Schriftsteller Rudolf von Waldenfels:Ein Mann, kurz vor dem Nichts

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Nach einer Diagnose, nicht mehr lange zu leben, konfrontierte sich der Schriftsteller Rudolf von Waldenfels mit existenziellen Fragen. (Foto: Olaf Przybilla)

Eine Diagnose sagte Rudolf von Waldenfels nur noch ein Jahr Leben voraus. An gottverlassenen Orten setzte sich der Schriftsteller daraufhin Ur-Ängsten aus. Nun erscheint sein soghafter Roman darüber.

Von Olaf Przybilla

Es ist schon ein Weilchen her, dass Rudolf von Waldenfels der Süddeutschen Zeitung seine Geschichte erzählt hat. Wie er die Diagnose bekommen hat, höchstenfalls noch ein Jahr zu leben. Wie in jenem Moment, als seine Krankheit einen konkreten Namen bekommen hat, eine Verwandte von ihm, selbst Medizinerin, zu weinen begann.  Wie er in den Tagen danach immer wieder zusammengebrochen ist. Und bald darauf anfing, sich Ur-Ängsten auszusetzen. Waldenfels begab sich nachts in Wälder und an ihm unbekannte, möglichst gottverlassene Orte, Wege an Autobahnen etwa. Um sich selbst mit dem Nichts zu konfrontieren.

Rudolf von Waldenfels bei einbrechender Dunkelheit an einer Autobahn in Oberfranken. (Foto: Olaf Przybilla)

Als der im oberfränkischen Lichtenberg lebende Schriftsteller Waldenfels der SZ seine Geschichte im Sommer 2023 erzählt hat, bei einbrechender Dunkelheit an Bahngleisen und einer Autobahn entlang marschierend, gab es bereits ein Manuskript. Dieses ist nun zum Buch geworden. Der Roman heißt „In die Nacht“, ist erschienen im Mitteldeutschen Verlag und wird an diesem Donnerstag im Theater Hof vorgestellt.

Waldenfels hat einen soghaften Roman geschrieben, einen Text, für den das Wort „existenziell“ ausnahmsweise nicht zu bedeutungsschwanger klänge: „Nach außen hin funktionierte ich noch, nach innen hin aber war ich tot. Nicht einmal die Literatur, nicht einmal Kunst oder Musik erreichten mich noch. Auch in den schwierigsten Lagen meines Lebens – oder gerade in den schwierigsten Lagen meines Lebens – hatte ich dort immer eine Zuflucht gefunden: eine Stimme, die zu mir sprach, ein Bild, das mich wieder lebendig werden ließ. Jetzt aber legte ich jedes Buch schon nach wenigen Seiten weg. Was soll das Ganze?, dachte ich. Warum all der Aufwand, das zu schreiben, das zu drucken, das unter die Leute zu bringen?“

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Da stellt sich einer Fragen an der Schwelle zum Nichts: „Warum überhaupt sich um irgendetwas bemühen? Die Nachrichten waren voller Menschen, die etwas machten. Sie führten Krieg, sie retteten andere aus Seenot, sie erfanden neue Medikamente. Mörderinnen, Nobelpreisträger, Heilige, Passanten, Totengräber, Wirtschaftswissenschaftlerinnen – weiter und weiter und weiter und weiter. Eine Riesenmaschine, die sich unter unglaublichem Lärm durch die Zeit wälzte. Ich begriff nicht mehr, warum. Ich lag da, der einzig stille Punkt im Universum, und sah dabei zu, wie sich alles andere rasend um mich drehte.“

Die Nacht – hier bei der Wanderung mit der SZ – wurde für Waldenfels zum Zeitpunkt für die Selbstkonfrontation. (Foto: Olaf Przybilla)

Die Nacht nach der Diagnose? Seit jener Nacht glaubte Waldenfels – einstmals tief gläubig – zu wissen, was das ist, das Nichts: „Da ist nichts mehr, was uns hält, nichts mehr, was uns bindet.“ Seit jener Nacht wisse er, dass Todesangst eine Sehnsucht nach dem Tod wecken könne: „Nur der verspricht ein Ende des Entsetzens.“

Fragen sind Waldenfels, 59, geblieben. Die Mediziner allerdings hatten sich getäuscht. Der Schriftsteller wurde ein zweites Mal operiert, erhielt eine zweite Diagnose. Und kam sich danach vor wie ein Angeklagter mit sicherem Todesurteil, der plötzlich freigesprochen wird: „Man nahm mir die Handschellen ab, trat zur Seite und sagte, so als sei gar nichts gewesen: Bitte schön, Sie können den Gerichtssaal verlassen.“

Die Buchpremiere im Theater Hof ist bereits ausverkauft. Am Sonntag, 23. März, stellt Waldenfels seinen Roman noch einmal vor, erneut im Theater Hof. Für die Veranstaltung um 17 Uhr gibt es noch kostenlose Karten (09281/7070290). An beiden Tagen stellt sich der Autor den Fragen seines Sohnes Kristan von Waldenfels, Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Lichtenberg.

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Rudolf von Waldenfels war gläubig, bis zum Tag einer Krebs-Diagnose. Seither setzt er sich seinen Urängsten aus: im Wald, nachts, an möglichst gottverlassenen Orten.

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