Skandal um Bayern-Ei:Ein CSU-Minister mit lückenhafter Erinnerung

CSU-Vorstandssitzung

Marcel Huber war während des Salmonellen-Skandals 2014 für den Verbraucherschutz zuständig.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • 2014 wurden bei amtlichen Kontrollen bei der Firma Bayern-Ei mehrmals Salmonellen gefunden.
  • Fast zeitgleich erkrankten im Ausland Hunderte Menschen an Salmonellen - drei Menschen kamen deshalb womöglich zu Tode.
  • Wie konnte es dazu kommen? Bayerns damaliger Verbraucherschutzminister Marcel Huber soll bei der Aufklärung helfen.

Von Philipp Grüll und Frederik Obermaier

Marcel Huber war Verbraucherschutzminister, als im Sommer 2014 durch mutmaßlich salmonellenverseuchte Eier der Firma Bayern-Ei europaweit Hunderte Menschen erkrankten und mehrere Männer starben. Letzten Freitag informierte der jetzige Staatskanzleichef die Landtagsfraktionen, wie er mit dem Fall Bayern-Ei umging. Viel mehr, als dass für ihn damals "keine begründeten Zweifel" bestanden hätten, "dass die zuständigen Behörden alle notwendigen Maßnahmen veranlasst haben", erfuhren die Landtagsabgeordneten aber nicht aus seinem Schreiben. Für Marcel Huber scheint die Sache damit erledigt zu sein. Die entscheidenden Fragen aber blieben unbeantwortet - ein Überblick.

Warum wurden Warnungen ignoriert?

2014 wurden bei amtlichen Kontrollen bei der Firma Bayern-Ei mehrmals Salmonellen gefunden. Fast zeitgleich erkrankten im Ausland Hunderte Menschen an Salmonellen. Der gleiche Erregertyp wird plötzlich auch vermehrt aus Bayern gemeldet, auch ein Bayern-Ei-Mitarbeiter erkrankt.

Wissenschaftler verschicken über das europäische Schnellwarnsystem RASFF mehrere Hilferufe, die europäische Seuchenschutzbehörde wird eingeschaltet, die Medien in Großbritannien schlagen Alarm, es gibt den ersten Toten. Und dennoch erklärte Huber, es habe "damals keinen großen Aufschlag gegeben". Dass Huber "nichts unternommen und damit Menschenleben riskiert hat nur um Bayern-Ei nicht zu beschädigen" sei "ein riesiger Skandal", kritisiert SPD-Mann Florian von Brunn.

Wurde Huber selbst ausreichend informiert?

Dreimal unterrichteten die Behörden Huber im Sommer 2014 über den Fall. Die Originalvermerke liegen den Landtagsfraktionen aber nicht vor. Ob Huber wusste, dass wichtige Proben von den Behörden erst mit mehreren Wochen Verspätung weitergeleitet wurden, ist daher unklar.

Sicher wusste Marcel Huber aber, dass zunächst nur Tageschargen von Bayern-Ei zurückgerufen wurden, also nur Eier jenes Tages, an dem die Salmonellen gefunden wurden. Dass dies ein durchaus ungewöhnliches Vorgehen ist, da Hühner nicht über Nacht salmonellenfrei werden, dürfte Huber klar gewesen sein. Er ist studierter Tierarzt, war Mitarbeiter des Tiergesundheitsdienstes und saß nach eigenen Angaben in einer "Arbeitsgruppe Salmonellen".

Warum wurde die Bevölkerung nicht gewarnt?

Laut einem Gutachten des renommierten Hamburger Lebensmittelrechtlers Martin Holle hätten die bayerischen Behörden im August 2014 einen öffentlichen Rückruf der Eier veranlassen müssen. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Verbraucher über eine mögliche Salmonellen-Gefahr zu informieren. Benachrichtigt wurden aber nur Händler und auch das erst Wochen nachdem die ersten Salmonellen gefunden wurden. Die Öffentlichkeit dagegen erfuhr nichts. Wer in seinem Kühlschrank also schon Eier der Firma Bayern-Ei stehen hatte, wurde nicht aufgeklärt, dass sie womöglich salmonellenverseucht sein könnten.

Warum haben die Bayerischen Behörden nicht die Staatsanwaltschaft informiert?

Die Staatsanwaltschaft Regensburg erfuhr erst durch einen Journalisten von den Salmonellen bei Bayern-Ei, den Hunderten Erkrankten und den Todesfällen. Die Behörden hingegen haben die Staatsanwaltschaft darüber nicht informiert.

Dabei hatte das bayerische Verbraucherschutzministerium 2012 in einer "gemeinsamen Bekanntmachung" erklärt, dass Bayerns Verwaltungsbehörden schon beim "Verdacht einer Straftat gegen Vorschriften des Lebensmittel-, Futtermittel- und Veterinärrechts" die Strafverfolgungsbehörden zu informieren haben. Dazu verlor Huber in seinem Schreiben an die Fraktionen kein Wort. "Im Grunde räumt er nur ein, dass er nichts getan hat, aber nicht, warum er nichts getan hat", kritisiert Rosi Steinberger von den Grünen.

Warum sollen nur Einzelne versagt haben?

Nachdem die SZ und das BR-Politikmagazin "Kontrovers" den Fall Bayern-Ei publik gemacht haben, hat die Staatsanwaltschaft Regensburg den Firmeneigentümer Stefan Pohlmann festgenommen, ebenso später einen Amtstierarzt aus dem Landratsamt Straubing-Bogen. Ein Mitarbeiter der Regierung von Niederbayern wurde suspendiert. Laut Staatsanwaltschaft wird gegen "weitere Beschuldigte" ermittelt. Auf die Vorwürfe aber, dass Bayerns Behörden deutsches und europäisches Recht gebrochen haben, ist Huber bislang nicht weiter eingegangen.

Warum will die CSU keine parlamentarische Untersuchung?

Die CSU hat im Umweltausschuss einen Antrag der SPD, den Fall Bayern-Ei auf mögliche Rechtsverstöße hin zu untersuchen, abgelehnt. Stattdessen soll nun der Bayerische Oberste Rechnungshof bis Ende Januar einen Bericht vorlegen. Eine Behörde, die sonst den Haushalt des Freistaats prüft, soll nun einen Lebensmittelskandal aufklären.

Die Bayerische Tierärztekammer und die beamteten Tierärzte im Freistaat hingegen haben unlängst eine "sachliche und rechtliche Analyse" des Falles gefordert. Bislang stehe nur das Gutachten des Lebensmittelrechtlers Martin Holle zur Verfügung, der sagt, die bayerische Staatsregierung habe im Fall Bayern-Ei deutsches und europäisches Recht gebrochen.

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