Rückbau von Atomkraftwerk:Grüne warnen vor Abriss-Plänen bei Isar I

Atomkradtwerk Isar I  Ohu / Luftbild

Das Atomkraftwerk Isar: Direkt vor dem Kühlturm liegt der Reaktor Isar 1.

(Foto: Johannes Simon)
  • Der Energiekonzern Eon will mit dem Abbau des stillgelegten Atomkraftwerks Isar I beginnen, noch bevor alle Brennelemente entfernt sind.
  • Im Abklingbecken der Anlage nahe Landshut lagern immer noch 1778 abgebrannte Brennelemente.
  • Das halten die Grünen für riskant und warnen vor radioaktiven Gefahren beim Abriss: Brennelemente könnten schmelzen und die gesamte Umgebung verstrahlen.

Von Christian Sebald

Seit vier Jahren steht das Atomkraftwerk Isar 1 still. Im Abklingbecken der Anlage nahe Landshut lagern immer noch 1778 abgebrannte Brennelemente. Nach jetzigem Stand kann Eon die 300 Tonnen hochstrahlendes Material frühestens 2020 in Castoren umladen und ins Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände bringen.

Dabei will Eon womöglich schon 2016 mit dem Abriss von Isar 1 beginnen - auch wenn die Brennelemente dann noch mindestens vier Jahre im Abklingbecken bleiben müssen. Die Landtagsgrünen üben scharfe Kritik an den Plänen. "Das Risiko für die Bevölkerung ist viel zu groß", sagt die Landshuter Abgeordnete Rosi Steinberger. "Das Umweltministerium muss dafür sorgen, dass der Abbruch erst beginnt, wenn alle Brennelemente aus der Anlage entfernt sind."

Zwar hat das Umweltministerium Eon die Genehmigung für den Abriss noch nicht erteilt. Das Haus von Ministerin Ulrike Scharf (CSU) hat die Aufsicht über alle bayerischen Atomanlagen inne und überwacht deshalb auch deren Abbruch. Eon rechnet aber damit, die Erlaubnis bis Mitte 2016 zu erhalten.

Welchen Umfang der Rückbau haben wird

Insgesamt, so kann man es auf der Internetseite des Konzerns nachlesen, fallen bei dem Abriss 224 000 Tonnen Material an. Mit 200 000 Tonnen ist das meiste radioaktiv unbedenklich - es handelt sich um die Überreste des Kraftwerksgebäudes. Nur 3400 Tonnen, das sind 1,5 Prozent, sind laut Eon radioaktive Abfälle, die einmal in das Endlager in Schacht Konrad gebracht werden sollen. Die 300 Tonnen abgebrannte Brennelemente im Abklingbecken sind darin natürlich nicht eingerechnet.

Der Abriss soll in zwei Phasen ablaufen. Oberstes Gebot für alle Planungen und Arbeiten sei die "Sicherheit von Mitarbeitern, Bevölkerung und Umgebung", versichert Eon. Bereits in der ersten Phase soll mit der Demontage des Reaktorbehälters und des Sicherheitsbehälters begonnen werden. Sie zählen zu den Herzstücken des Atomkraftwerks. Allerdings beschränken sich die Abbauten im Reaktorbehälter und im Sicherheitsbehälter in der ersten Phase auf Leitungen, Ventile und andere Teile, "die in keinem sicherheitstechnischen Zusammenhang mit der Kühlung und der Lagerung der Brennelemente im Lagerbecken stehen", wie es bei Eon heißt. Zerlegt werden sollen Reaktorbehälter und Sicherheitsbehälter erst in der zweiten Phase.

Warum die Grünen misstrauisch sind

Die Landtagsgrünen misstrauen diesen Bekundungen. Sie unterstellen dem Energiekonzern vielmehr, dass er "beim Abriss möglichst freie Hand haben und Geld sparen will", wie der Abgeordnete Martin Stümpfig sagt. "Anders kann man sich nicht erklären, dass man an zentrale Anlagen des Kraftwerks herangeht, noch während Brennelemente im Abklingbecken sind." Denn dadurch erhöhe Eon die Gefahren des Abbruchs beträchtlich. Bei ihren Vorwürfen stützen sich die Landtagsgrünen auf Analysen des Physikers und Atomwissenschaftlers Wolfgang Neumann, der etlichen Atom-Gremien des Bundesumweltministeriums angehörte und nun als Gutachter arbeitet.

"Sollte Eon seine Pläne tatsächlich umsetzen, wäre das ein gefährliches Unterfangen", sagt Neumann. "Damit würden die Standards unterlaufen, die in Deutschland und international für solche Projekte gelten." Der Grund: Die Abbauarbeiten würden exakt in den Bereichen des Kraftwerks durchgeführt, in denen sich die Kühlanlage und andere Sicherheitssysteme für das Abklingbecken befinden. Die Rohrleitungen und die anderen Komponenten, welche in der ersten Phase demontiert werden sollen, seien zum Teil sogar mit den Sicherheitssystemen des Abklingbeckens verknüpft. Dies betreffe vor allem die Notstromversorgung der Anlage.

Welche Gefahren drohen

Aber auch die Abbauten, die direkt im Bereich des Abklingbeckens geplant sind, stellen laut Neumanns Analyse eine massive Gefahr dar. Durch einen Unfall könnte die Anlage schlimmstenfalls so beschädigt werden, dass das Kühlwasser aus ihr abfließt. In der Folge könnten sich die Brennelemente aufheizen, bis sie schmelzen und die gesamte Umgebung verstrahlen. Aber nicht nur aus diesem Grund fordern die Grünen, das Abklingbecken in Isar 1 so schnell wie möglich zu räumen. Die Anlage liegt außerhalb des Sicherheitsbehälters und ist laut Neumann nicht ausreichend geschützt gegen Terroranschläge und einen Flugzeugabsturz.

Insider bezweifeln freilich, dass sich die Forderung der Grünen im Haus von Ministerin Scharf gehört wird. So haben führende Angehörige der Atomabteilung schon früh erkennen lassen, dass sie die Abbruchpläne von Eon sicherheitstechnisch für völlig unbedenklich halten. Deshalb ist für den Grünen-Abgeordneten Stümpfig auch klar: "Die Entscheidung über den Abrissantrag von Eon wird eine Nagelprobe darüber, ob die Staatsregierung in der Atompolitik noch eigenständig handeln kann und will."

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