Kraftwerk an der Salzach:Druck auf die Turbinen

Kraftwerk an der Salzach: Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hat das kanalartige Bett der Salzach bereits an einigen Stellen aufgebrochen, um naturnahe Ufer zu schaffen.

Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hat das kanalartige Bett der Salzach bereits an einigen Stellen aufgebrochen, um naturnahe Ufer zu schaffen.

(Foto: Wasserwirtschaftsamt Traunstein)

Ministerpräsident Markus Söder will ein neues Kraftwerk an der Salzach durchsetzen und bricht dafür mit alten Zusagen der Staatsregierung. Der vorgesehene Betreiber hat längst Pläne zur Hand, doch Naturschützer kündigen eine Klage an.

Von Matthias Köpf, Tittmoning

Der nächste Eingriff könnte erst einmal ein bisschen grob wirken. Denn an diesem Dienstag sollen in der Nähe des oberbayerischen Städtchens Tittmoning Bauarbeiter damit beginnen, auf einem knappen Kilometer eine fünf Meter tiefe Spundwand in die Au entlang der Salzach zu treiben. Doch die Wand werde später nicht zu sehen sein, heißt es vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein. Sie soll den Deich schützen, wenn anschließend die starre Uferbefestigung weggebaggert wird, um dem weitgehend kanalartig dahinströmenden Fluss wieder etwas mehr Platz und naturnähere Ufer zu verschaffen.

Es ist viel Wasser die Salzach hinuntergeflossen, ehe das enge, im 19. Jahrhundert per Staatsvertrag festgelegte Korsett des deutsch-österreichischen Grenzflusses etwas gelockert wurde. Der Länge nach jedoch kann er auf mehr als 50 Kilometern frei dahinfließen und gilt damit als längster unverbauter Alpenfluss mindestens in Bayern. Doch auch das soll sich aus der Perspektive der Staatsregierung nun endlich ändern.

"Meine Vorstellung wäre, dass wir an der Salzach den nächsten großen Schritt machen", bekräftigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jüngst in Töging, keine 25 Kilometer Luftlinie von Tittmoning entfernt. Unter ihm und dem ganzen Festzelt vibrierten die Turbinen des Töginger Innkraftwerks, das die österreichische Verbund AG am Freitag in aller Form in Betrieb genommen hat. Es produziert ein Viertel mehr Strom als sein denkmalgeschützter Vorgänger, insgesamt rund 700 Gigawattstunden pro Jahr, genug für 20 0000 Haushalte. Man wolle sich mit "Heimatwasserkraft" so unabhängig wie möglich machen, sagte Söder, auch mit Blick auf "ein großes Projekt an der Salzach".

Solche Gedankenspiele gibt es seit Jahrzehnten. Immer wieder tat sich ein Landrat im Berchtesgadener Land oder in Traunstein hervor mit Kraftwerksideen für die Salzach. Angesichts der kriegsbedingten Energiekrise hat das Thema gerade wieder Konjunktur, und so haben sich nun auch die beiden CSU-Landräte Bernhard Kern und Siegfried Walch zu Wort gemeldet. Zumindest was Walchs rund 20 Traunsteiner Flusskilometer im Tittmoninger Becken betrifft, gibt es längst Planungen.

Der Verbund schlug bisher drei Kraftwerke vor, die auf ganzer Breite überströmt würden und zusammen 100 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren könnten. Entsprechend der Strategie der Staatsregierung sollten damit neue Wehre und Rampen nutzbar gemacht werden, die eigentlich einen anderen Zweck haben, nämlich die Salzach zu bremsen und zu verhindern, dass sie immer tiefer eingräbt in ihr Bett und irgendwann nach unten durchbricht.

Doch neue Gutachten kamen zu anderen Schlüssen: Für all das sei im Tittmoninger Becken höchstens ein Querbauwerk nötig, hieß es 2019, und eine aktuelle Studie in amtlichem Auftrag kam heuer zum Ergebnis, dass es auch ganz ohne Rampe geht. Doch die Staatsregierung hatte stets versichert, es werde nur Kraftwerke auf ohnehin nötigen Querbauten geben. Davon will Söder nun nichts mehr wissen.

Kraftwerk an der Salzach: Karl Heinz Gruber ist Geschäftsführer der "Verbund Innkraftwerke GmbH" und hat auch Pläne für die Salzach parat.

Karl Heinz Gruber ist Geschäftsführer der "Verbund Innkraftwerke GmbH" und hat auch Pläne für die Salzach parat.

(Foto: Matthias Köpf)

Der Verbund sei vor Jahren um einen Vorschlag gebeten worden und habe mit dem Innsbrucker Wasserbau-Professor Markus Aufleger eine Leuchtturm-Lösung entwickelt, die weltweit bespielhaft sein könne für ähnliche Situationen, sagt Karl Heinz Gruber, der für den Verbund die Geschäfte der Innkraftwerke führt. Derzeit plane man im Tittmoninger Becken mit nur einer Anlage und einer Jahresproduktion von etwa 30 Gigawattstunden, brauche dafür aber ein staatlich zu schaffendes Querbauwerk und politischen Willen. Der aber habe "mehrfach gewechselt".

Während Traunsteins Landrat inzwischen von drei Kraftwerken und 100 Gigawattstunden spricht, ist die Haltung im Nachbarlandkreis Altötting unverändert. Man lehne Kraftwerke an der Salzach einhellig ab, sagt Landrat Erwin Schneider (CSU) und weiß sich darin einig mit dem örtlichen Landtagsabgeordneten Martin Huber. In und für Altötting ändere sich da nichts, auch nicht seine Meinung zu einem Kraftwerk an der Salzach, sagt Huber, der seit Mai freilich auch Generalsekretär von Söders CSU ist und als solcher "natürlich ein Freund der Wasserkraft".

Seit Jahrzehnten nicht geändert hat sich die Haltung der vielen Naturschutzverbände beiderseits der Grenze, die sich 1987 zur "Aktionsgemeinschaft Lebensraum Salzach" verbunden haben. Die Stromausbeute aus dem geplanten Kraftwerk entspreche der von zwei oder drei Windrädern und stehe also in einem denkbar schlechten Verhältnis zu den ökologischen Folgen, sagt Sprecher Erich Prechtl. Dass dafür auch noch die Salzach verbaut werden soll, werde man nötigenfalls per Klage verhindern.

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