Süddeutsche Zeitung

Youtuber Sääftig:Rap mit Leberkäse

Sääftig jodelt und trägt Sepplhut. Der 19-jährige Student macht aber keinen Schlager, sondern karnevalesken Crossover. Millionen haben sich das schon auf Youtube angeschaut.

Von Stefan Sommer

Ein blonder Bursche mit Sepplhut jodelt von der Heimat. Er macht "Jokserladiejhidelihurlijoliej". Er macht "Buff-bufferladiey". Er schwärmt von "Leberkäs". Er prostet mit einem Maßkrug in die Kamera. Eine Steirische spielt auf, und am Horizont glühen die Alpen, doch es ist trotzdem nicht das Winterfest der Volksmusik. Der fesche Bazi mit den Engelslocken heißt nicht Silbereisen, sondern Sääftig und macht keinen Schlager. "Jokserladiejhidelihurlijoliej" und "Buff-bufferladiey" sind Textzeilen des ersten Trap-Tracks auf Bayerisch. "Dirndl Weed" verbindet amerikanischen Rap-Sound mit bayerischer Folklore: Autotune mit Oktoberfest, Migos mit Minga. Mittlerweile haben ihn bei Youtube fast sechs Millionen Menschen gehört. Sääftig hat sein eigenes Genre erfunden. Aber meint er den Mia-san-mia-Klamauk tatsächlich ernst?

"Das war der Hut von meinem Opa", erklärt der Youtuber, der eigentlich Simon heißt, während eines Livestreams seinen überraschten Fans die Hintergrundgeschichte des Requisits aus seinem Musikvideo. Der 19-jährige Student aus einem Vorort von Nürnberg spricht Hochdeutsch. Auch in älteren Videos auf seinem Youtube-Kanal tut er das. Er schuhplattelt nicht. Er jodelt nicht. Keine Steirische, kein "Jokserladiejhidelihurlijoliej" und kein "Buff-bufferladiey". Bis vor wenigen Wochen lädt er dort Videos hoch, wie er Minecraft spielt, ein Bobby-Car mit einem Raketenantrieb versieht oder sich als Deutschrapper ohne bayerischen Dialekt und Tracht versucht. Im November 2020 hat er rund 4000 Abonnenten, drei Wochen später 120 000. Einen Sepplhut, verrät er im Stream, besitze er gar nicht, den habe er sich für den Videodreh geliehen.

Die Fans adeln den Song als "bayerische Hymne"

Bei einem Kurzurlaub sei der Clip zu "Dirndl Weed" in Grindelwald am Jungfraujoch entstanden. Das Video für die "bayerische Hymne", wie Fans das Lied im Netz adeln, drehte er in der Schweiz, vor Schweizer Gipfeln. Sääftig, eine Parodie auf Brauchtum und Vaterland? Das würde der Sache nicht gerecht werden. Der SZ verrät er im Interview, man könnte ihn nicht nach diesen Kategorien bewerten. Es gehe ihm nicht darum, ernste oder unernste Musik zu machen, sondern "ob man die Musik als Kunst fühlt oder nicht." Ambivalenzen und Widersprüche will er nicht auflösen. In alle Richtungen anschlussfähig zu bleiben, vergrößert schließlich sein Publikum.

Auch sein zweiter Trap-Track auf Bayerisch "Bayerisch Drip" schafft es nach diesem Bauplan in die Youtube-Trends, in die Berichterstattung einflussreicher Hip-Hop-Medien und zu rund vier Millionen Aufrufen. Auch "Bayerisch Drip" tänzelt zwischen Hoax und Heimatlied. Wieder mit Sepplhut, wieder mit Traktoren, wieder mit Landlust-Kulisse rappt er bierernst Textzeilen wie diese in die Kamera: "Junge, meine Vibes sind so schön, so geschmeidig. Noch 'ne Breze mit Salz macht dich neidisch."

Dass Crossover in Zeiten von sozialen Netzwerken und Meme-Kultur erfolgreich funktionieren kann, hat 2019 der Song "Old Town Road" von Lil Nas X vorgemacht. Der Rapper, der wie auch Sääftig vor seinem musikalischen Durchbruch als Internetpersona eine Fangemeinde aufbaute, kombinierte Trap mit Country und landete weltweit auf Platz eins der Charts. Was Trap und Country für die USA, sind 2020 Trap und Volksmusik für Deutschland. Sääftigs Idee, die aktuell auch ökonomisch vielversprechenden Stilrichtungen zueinander zu führen und ihre visuellen Codes ins Karnevaleske zu überdrehen, kann man nur als Marketing-Coup anerkennen. Er hat die Zeichen der Zeit erkannt: Sääftig versucht mit "Dirndl Weed" ein "Old Town Road" auf Bayerisch. Und er sagt, dass er Lil Nas X sehr schätze. Er fügt hinzu: "Ich habe den Hype um ihn in den Staaten von Anfang an sehr genau verfolgt."

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Quelle:
SZ vom 20.01.2021/sonn
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