Rothenburg ob der Tauber:Mythen vom Blocksberg

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Das Kriminalmuseum lehrt das Gruseln und klärt über Hexen auf

Von Sophie Burfeind, Rothenburg o. T.

In der einen Ecke die Streckbank, in der anderen der mit scharfen Spitzen besetzte Hexenstuhl. Schon der erste Raum im Kellergewölbe lässt einen kräftig erschaudern. Wie wunderbar ist doch die heutige deutsche Rechtsprechung, denkt man sich, wenn man durch das Mittelalterliche Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber streift. Auf sechs Etagen zeigt das Museum, wie Gesetze und Regelungen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert aussahen - darunter viele gruselige Folterinstrumente.

Das Museum - das größte und bedeutendste dieser Art in Deutschland - gibt es zwar schon seit 1977. Doch gerade in den vergangenen beiden Jahren hat sich einiges verändert: Seitdem leitet der Rechtshistoriker Markus Hirte die Einrichtung. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist der Hexenwahn - wozu nun mehr im Museum zu sehen ist. Hirte möchte bei dem Thema vor allem mit Mythen aufräumen. "Viele Leute denken, dass Hexenverbrennungen vor allem im Mittelalter verbreitet waren, aber das kam erst in der frühen Neuzeit", erklärt er - von etwa 1550 bis 1650. Dies sei deswegen so "skurril", weil es die Zeit der Aufklärung und des Humanismus war. Ein weiterer Irrglaube: Auch die evangelische, nicht nur die katholische Kirche, habe sich an Hexenverfolgungen beteiligt. Und: "Es konnte jeden treffen. Nicht nur rothaarige Frauen, auch Männer und Kinder wurden zu Opfern."

Besonders verbreitet seien die Hexenverbrennungen in Süddeutschland gewesen, sagt Hirte. Hochburgen waren Würzburg und Bamberg. Dazu gibt es einen multimedialen Beitrag - auch einer "gütlichen Befragung" in Sachen Hexerei kann man sich vor einem Bildschirm stellen. Dass es gerade in jenen Fürstbistümern so grausam zuging, lag Hirte zufolge daran, dass dort drei nötige Voraussetzungen erfüllt waren: "Es gab den für den Hexenwahn nötigen Glauben an Hexen, es gab ein schlimmes Ereignis, was man mit den Hexen verbinden konnte und es gab ein Justizsystem, dass innerhalb kürzester Zeit viele Todesurteile produzierte."

Ausgeweitet wird das Thema mit einer großen Sonderausstellung von 2016 bis 2018: "Mit dem Schwert oder festem Glauben - Luther und die Hexen" wird sich mit der Haltung des Reformators zum Hexenglauben beschäftigen, der sich dazu in den 1530er Jahren sehr häufig und sehr ambivalent äußerte. Einen Vorgeschmack darauf gibt es schon in wenigen Tagen: Vom 3. Mai bis zum 30. Juni ist in der Johanniterscheune die Kunstausstellung "Der Teufel und sein Martin - Traumwelt und Realität" mit Frottagen des Eisenacher Künstler Volker R. Hedwig zu sehen.

Selbst wer kein Interesse an Hexen oder Luther hat, lernt im Kriminalmuseum Überraschendes. Denn wer weiß schon, dass man früher glaubte, der Verzehr von Salzbrezen in der Fastenzeit vertreibe böse Dämonen? Oder dass einem nach einem Rausch ein Aufenthalt in der Trinkertonne drohte?

Weitere Informationen zur Ausstellung und den Öffnungszeiten unter Telefon 09861/5359.

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