, weil die Kommune nicht hinterherkommt. Die Stadt fordert mehr Hilfe vom Freistaat und steht damit nicht alleine da.

Von Franziska Jahn, Augsburg/München

Normalerweise arbeitet Anja Waninger in der Verwaltung der Drogenhilfe Schwaben in Augsburg. In den Sommerferien hat die Elternbeirätin jedoch zusätzlich zu ihrem Bürojob noch den Vorschlaghammer geschwungen. Gemeinsam mit anderen Eltern der Ulrichschule – einem Sonderpädagogischen Förderzentrum in Augsburg – hat sie die Schultoiletten in Eigenregie saniert.

Das wäre eigentlich die Aufgabe der Stadt Augsburg als Sachaufwandsträgerin gewesen. Die Lehrergehälter bezahlt der Freistaat, für Bau und Instandhaltung ihrer Schulen sind die Kommunen zuständig. Doch dafür sei kein Geld da, erklärt Martina Wild (Grüne), zweite Bürgermeisterin sowie Referentin für Bildung und Migration. „Die Sanierung, die Modernisierung und der Neubau von Schulgebäuden sind in unserer Stadt dringend notwendig und stellen aktuell und in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für unsere Stadt dar.“ Sicherheitsrelevante Themen wie Brandschutz, Elektrik oder Dachsanierungen stünden im Vordergrund.

Die Schulhäuser der Ulrichschule sind laut Waninger in einem desaströsen Zustand. Insbesondere die Toiletten würden stinken und seien kaputt: „Die Kinder wollen in der Schule häufig nicht aufs Klo gehen. Dann trinken sie nichts oder müssen wegen Bauchschmerzen vom Unterricht abgeholt werden, weil sie wirklich nicht aufs Klo gehen wollen.“ Das war für den Elternbeirat der Anstoß, selbst anzupacken.

Von der Stadt bekamen die Eltern der Ulrichschule keine Unterstützung, aber von der Schwabenhilfe Augsburg, einem gemeinnützigen Verein, der sich für soziale Projekte engagiert. Die gesamten Sommerferien haben Eltern, Lehrer und Ehrenamtliche der Schwabenhilfe von morgens bis abends das Schulklo der Ulrichschule generalsaniert. „Als wir die Wände abgeschliffen haben, hatten wir ein bisschen Endzeitszenario. Wir waren alle mit Atemschutzmasken, Brillen und Kopfhörern bekleidet. Der ganze Gang war staubig, ein bisschen wie im Horrorfilm“, sagt Waninger.

Eltern bringen in Eigenregie das Treppenhaus der Augsburger Ulrichschule auf Vordermann. (Foto: Anja Waninger)

Der Stadt Augsburg fehlen nach eigenen Angaben zwei Milliarden Euro, um alle Schulen sanieren zu können. „Wir benötigen sowohl vom Bund als auch vom Land dringend zusätzliche finanzielle Unterstützung, um die großen Baustellen im Bildungsbereich beheben zu können und Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten“, sagt Bürgermeisterin Wild.

Augsburg ist dabei kein Einzelfall. Alle Städte und Kommunen in Bayern kämpfen derzeit mit einem Sanierungsstau, sagt Achim Sing vom Bayerischen Städtetag. Nicht nur Schulen, sondern auch Kindertagesstätten und Straßen, Rad- oder Fußwege kämen momentan zu kurz. „Seit die Baupreise und die allgemeinen Kosten für Energie und Personal so stark gestiegen sind, ist die Haushaltslage in den Kommunen sehr angespannt. Sie haben schließlich nicht mehr Geld zur Verfügung als vorher.“

Dabei war die Initiative der Eltern nicht unumstritten

Selbst ehemals finanzstarke Städte wie Regensburg, München oder Ingolstadt hätten mittlerweile mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Um die Situation zu verbessern, müsse der Freistaat finanziell noch mehr unterstützen, sagt Sing. Das könne im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs passieren, Städten mehr Planungssicherheit geben und würde mehr Möglichkeiten für Investitionen etwa in Schulen schaffen.

Ein stärkeres Engagement des Freistaats im Bildungsbereich wünscht sich Augsburgs zweite Bürgermeisterin Wild. Die Anforderungen an Schulen hätten sich besonders im Bereich der Digitalisierung massiv weiterentwickelt. „Die Finanzierungsmodalitäten zwischen Freistaat und Kommunen stammen jedoch noch aus dem Zeitalter der Schiefertafel.“ Sie fordert ebenfalls eine Verbesserung des Bayrischen Finanzausgleichsgesetzes und dass die Finanzstärken und -schwächen der Städte berücksichtigt werden.

Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sagte nach dem Kabinett am Dienstag, dass die Sanierung von Schulen Sache der Kommunen sei. Aber mit dem Startchancen-Programm, über das der Bund binnen zehn Jahren 20 Milliarden Euro in sozial benachteiligte Kinder investiert, könne auch Geld für Infrastruktur abgerufen werden. In diesem Schuljahr werden 100 Grund- und Mittelschulen in Bayern gefördert, im kommenden Schuljahr folgen 480 weitere.

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In der Ulrichschule in Augsburg ging es weniger bürokratisch zu. „Wir haben geschrubbt und geschliffen, gestrichen und Fliesen rausgestemmt. In der Mittagspause haben wir gemeinsam gegrillt“, sagte Waninger. Dabei war die Initiative der Eltern umstritten: Nun, da die Toiletten saniert sind, würde sich die Stadt zurücklehnen, bemängelten andere Eltern. Waninger sieht das anders: „Das ist eine Diskussion, die man nicht auf dem Rücken der Kinder austragen darf. Sie können nicht die Leidtragenden sein.“

In Augsburg gibt es noch weitere Projekte von Elterninitiativen, Fördervereinen oder Unternehmen, die zum Beispiel die Pausenhofgestaltung übernehmen. „Bei all diesen Projekten wird eine enge fachliche Begleitung durch die Bauabteilung der Schulverwaltung oder das städtische Hochbauamt sichergestellt, sodass jederzeit eine fachgerechte Durchführung der Arbeiten gewährleistet werden kann“, versichert Bürgermeisterin Wild.

An der Ulrichschule hat der Umbau der Toiletten zwar doppelt so lange gedauert wie gedacht, aber am Montag dieser Woche sind die Eltern pünktlich zum Schulbeginn fertig geworden. Für Waninger hat sich der Aufwand gelohnt: „Der Raum ist viel schöner und ruhiger als vorher. Die Farben sind kindlich und nicht mehr so mausgrau wie in einem Kasernenklo.“

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