Russland-Reise von Seehofer:Mit der CSU auf Geschäftsreise in Moskau

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Verstehen sich prächtig: Horst Seehofer und Ilse Aigner im Innovationszentrum Skolkovo mit dem Koordinator des Innovationsprojektes, Viktor Wekselberg. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Gemeinsam mit Ministerpräsident Seehofer sind Vertreter von Wirtschaft und Landwirtschaft in Russland. Die empfinden die Sanktionen gegen das Land als störend.

Von Lisa Schnell, Moskau

Auf dem Roten Platz vor der bunt bemalten Basilius-Kathedrale steht Horst Seehofer in einem Pulk von Kameras. "Ihr wart ganz schön ruhig dieses Mal", sagt er zu Journalisten zum Ende seiner dreitägigen Moskaureise und grinst sein Seehofer-Grinsen. Man mag es kaum glauben, aber "ruhig" findet auch Seehofer manchmal gar nicht so schlecht.

Die große Empörungswelle wie bei seiner vorherigen Moskaureise Anfang 2016 ist ausgeblieben. Auch, weil der Ministerpräsident selbst recht ruhig war und bedacht in seinen Worten. Keinen Deut wich er von der Linie der Bundesregierung ab. Er sprach sich zwar, wie im vergangenen Jahr, für ein Überwinden der EU-Sanktionen gegen Russland aus, betonte nun aber die Bringschuld Russlands.

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Vor einem Jahr feierten die russischen Medien den Gast aus Bayern als Held, der sich den "antirussischen Sanktionen" widersetzte, jetzt verliert keine russische Zeitung eine Zeile über den Besuch. Klar, das russische Staatsfernsehen dokumentierte Seehofers Handschlag mit Präsident Wladimir Putin. Aber das müsste es auch tun, wenn der den dritten Torwart von 1860 München empfangen würde, heißt es.

Den Satz, der aus Seehofers Mund Aufregung ausgelöst hätte, kann Alfred Gaffal sagen: "Die Sanktionen sind destruktiv." Ihre Wirkung könne bezweifelt werden. Er darf das. Gaffal ist kein Politiker, sondern Unternehmer. Als Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hat er vor allem ein Anliegen in Moskau: Geschäfte machen.

Knapp 20 Unternehmer sind mit Seehofer dieses Mal nach Russland gereist, dazu eine Landwirtschafts- und Wissenschaftsdelegation. So viele Begleiter nahm Seehofer noch nie mit. Insgesamt zählt die Reisegruppe aus Bayern fast 100 Teilnehmer, zu erkennen an einem kleinen Anstecker am Sakko, der die bayerische und die russische Fahne zeigt. Das Ziel: die Beziehungen zu Russland vertiefen.

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist auch dabei. In diesem Moment ohne Mantel auf dem Roten Platz und deshalb frierend. Aber die Geschichte mit dem Stoßdämpfer erzählt sie noch. Stoßdämpfer sind in Luxuslimousinen verbaut, ein Gefährt, das selten auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird. Also kein Produkt, das die EU-Sanktionen beträfen, könnte man meinen. Schließlich richten die sich gegen Rüstungsgüter.

Nur, so einen Stoßdämpfer braucht ein Panzer ebenfalls, also wird er sanktioniert. So ginge es den bayerischen Maschinenbauern mit vielen Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, erklärt Aigner. Ein anderes Problem seien die Finanzsanktionen. In Russland seien die Zinsen hoch, viele der etwa 1400 bayerischen Unternehmen in Russland hätten deshalb ihre Kredite bei westlichen Banken aufgenommen. Das sei jetzt untersagt, sagt sie.

Politisch sieht es allerdings nicht so aus, als ob die Sanktionen bald beendet würden. Auch die bayerischen Landwirte werden wohl noch länger mit den Gegensanktionen Russlands für Käse oder Fleisch leben müssen. 2016 feierte die bayerische Landwirtschaft trotzdem Rekordexporte.

Der Rückgang des Handelsvolumens zwischen Bayern und Russland auf 7,62 Milliarden Euro im vergangenen Jahr von noch 13,1 Milliarden Euro im Jahr 2012 sei außerdem nicht nur auf die Sanktionen zurückzuführen, sagt Gaffal. Viel ausschlaggebender sei die schwache russische Wirtschaft. Die scheint sich zu erholen. Für die Unternehmer der richtige Zeitpunkt, den Kontakt zu Russland zu suchen, heißt es.

Und so geht Horst Seehofer am Freitagmorgen durch eine riesige Halle in der Nähe von Moskau, die man so eher in Kalifornien vermuten würde. Rechts und links liegen junge Menschen in neongrünen Sitzkissen, den Laptop auf dem Schoß, den Coffee-to-go-Becher in der Hand. Seehofer geht vorbei an "Kreativkabinen" mit noch mehr grünen Kissen und sieht sich dann Auge in Auge mit einem selbstfahrenden Roboter. Der Ministerpräsident versucht, ihn mit seinen Augenbrauen aufzuhalten, der Roboter stoppt dann doch von alleine. Die Technik wurde hier entwickelt, im Innovationszentrum Skolkovo, dem Silicon Valley Russlands, wie sie es nennen.

Eine Stiftung mit dem Segen des Kreml, die auf einem Gelände von 400 Hektar Wissenschaft, Start-ups und große Unternehmen zusammen bringen will. Es gibt eine Universität, Rechtsberatung für die 1500 Start-ups und staatliche Förderungen. 17 Prozent der 2016 international registrierten Patente seien hier erdacht worden, sagt Viktor Wekselberg, Oligarch und Gründer des Zentrums. Er will Russland von einer "Rohwirtschaft in eine Innovationswirtschaft" verwandeln. Bayern könne dabei helfen. Wer sich mit seinem Unternehmen im Innovationszentrum ansiedele, müsse null Steuern zahlen, null Geld für das Grundstück. "Null?", fragt Seehofer. Der Oligarch nickt.

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Viel mehr als Vergünstigungen wünschen sich die Wirtschaftsvertreter aber einen verlässlichen Markt. Oft walte bürokratische Willkür, heißt es. Auch unter Russlands Vorgabe, dass bayerische Unternehmen mit russischen Zulieferern arbeiten müssen, litten die Firmen. Mit solchen Problemen können sich Unternehmen zukünftig an die gerade vereinbarte bayerisch-russische Arbeitsgruppe wenden, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder verbessern soll.

Auch die anderen Delegationen unterschrieben einige Dokumente. Die Kultusministerien wollen enger zusammen arbeiten, bei der Erinnerungsarbeit wolle man sich helfen. Etwa die Namen der 4200 sowjetischen Kriegsgefangenen herausfinden, die im Konzentrationslager Dachau gestorben sind. Alle seien zufrieden, heißt es, selbst die Opposition.

Auch wenn Katharina Schulze von den Grünen lieber die Europa-Flagge statt des bayerisch-russischen Ansteckers an der Jacke hat. Dass Seehofer sich diesmal mit Menschenrechtsorganisationen getroffen hat, findet sie gut. Wer in einem Land wie Russland die Fahne der Demokratie hochhalte, müsse ermutigt werden.

Mit scharfen Worten sollten die Repressionen gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO) angesprochen werden, sagt Markus Rinderspacher (SPD). Etwa, dass in Russland schon ein falscher Facebook-Eintrag zu einer Strafanzeige führen könne oder es eine Dunkelziffer von 150 politischen Gefangenen geben solle. So genau hat Seehofer nicht von den Sorgen der NGOs erzählt. Dass er es überhaupt erwähnt habe, sei aber schon ein Fortschritt, sagt Rinderspacher.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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