Dass das Thema damals unbedingt aus dem Wahlkampf herausgehalten werden sollte, das glauben die Menschen in Rott am Inn schon seit über einem Jahr. Denn ausgerechnet am Tag nach der Landtagswahl hatte der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU) ihren Bürgermeister Daniel Wendrock angerufen und mitgeteilt, dass er in der 4300-Einwohner-Gemeinde ein leeres Gewerbegebäude angemietet habe und darin 500 Geflüchtete unterbringen wolle. Der Mietvertrag läuft fünf Jahre, von denen eins schon ins Land gezogen ist, ohne dass sich in der einstigen Lampenfabrik viel mehr Menschen aufgehalten hätten als Leute vom Landratsamt und vom Sicherheitsdienst.
Vor vier Wochen war dann aber der Petitionsausschuss des Landtags da, denn eine Bürgerinitiative stemmt sich auch per Petition gegen die Erstaufnahme. Die Abgeordneten haben sich am Mittwoch im Maximilianeum noch einmal mit dem Fall befasst – und sich alle Mühe gegeben, das Thema aus dem unverhofft frühen Bundestagswahlkampf herauszuhalten.
Eines der bestimmenden Wahlkampfthemen ist zwar die Migration, doch darüber könne man sich anderswo streiten, ermahnten sich die Abgeordneten selbst. Im Petitionsausschuss befasse man sich nur damit, ob sich die Staatsregierung und deren nachgeordnete Behörden im konkreten Fall an die Gesetze gehalten hätten. Und da konnten die meisten Abgeordneten keine gravierenden Fehler erkennen – bei allem anfänglichen Aufruhr in Rott, dem ungebrochenen Widerstand und der Petition, die von ein paar Menschen mehr unterschrieben wurde als Rott Einwohner hat.
Weil Rott jetzt schon Schwierigkeiten mit dem Trinkwasser und dem Abwasser hat, will das Landratsamt in der Halle inzwischen nur noch 300 Geflüchtete unterbringen. Mit Quecksilber-Altlasten aus der Lampenproduktion habe das nichts zu tun, beteuert der Landrat und verweist auf ein Gutachten, das in Rott aber als ungenügend gilt. Die 300 Plätze entsprächen etwa der jetzigen Belegung zweier Schulturnhallen in Raubling und Bruckmühl, die dem Landkreis mangels anderer Immobilien seit mehr als zwei Jahren als „Ankommenseinrichtungen“ dienen.
Auch in der Halle in Rott sollten die Geflüchteten demnach nicht lange bleiben, sondern bald in andere, dauerhafte Unterkünfte umziehen. Daher müsse die Gemeinde auch keine weiteren Plätze in Schulen und Kindergärten schaffen. Da hat Rott zuletzt ohnehin viel investiert und sich hoch verschuldet. Diese Schulden will die Gemeinde abzahlen, indem sie Grundstücke in einem Neubaugebiet verkauft – und dafür brauche man dringend die letzten Kapazitäten beim Wasser und Abwasser.
„Es ist uns in diesem Jahr kaum gelungen, fünf Wohnungen anzumieten“
Doch auch der Landrat steckt in einer Zwangslage. Innerhalb Oberbayerns ist sein Landkreis – gemessen an den fast 270 000 Einwohnern – ohnehin Schlusslicht bei der Aufnahme von Geflüchteten. Man habe etwa 3500 Menschen untergebracht und dafür 271 Wohnungen und Grundstücke für Containeranlagen gemietet, sagt Lederer. Doch die Flüchtlinge würden immer mehr und die Unterkünfte nicht. „Es ist uns in diesem Jahr kaum gelungen, fünf Wohnungen anzumieten.“ Einig sind sich Lederer und die Rotter darin, dass ein gesetzlicher Schlüssel zur Verteilung Geflüchteter innerhalb eines Landkreises hilfreich wäre, um nicht einzelne Gemeinden über Gebühr zu belasten.
Rott hat anstelle der Halle inzwischen ein Grundstück für Container oder eine Traglufthalle angeboten, in denen bis zu 180 Menschen unterkommen könnten – zusätzlich zu den 120 Geflüchteten, die seit Jahren gut integriert in der Gemeinde leben. Container auf der grünen Wiese wären aber „um ein Vielfaches teurer“ als die Immobilie im Gewerbegebiet, heißt es von der Regierung.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat Anfang November angekündigt, dass der Freistaat künftig auf größere Unterkünfte setzen und kleinere kündigen werde. Der Petitionsausschuss legte der Staatsregierung noch die Ideen der Rotter Bürgerinitiative ans Herz, wie sich Geflüchtete etwa nach deren Fähigkeiten und dem Fachkräftebedarf der Wirtschaft verteilen ließen. Uneingeschränkt angeschlossen hat sich der Petition nur die AfD.
Landrat Lederer will nun den längst selbst genehmigten Bauantrag aus der Schublade ziehen. Wendrock und die Bürgerinitiative lassen wenig Zweifel daran, dass sie dagegen klagen werden.