Wenn Saatkrähen in Schwärmen auf einem Feld landen und sich über Pflanzen hermachen, kann das für Landwirte einen Ernte-Totalausfall bedeuten. Weil Vogelscheuchen allein oft nicht helfen, hat das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) zusammen mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) ein Pilotprojekt gestartet. Auf Ackerflächen werden Vergrämungsmethoden getestet, um künftig Schäden zu verringern. Anfang April ist das Projekt in den besonders betroffenen Regionen Straubing, Erding und Asbach-Bäumenheim (Landkreis Donau-Ries) angelaufen.
In Straubing zähle die Hauptkolonie an Saatkrähen, die nahe dem dortigen Tiergarten siedelt, etwa 1000 Brutpaare, sagt ein LfU-Sprecher. Der Fraßdruck durch die Tiere sei dort so groß, dass manche Flächen kaum noch bepflanzt werden könnten. Saatkrähen bevorzugen demnach tierische Nahrung wie Regenwürmer. Wenn die nicht verfügbar seien, buddelten sie Pflanzen und Keimlinge aus, um an den Wurzeln sitzende Larven zu fressen. Sie mögen aber auch Kürbiskerne und Salatköpfe.

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Angesichts der Lernfähigkeit der Vögel reichten herkömmliche Maßnahmen wie Vogelscheuchen oder an Holzkreuzen baumelnde, blinkende CDs teils nicht aus, um Felder zu schützen. Deswegen würden auf den Projektflächen verstärkt Ballons, Drachen und Krähenattrappen aufgestellt, erklärt Nils Teufel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Weihenstephan. Auch Abschuss ist demnach eine Option, die getestet wird.
Hierfür seien von der Stadt und vom Landkreis Straubing Ausnahmegenehmigungen zur Schonzeitaufhebung erteilt worden. Seit Projektbeginn sei aber noch keine Krähe getötet worden, sagt der LfU-Sprecher. Weil Saatkrähen leicht mit Rabenkrähen verwechselt werden könnten, müssten auf den Projektflächen auch für diese Art Abschussgenehmigungen beantragt werden – für den Fall, dass ein Jäger versehentlich eine falsche Krähe erwische.

Zu den Projektteilnehmern in Straubing gehört Johannes Frank, der unter anderem die Arzneipflanze Primula veris anbaut. Bei einem Ortstermin zeigt er Fotos zerstörter Felder. Selbst Schutznetze über Jungpflanzen würden die Krähen nicht abhalten. Sie pickten Löcher hinein. Auch Menschen oder Fahrzeuge schreckten die Tiere nicht ab, sie flögen der Pflanzmaschine einfach hinterher und rupften die Setzlinge wieder aus. Um das Feld zu bestellen, seien sechs Mitarbeiter vier Tage lang von morgens bis abends im Einsatz. Die Schäden durch Krähen seien nicht zu kompensieren. Seine Kunden erwarteten zudem Zuverlässigkeit. 2023 seien bei ihm und drei weiteren Anbaubetrieben des Erzeugerrings Obst und Gemüse Straubing insgesamt rund 140 000 Euro Schaden entstanden.
Nun hat Johannes Frank spezielle Drachen des LfU auf seinem Feld platziert sowie Kunststoff-Attrappen toter Krähen. Diese sollen die Saatkrähen abschrecken und sehen überdies so realistisch aus, dass sich schon Passanten an die Polizei gewandt hätten, um auf vermeintlich tote Vögel hinzuweisen, wie ein LfU-Sprecher berichtet.
Zwar gebe es einen Gewöhnungseffekt bei diesen Vergrämungsmethoden, sagt Frank. Jedoch komme es bei seinen Heilpflanzen auf die ersten 14 Tage nach der Anpflanzung an. So schnell hätten sich die Krähen in diesem Jahr nicht an die Attrappen gewöhnt. In anderen Jahren sei das schon anders gewesen. „Eine Garantie gibt es nicht“, sagte Nils Teufel.
Das Projekt soll bis zur Ernte laufen und bis Ende des Jahres ausgewertet werden. In Dachau gab es im Rahmen des LfU-Projektes bereits Versuche zur Vergrämung von Saatkrähen in Innenstädten. Dabei sind 14 Tiere geschossen und 83 Gelege entfernt worden. Die Ergebnisse zu diesem Projektteil liegen noch nicht vor.
Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) sieht das Projekt kritisch. „Wir erleben zunehmend, dass bei Spannungen im Zusammenleben mit Wildtieren immer schneller der Ruf nach Abschuss laut wird, anstatt nach Lösungen zu suchen, die auch dem Arten- und dem Tierschutz gerecht werden“, teilt der Verband mit. Der Einzug der Krähen in Städte sei eine Folge struktureller Veränderungen in der Landwirtschaft. Es fehle den Vögeln zunehmend an störungsfreien Baumgruppen, wo sie in Kolonien nisten können, so der LBV. „Die Vögel weichen daher in Städte aus – oft als letzte Option.“