Rüstungsindustrie in Bayern:Weiß-blaue Waffenschmieden

Leopard 2 auf Teststrecke

Ein Leopard 2 von Krauss-Maffei Wegmann: Beim Verkauf der Panzer soll Schmiergeld geflossen sein.

(Foto: Matthias Schrader/dpa)

Panzer, Munition, Hightech-Drohnen: In Bayern finden Machthaber alles, um einen Krieg zu verhindern - oder um ihn zu führen. Knapp 70 Rüstungsfirmen sind im Freistaat angesiedelt, darunter einige große Unternehmen und zahlreiche kleine Zulieferbetriebe.

Von Ralf Scharnitzky

In und um München finden die Machthaber dieser Welt alles, was sie brauchen, um einen Krieg zu verhindern; aber auch um ihn zu führen. Südbayern ist ein Zentrum der deutschen Wehrtechnik. Eine Industrie, die es im Freistaat offiziell eigentlich gar nicht gibt. Weder im bayerischen Wirtschaftsministerium noch bei der mächtigen Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, beide sonst durchaus recht freigebig mit Brancheninformationen, gibt es konkrete Zahlen über Firmen, Umsätze und Mitarbeiter im Bereich der Rüstungsindustrie - nicht einmal Namen werden genannt.

Die Erfassung sei, hört man, zu kompliziert. Die meisten Waffenhersteller würden ja auch normale - also zivile - Güter auf den Markt bringen, zum Beispiel Flugzeuge und Satelliten oder Antriebssysteme für Waschmaschinen und Schlüsselrohlinge. Da sei eine Abgrenzung zu schwierig. Aber immerhin erfährt man, dass rund ein Drittel der deutschen Wehrindustrie im Freistaat angesiedelt ist. In Deutschland gibt es, diese Zahl ist bekannt, etwa 200 Rüstungsfirmen - ergibt also knapp 70 in Bayern. Darunter große Unternehmen und kleine Zulieferbetriebe.

Selbst vom Landesamt für Statistik, das sogar Rinderbestände, die gelegten Eier pro Henne, Wohnungen und Studienanfänger zählt und archiviert, bekommt man keine Zahlen. Zwar werden Daten erhoben, aber herausgegeben werden sie nicht. "Diese Daten unterliegen strengster Geheimhaltung", wird auf Anfragen hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt. Wer das veranlasst hat, ist noch geheimer. Viele Firmen selbst geben sich gar nicht so verschlossen: Sie halten mit ihren Produkten nicht hinterm Berg, sondern gehen auf ihren Internetseiten offen damit um. So ist denn auch von einigen Firmen in Oberbayern durchaus bekannt, dass sie Rüstungsgüter von der Maschinenpistole über Artillerieraketen und Panzer bis hin zur Hightech-Drohne fertigen.

Produktportfolio für anspruchsvollste Missionen

Da gibt es so große Unternehmen wie EADS, Diehl und Krauss-Maffei Wegmann. Für ihre Rüstungssparten haben die meisten dem Firmennamen den Begriff Defense angehängt. Auch zahlreiche Zulieferbetriebe, die unter anderem Motoren, Getriebe und Klimatechnik sowie Waffenelektronik und Navigationssysteme fertigen, haben ihren Sitz in der Landeshauptstadt und der Region.

Besonders offen geht Kraus-Maffei Wegmann (KMW) in München-Allach mit dem Angebot um. Auf der Homepage weiß man sofort, worum es geht: Mehrere Kettenfahrzeuge, begleitet von einem Kampfhubschrauber, rasen auf den Betrachter zu. KMW, nach dem Rückzug von Siemens ein reines Familienunternehmen, ist Marktführer in Europa für hochgeschützte Rad- und Kettenfahrzeuge. Nach Firmenangaben verlassen sich weltweit die Streitkräfte von mehr als 30 Nationen auf deren Einsatzsysteme. In seinem Internetauftritt wirbt das Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung und kontinuierlicher Forschung und Entwicklung.

Das Ergebnis, so heißt es: "Ein überlegenes Produktportfolio für anspruchsvollste Missionen." Ebenfalls in Familienhand ist der Nürnberger Waffenhersteller Diehl. Die Firma betreibt zusammen mit dem Schrobenhausener Lenkflugkörperhersteller MBDA in Ottobrunn die RAM-System GmbH, die Selbstverteidigungssysteme für Schiffe entwickelt. In Penzberg werden im kleinen 160-Mann-Betrieb EMT unbemannte Drohnen gebaut. Im Einsatz sind die mit Kameras ausgerüsteten Kleinstflugzeuge vor allem in Afghanistan, um die Umgebung rund um deutsche Bundeswehrlager zu kontrollieren und Patrouillen zu sichern. In vielen Städten in der Region sitzen zudem Zulieferbetriebe. Unternehmen, von denen meist öffentlich nicht bekannt ist, dass ihre Produkte wie Toilettensysteme, Klimageräte und Sensoren auch in Kriegsgerät eingebaut sind.

Immense Aufträge für Bayern

Es war die Aufrüstung vor und im Zweiten Weltkrieg, die für immense Aufträge im Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau in Bayern sorgte. Zwei Zahlen aus Dirk Götschmanns "Wirtschaftsgeschichte Bayerns" verdeutlichen den Aufschwung. 1933 gab es in Bayern 102 Beschäftigte im Flugzeugbau, 1939 waren es knapp 16.000. Zu den erfolgreichsten Aufsteigern gehörten in diesen Jahren die Unternehmen der Optik- und Feinmechanik-Branche in München: Innerhalb weniger Jahre war die Zahl der Mitarbeiter im Freistaat um fast 100 Prozent gestiegen. Allein in den Jahren kurz vor dem Krieg entstanden etwa 10.000 neue Stellen, 4000 davon in der Landeshauptstadt.

Nach dem Krieg sind es vor allem zwei Männer, deren Namen in der Region für Rüstungsindustrie stehen: Josef Müller und Ludwig Bölkow. Rechtsanwalt Müller - der legendäre "Ochsensepp", Gründer der CSU - erwarb 1955 die Askania GmbH, die Flugzeugbord- und Bodengeräte baute. Die heutige Apparatebau Gauting ist Zulieferer für die militärische Luftfahrt. Die Firma gehört inzwischen zur Nürnberger Diehl-Gruppe. Bölkow, Pionier des Flugzeugbaus, war mit seinem Projektbüro in Oberammergau im Krieg an der Entwicklung der ersten militärischen Strahlflugzeuge beteiligt. Obwohl die Wehrtechnik in der jungen Bundesrepublik verboten war, tüftelte er mit einigen Mitarbeitern weiter an Fluggeräten.

Mit den Pariser Verträgen 1955 wurden diese Arbeiten legalisiert. Bölkows Unternehmen zog von Stuttgart nach Bayern um - auf das Flughafengelände in Ottobrunn; die Keimzelle des mächtigen Konzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Heute ist MBB Teil des europäischen Flugzeugbauers EADS.

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