Süddeutsche Zeitung

Fake-News über Markus Söder:Die Kraft des Gerüchts

Viele trauen Markus Söder so gut wie alles zu. Aber längst nicht alles, was über den bayerischen Ministerpräsidenten und sein Privatleben gesagt wird, stimmt auch.

Glosse von Roman Deininger

Kurz vor dem Osterfest begab es sich, dass der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder beschloss, zu "bösen Gerüchten" (Bild) über seine private Situation Stellung zu nehmen. "Alles Unsinn", sagte Söder der Süddeutschen Zeitung, "unfaire Fake-News".

Nun führt Söder ja eines dieser politischen Leben, das an atemraubenden Realitäten so reich ist, dass es auf Erfindungen eigentlich gar nicht mehr angewiesen ist. Anderseits lädt ein Mann, dem man so ziemlich alles zutraut, natürlich wie kein anderer dazu ein, die Wirklichkeit noch um das eine oder andere Fantasie-Element zu ergänzen.

Eine wahre Eruption an einschlägiger Kreativität verzeichnete man im April 2021, also gewiss vollkommen zufällig zu jener Zeit, in der Söder sich um die Kanzlerkandidatur der Union bemühte. Der Ursprung der Gerüchte ist nicht zweifelsfrei zu klären; um ihre Verbreitung indes machten sich mit unermüdlichem Engagement durchaus auch Vertreter einer Schwesterpartei der CSU verdient.

Mit der Zeit entwickelten die Gerüchte ein dynamisches Eigenleben. Wenn man kurz dachte, sie seien weg, kehrten sie mit Wucht zurück, stets bereichert um neue, vermeintlich schlagende Beweise für ihre Richtigkeit. Söder, hieß es da etwa, sei - ganz, ganz sicher - seit zwei Monaten nicht mehr mit seiner Frau in der Öffentlichkeit gesehen worden. Die Behauptung hielt nicht mal einer Google-Suche stand.

Ein anderes Mal hieß es, Söder sei ohne seine Gattin in ein Haus im Nürnberger Vorort Rückersdorf gezogen. In Chatgruppen und im Internet kursierten Fotos jenes Hauses, genauer gesagt: von drei verschiedenen Häusern. Irgendwann versandte die Gemeinde Rückersdorf eine einigermaßen verzweifelte Pressemitteilung: Söder lebt hier nicht, bitte die echten Hausbesitzer in Ruhe lassen.

Eine solche Faszination wohnte den Gerüchten inne, dass sie selbst von untadeligen Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft im Brustton der Überzeugung weitergetragen wurden. "Warum schreiben Sie das denn nicht endlich?", fragte ein Hinweisgeber am Ende seiner Geduld einen Journalisten.

Na ja. Weil es - nach menschlichem Ermessen - einfach nicht stimmt. (Und übrigens selbst würde es stimmen, nur sehr eingeschränkt politisch relevant wäre.) Aber zum Trost für alle, die jetzt enttäuscht sind: Selbstverständlich ist Markus Söder auch weiterhin alles zuzutrauen.

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