Wenn man Alfred Reisinger auf den "Untersuchungsausschuss Ei" anspricht, reagiert er sehr verärgert. "Das ist ungeheuerlich", sagt der frühere CSU-Landtagsabgeordnete und Alt-Landrat des Landkreises Straubing-Bogen. "Meine Mitarbeiter und ich waren immer korrekt, wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen."
Der Grund für Reisingers Groll: Der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn hat unlängst im U-Ausschuss einen anonymen Brief mit dem Vorwurf präsentiert, Reisinger und einige Mitarbeiter seines Landratsamts hätten auf der Gehaltsliste der Firma Bayern-Ei gestanden. Der Alt-Landrat hat bereits Anzeige gegen den unbekannten Verfasser des Briefs gestellt. Ob er ermittelt werden kann, ist ungewiss.
Bayern-Ei:Salmonellenskandal: Behörden wussten von durchgesickerten Kontrollterminen
Trotzdem unternahmen sie nichts, um die Untersuchungen zu verschieben. Wer Bayern-Ei-Chef Pohlmann informierte, ist auch nach einer Gerichtsverhandlung unklar.
Seit gut zehn Wochen arbeitet der U-Ausschuss Ei nun schon. Die anonymen Vorwürfe, die Brunn gegen den Straubinger Alt-Landrat zitiert hat, zeigen, wie hart es dort bisweilen zugeht. Es ist aber auch eine riesige Aufgabe. Bis Sommer 2018 will der U-Ausschuss den Skandal um die Firma Bayern-Ei aufklären, einen der größten Lebensmittel-Skandale in Bayern.
Dem Unternehmen und seinem damaligen Geschäftsführer Stefan Pohlmann wird vorgeworfen, 2014 fortlaufend Hühnereier ausgeliefert zu haben, obwohl in seinen Großställen in Niederbayern wiederholt Salmonellen nachgewiesen worden waren. Dadurch soll Bayern-Ei einen europaweiten Salmonellen-Ausbruch mit 187 Erkrankten und womöglich einem Toten ausgelöst haben. Laut SPD, Grünen und Freien Wählern war der Skandal nur möglich durch das Versagen der Lebensmittelkontrollen in Bayern. Dies will die Opposition mit dem U-Ausschuss beweisen.
Zumindest ein Ergebnis hat der U-Ausschuss bereits erbracht: An den Landratsämtern gibt es viel zu wenige Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre, um Großbetriebe wie Bayern-Ei effektiv zu überwachen. Im Gegenteil: Die Personalengpässe sind so massiv, dass oft Stellen über Monate unbesetzt sind. Das ist das Fazit der Anhörungen der drei Landräte Christian Bernreiter (CSU, Deggendorf), Heinrich Trapp (SPD, Dingolfing Landau) und Josef Laumer (CSU, Straubing-Bogen) sowie zahlreicher Mitarbeiter der drei Kreisbehörden.
Dem Freistaat fehlen die Kontrolleure
Am prägnantesten illustrierte das der Dingolfinger SPD-Landrat Trapp. Um einen Großstall mit 8400 Käfigen und 60 Hühnern je Käfig wie bei Bayern-Ei kontrollieren zu können, brauche es alleine 30 Lebensmittelkontrolleure, sagte Trapp vor den Abgeordneten. Die aber hat kein Landratsamt. Am Landratsamt Deggendorf etwa gibt es vier Planstellen für Lebensmittelkontrolleure. "Die Personalsituation ist nicht ausreichend", klagte der Deggendorfer Landrat Bernreiter, der als Chef des Landkreistags Sprecher der bayerischen Landräte ist. "Wir müssen das mit dem Ministerium beleuchten."
Besserung soll demnächst die "Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen" (KBLV) bringen. Sie nimmt am 1. Januar 2018 ihre Arbeit auf. Die KBLV hat 90 Mitarbeiter, für 70 wurden neue Planstellen geschaffen, die anderen 20 kommen vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ihre Dienstsitze sind im oberbayerischen Erding und im oberfränkischen Kulmbach.
Die KBLV wird für die Überwachung von 600 "komplexen" Lebensmittelbetrieben zuständig sein - das sind große Geflügelhalter wie Bayern-Ei, aber auch Schlachthöfe, Großmetzgereien, Molkereien, Bäckereien oder Getreidemühlen. Für all diese Betriebe sind bisher die Landratsämter zuständig, von 1. Januar an sind die Landräte die Verantwortung für sie los.
Rechnungshof fordert eigene Behörde für die Kontrolleure
Umweltministerin Ulrike Scharf hat hohe Erwartungen an die KBLV. "Das ist ein echter Quantensprung für ein gutes und sicheres Leben in unserem Land", sagt sie. "Außerdem werden durch sie die Kreisbehörden spürbar entlastet." Auch der SPD-Mann Brunn spricht von einer "echten Verbesserung". Für viele Experten ist Scharfs Reform, die unmittelbar unter dem Eindruck des Bayern-Ei zustande kam, nur ein erster Schritt.
Der Oberste Rechnungshof etwa empfiehlt in einem Gutachten, die Lebensmittelkontrolle und das Veterinärwesen komplett von den Landratsämtern abzuziehen und sie in einer neuen Behörde zu zentralisieren. Die freilich wollen die Landräte nicht - allen voran der Deggendorfer CSU-Mann Bernreiter. Er intervenierte sogar bei Ministerpräsident Horst Seehofer. Deshalb bleiben die allermeisten Lebensmittelbetriebe weiterhin in der Hoheit der Landratsämter.
Im U-Ausschuss Ei steht von dieser Woche an die Arbeit des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Fokus. Die prominentesten Zeugen, allen voran Ministerpräsident Horst Seehofer, Staatskanzleichef Marcel Huber, Umweltministerin Scharf, Agrarminister Helmut Brunner und der ehemalige Bayern-Ei-Geschäftsführer Pohlmann, werden erst zu einem späteren Zeitpunkt geladen.