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Sabin Tambrea spielt König Ludwig II.:Der Kini kommt ins Kino

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Reitstunden, Glätteisen und Plateauschuhe: Für seine Rolle als König Ludwig II. hat Sabin Tambrea einiges auf sich genommen. Herausgekommen ist kein glatter Schönling, sondern ein Märchenkönig zum liebhaben.

Von Sabine Buchwald

In der Kantine des Berliner Ensembles kann man sie ungeschminkt sehen, die Schauspieler, die hier spielen. Thomas Quasthoff ist an jenem Abend da. Tags zuvor hatte er Premiere als Narr in Shakespeares "Was ihr wollt". Auch Angela Winkler sitzt vor einem Glas. Erstaunlich mädchenhaft war sie gerade die Valerie in Horvarths "Geschichten aus dem Wienerwald". Sabin Tambrea als Alfred hat sie gut zwei Stunden lang erniedrigt. Und auch er kommt in die Kantine, die Kultstatus hat bei Berliner Theatermenschen. Man schenkt hier einfachen Rotwein aus und Bier und Cola zu Hausmannskost. Wenn sich die Kantinentür öffnet, drehen die Gäste ihre Köpfe, jedenfalls jene, die nicht zum Ensemble gehören. Und die Tür geht oft auf und zu an jenem Novemberabend. Sabin Tambrea erkennt man sofort. Weil er groß und ungewöhnlich schlank ist. Weil er mit den Augen so unglaublich mitreißend lachen kann. Sie verschwinden fast hinter den hohen Wangenknochen, wenn ihn etwas amüsiert.

Sehr jung wirkt Sabin Tambrea im weißen Hemd und schwarzem Sakko, jünger als vorher auf der Bühne, jünger als 28 Jahre. Er kenne sich nicht so gut aus rund um das Theater, sagt er, als man bespricht, wo man sich treffen könnte zu einem Gespräch. Deshalb schlägt er die Kantine vor. Sie ist für ihn Heimat geworden, seitdem er am Berliner Ensemble spielt. Die Kollegen sind Familienersatz. "Theater ist das Leben im Kleinen. Ich habe hier Beständigkeit", sagt Tambrea. Claus Peymann hat ihn 2008 an das traditionsreiche Haus geholt. Er hat an den jungen Mann geglaubt, als ihn noch keiner richtig kannte, geschweige denn sich seinen Namen merken konnte. Selbst in Rumänien, wo Sabin Tambrea geboren wurde, sei der Vorname eher exotisch, sagt er. An Versprecher und Verdreher habe er sich gewöhnt. "Sabrina Tombola" war das Lustigste, was er bislang hörte.

Im vergangenen Jahr machte er eine Pause vom Theater für die Dreharbeiten am neuen Ludwig-II-Film in Bayern und Österreich. Danach durfte er wieder kommen nach Berlin, sie glauben eben hier an ihn. Am 18. November 2011, an Tambreas Geburtstag, war der letzte Drehtag. Ein Jahr ohne Ludwig liegt hinter dem Schauspieler. Jetzt aber geht es wieder los mit dem Königsein, auch wenn er das gar nicht so richtig will. Er wird aber den Film präsentieren, an der Seite von Hannah Herzsprung etwa oder Friedrich Mücke, Edgar Selge und Uwe Ochsenknecht, allesamt große Namen des deutschen Kinos. Weitgehend unbekannt ist eigentlich nur der Mann, der die Hauptrolle spielt. "Die Arbeit an Ludwig ist für mich an sich abgeschlossen", sagt Tambrea. "Ich werde jetzt geradestehen für das, was ich verbrochen habe." Da ist es wieder, dieses Lächeln, das seine Augen fast unsichtbar macht und seinen Mund so groß wie die Sichel des Mondes. "Locken aber lasse ich mir nicht mehr verpassen."

Einer, der kein glatter Schönling ist

Natürlich hofft er, dass der Film ankommt bei den Zuschauern. Das hoffen auch die Regisseure Peter Sehr und Marie Noëlle, der Produzent von Bavaria Pictures, Ronald Mühlfellner und viele andere Geldgeber des Großprojekts. Sie haben auf Sabin Tambrea gesetzt. "Wenn wir ihn nicht gefunden hätten, dann hätten wir den Film nicht gedreht", hat Mühlfellner in einem Interview gesagt. Regisseurin Noëlle schwärmt von Tambrea: "Es hat uns gefallen, dass er kein glatter Schönling ist, sondern ein Mann mit Ecken und Kanten." Polizeiruf-110-Redakteurin Cornelia Ackers, die ihn in der Folge "Das Tod und das Mädchen" beobachtet hatte, beschrieb ihn vor fast zwei Jahren, als "ein unverbrauchtes Gesicht, das das rührend Kindliche von Ludwig darzustellen vermag und das Pathologische". Den Namen von Tambrea aber verriet sie damals nicht.

Aus 370 Bewerbungen haben sie ihn herausgefischt. Er hatte sich mit einem iPhone-Film beworben und dazu geschrieben, was ihn seiner Meinung nach mit dem Bayernkönig verbindet. Die Liebe zu Wagner, überhaupt zur Musik, sagt Tambrea. "Ich habe ihnen erzählt, was es für ein Gefühl ist, die Ouvertüre von "Tristan und Isolde" anzutakten." Ein großes, ein überwältigendes Gefühl. Tambrea zeigt im Film, wie es womöglich Ludwig ergangen ist bei Wagner, allein in der königlichen Loge.

