Rücktritt von Walter Mixa:Leider haben Frauen nichts zu sagen

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Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise - wie die DDR 1989. Sie braucht jetzt Menschen, die über das System hinaus denken.

Annette Ramelsberger

Ein Bischof ist zurückgetreten. So etwas kannte man bisher nur aus den USA, Österreich und Irland, wo sich Bischöfe wegen Missbrauchsvorwürfen nicht mehr halten konnten.

Bischof Walter Mixa muss gehen. (Foto: Foto: dpa)

Der Augsburger Walter Mixa musste nicht wegen Missbrauchs zurücktreten. Das hat ihm nie jemand vorgeworfen. Auch nicht wegen der Schläge, über die ehemals Schutzbefohlene aus dem Waisenhaus Schrobenhausen klagen. Nicht einmal dass er Geld, das dem Waisenhaus zustand, zweckentfremdet hat, wäre ein hinreichender Grund zum Rücktritt.

Mixa musste gehen, weil er gelogen hat, weil ihm seine eigenen Leute nicht mehr glaubten. Er hat ein Amt abgegeben, das er längst nicht mehr ausgefüllt hat.

Ein Bischof ist zurückgetreten. Ein Mann, der "nicht episkopabel" war, wie das nun so schön heißt. Einer, der die persönlichen Voraussetzungen für das Amt nicht hatte.

Der Sünder ist weg, doch nichts ist gut. Die katholische Kirche steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Sie braucht einen Neuanfang.

Die Gläubigen fordern mehr Mitsprache, mehr Menschlichkeit, mehr Lebensnähe. Doch wer das verlangt, bekommt auch jetzt noch oft nur Sonntagspredigten zu hören. Als wenn allein das Beten hülfe. Aus guten Gründen heißt das Sprichwort: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

Aber Tatkraft ist nicht die Stärke vieler kirchlicher Würdenträger. Die meisten wollen nicht wahrhaben, dass Zölibat und das Verleugnen von Sexualität ein Klima schaffen, das auch verdruckste und verquere Menschen in den Dienst der Kirche zieht. Und leider stößt dieses Klima auch viele Gläubige ab.

Noch immer wollen Kirchenobere nicht einsehen, dass sie selbst Reformen anstoßen müssen: Es sollten Menschen Priester werden, die wissen, wovon sie sprechen, wenn sie Brautleute über das Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten belehren. Die wissen, was es bedeutet, Kinder zu haben und Nächte zu durchwachen und nicht nur die Kindlein im Sonntagsstaat zu segnen.

Es reicht nicht, den Bischof, der gelogen hat, zum Rücktritt zu drängen. Viele Menschen, die sich noch etwas von ihrer Kirche erwarten, wollen grundlegende Veränderungen.

Etliche, die im jetzigen System leben, können sich nicht vorstellen, dass die katholische Kirche sich ändern könnte, ohne an Bedeutung zu verlieren. Dieses Nicht-Sehen-Können erinnert ein wenig an die letzten Tage der DDR, als keiner in der SED noch glaubte, man könne so weitermachen, und dennoch niemand aufbegehrte. Da musste erst die Mauer fallen.

Und man denkt auch an die größte Krise der CDU, als Helmut Kohl schon tief im Spendensumpf steckte, und es niemand wagte, sich von ihm zu distanzieren. Da kam eine Frau und tat, was zu tun war: Sie sagte sich von Kohl los. Undenkbar, eigentlich. Aber Angela Merkel rettete damit die CDU.

Eine wie Merkel, die auch über das System hinaus denkt, könnte die katholische Kirche gut gebrauchen. Dummerweise haben Frauen in ihr nichts zu sagen.

© SZ vom 23.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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