Sabin Tambrea ist mit Musik aufgewachsen. Er musste nicht dafür streiten und bezahlen wie der Bayernkönig. Seine Eltern spielen beide Geige in verschiedenen Philharmonien, die Schwester ist Dozentin für Violine. Auch er wurde früh auf eine Musikerkarriere vorbereitet. Mit zwei kam er nach Deutschland, mit vier spielte er das erste Mal Geige und gab schon bald Konzerte. Weil er zu aufgeregt war, fiel er mehrmals in Ohnmacht. Da schickte ihn seine Mutter zum Chor. Für die kollektive Bühnenerfahrung und letztlich als Vorbereitung für das Studium an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin. Vom lebenslangen Geigen- und Bratschenspiel zeugen seine kräftigen Unterarme. Es ist nicht nur Klassik, die er mag, auch Rammstein, Alicia Keys, sogar Hip-Hop.

Was Tambrea zu verbinden scheint mit Ludwig II., ist vor allem ein Sehnen, aus dem er Kraft zieht. Er suche sich Ziele, die vielleicht zu groß seien für ihn, sagt er. Einmal eine Symphonie von Gustav Mahler dirigieren, davon träumt er, oder von einem Roman, auf dem er als Autor steht. "Für mich ist es immer ein bitterer Moment, wenn ich etwas erreicht habe", sagt er, weil dann der Traum nicht mehr vorhanden sei. Anderthalb Jahre hat er daran gearbeitet, die Rolle des Ludwig zu kriegen. "Ich verschwende mich gern für ein Ziel." Nach der Zusage fiel er erstmal in ein mentales Loch. Dann kamen die Reitstunden, das Einlesen in die Person Ludwig II., schließlich die Dreharbeiten.

Sie fanden dort statt, wo Ludwig tatsächlich zu finden war: im Hofgarten, in der Residenz, am Starnberger See und auf Neuschwanstein. In Berlin wohnt Tambrea in Prenzlauer Berg, in München quartierte man ihn ein in einem Hotel im Glockenbach-Viertel. "Wo sonst", sagt Tambrea und wieder lacht er. "Ich liebe München, wahrscheinlich, weil ich die schönste Zeitspanne meines Lebens dort verbracht habe." Doch anders als Ludwig fühlt sich Tambrea ganz als Stadtmensch. Er sei mit der Geige im Kinderzimmer aufgewachsen. So viel Natur wie beim Ludwig-Dreh habe er noch nie erlebt in seinem Leben.

Tambreas dunkles, schweres Haar hat der Maskenbildner mehrmals täglich mit Brennschere und Glätteeisen traktiert. Morgens Locken für den älteren König, mittags glattes Haar für den jungen König, am Abend wieder Locken. Auch an Tambreas Körpergröße wurde gedreht. Mit 1,93 Meter hat er königliche Größe, dennoch bekam er Plateauschuhe verpasst. Privat wäre Tambrea gerne etwas kleiner, weil er es nicht mag, auf Leute hinabzuschauen. Manchmal steht er deshalb da mit gekrümmten Rücken, das erinnert ein bisschen an Karl Valentin.

"Es war ein Tanz mit dem Kameramann"

Es gibt eine Szene im Film, in der verschwimmen die Grenzen zwischen Sabin und Ludwig. Es sind die Momente vor der Krönungsrede des jungen Kronprinzen. Ein Tag war dafür eingeplant. In 45 Minuten hatte der Schauspieler sie sechs Mal durchgespielt - vor allem improvisiert. "Wie ein Bekloppter", sagt Tambrea. "Es war ein Tanz mit dem Kameramann."

Den alten Ludwig, dem die Zähne verfaulen, der dick und krank geworden ist, den darf Tambrea nicht mehr spielen. Sebastian Schipper übernimmt diesen Part. Es ist ein Bruch im Film, weil man Tambrea als Märchenkönig lieb gewonnen hat. Er hätte seine Version von Ludwig gerne zu Ende erzählt, bis in den nassen Tod. "Alles hätte ich für diese Rolle getan", sagt Tambrea. Auch zugenommen, auch noch länger in der Maske gesessen. Aber er stehe hinter der Entscheidung der Produzenten und sei dankbar für die zwei Stunden, die er spielen dürfe. Tambrea hat seine Enttäuschung hinreichend diplomatisch verarbeitet. Letztlich ist nicht Schipper, sondern er das Ludwig-Gesicht des neuen Jahrhunderts. Tambrea muss sich an O.W. Fischer oder Helmut Berger messen lassen.

Kritik, die es nach Theaterpremieren gibt und jetzt auch für den Film geben wird, macht ihm zu schaffen. "Betörend verzweifelt und tragikomisch zerrissen", schrieb eine Kritikerin nach der Premiere von "Was ihr wollt" über Tambrea. Das dürfte ihm gefallen haben. Auch wenn er vorgeblich Ludwig nicht mehr sein mag, er liebt es, in Rollen zu schlüpfen. Er sagt: "Ich nehm's mit Humor, wenn die Leute denken: Da kommt er." Er, der Kini.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2012
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