Rothenburg ob der Tauber:Dann kaufte er sich ein Messer

Mord in Jobcenter

Rothenburg ob der Tauber, 3. Dezember 2014: Ein Arbeitsloser sticht einen Gutachter im Jobcenter mitten ins Herz. Ein Schock für die Stadt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Ein Mann geht zum Jobcenter, weil er wieder arbeiten möchte. Dort eröffnet ihm ein Gutachter, dass er psychisch krank sei und keinen Job brauche, sondern eine Therapie. Der Mann besorgt sich für fünf Euro eine Waffe. Jetzt steht er wegen Mordes vor Gericht

Von Katja Auer, Ansbach

Der junge Mann war pünktlich. Um 10.45 Uhr erschien er am 3. Dezember 2014 zu seinem Termin im Rothenburger Jobcenter. Er würde gerne Nachhilfeunterricht in Mathe geben, das wollte er seiner Beraterin sagen. Ein Gutachter eröffnete ihm allerdings, dass er wegen einer schizophrenen Psychose nicht arbeitsfähig sei, er benötige eine Therapie. Anderthalb Stunden später war der 61-jährige Psychologe tot. Erstochen von dem Mann, dem er zuvor zudem eine unterdurchschnittliche Intelligenz attestiert hatte. Der 29-Jährige steht nun vor dem Landgericht Ansbach. Er ist wegen Mordes angeklagt.

Dass es ihm sehr leid tue, lässt der junge Mann seinen Verteidiger erklären, und dass er alles geben würde, um es ungeschehen zu machen. Es reue ihn besonders, dass er der Ehefrau den Mann und den beiden Kindern den Vater genommen habe. Die Angehörigen treten als Nebenkläger auf. Er sei bereit, seine Strafe zu übernehmen, lässt der Angeklagte ausrichten, wohlwissend, dass es keine Strafe gebe, die seine Tat tilgen könne.

Das hört kein Publikum, denn das Gericht schließt die Öffentlichkeit zuvor von den wichtigsten Vernehmungen aus. So etwas ist möglich, wenn es darum geht, ob der Angeklagte in die Psychiatrie eingewiesen wird. Seine Rechte sollen so geschützt werden. Besonders oft kommt es nicht vor. Zumal der Angeklagte weder jugendlich ist noch eine Sexualstraftat verhandelt wird.

Als er am Montagmorgen in den Saal geführt wird, hält sich der 29-Jährige einen Ordner vor das Gesicht, über den Kopf hat er sich die Kapuze seines roten Anoraks gezogen. Er ist mit Handschellen gefesselt, das rechte Bein wippt unablässig. Der Mann aus dem Landkreis Ansbach soll für die Allgemeinheit gefährlich sein, deswegen ist er seit der Tat in einer Klinik in Erlangen untergebracht. Einen Wohnsitz außerhalb der Psychiatrie habe er nicht mehr, sagt er dem Richter. Unter der Kapuze kommt ein blasser Kerl mit dunklen Augenringen zum Vorschein.

Zwei Haschischpfeifen habe er an jenem Morgen geraucht, bevor er mit dem Bus nach Rothenburg zum Arbeitsamt gefahren sei, lässt er seinen Verteidiger erklären, wie der Gerichtssprecher berichtet. Als ihn der Gutachter für nicht arbeitsfähig erklärte, habe er Angst gehabt, in einer Psychiatrie eingesperrt zu werden. Deswegen sei es zum Streit gekommen. Der Psychologe habe ihn mehrmals gefragt, ob er ein Messer bei sich habe oder eine andere Waffe. Hatte er nicht. Als er den Raum verließ, sagte er zu der Beraterin und dem Gutachter: "Dann hau' ich euch aufs Maul."

Die Frau war wohl derart eingeschüchtert, dass sie die Polizei anrief, als der Mann ihr Büro verlassen hatte. Sie habe sehr aufgeregt geklungen, sagt ein Polizist als Zeuge vor Gericht. Ein Mann habe gedroht, sie abzustechen, habe sie am Telefon gesagt. Eine Streife wurde losgeschickt, aber da war es zu spät. Da kam schon der Notruf, dass im Jobcenter jemand mit einem Messer verletzt worden sei. Der Angeklagte war schon zurückgekehrt.

Erst wegen der Fragen des Gutachters nach einer Waffe sei er auf die Idee gekommen, sich ein Messer zu besorgen, lässt der Angeklagte verlesen. Fünf Euro habe es gekostet und eigentlich habe er damit sich selbst verletzen und andere bedrohen wollen. Der Versuch, sich in die linke Schulter zu stechen, sei aber missglückt. Er ging zurück ins Jobcenter und marschierte direkt ins Zimmer seiner Beraterin in der ersten Etage, wo sie noch immer mit dem Gutachter zusammensaß. Zweimal will er zugestochen haben, dann setze seine Erinnerung aus. Er sei erst wieder zu sich gekommen, als er von einem Mitarbeiter überwältigt wurde, verliest der Verteidiger. Als er später hörte, dass der Psychologe gestorben sei, habe er das nicht glauben können.

Dreimal habe der Angeklagte mit dem Messer auf den Gutachter eingestochen, "um ihn zu töten", sagt der Staatsanwalt. Der habe auf einem Stuhl gesessen und habe nicht die geringste Möglichkeit gehabt, sich zu verteidigen oder zu fliehen. Ein Stich traf den 61-Jährigen ins Herz. Er starb noch im Jobcenter. Der Angeklagte habe sich zuvor so über den Psychologen geärgert, "dass er im Laufe des Gesprächs den Entschluss fasste, den Gutachter wegen seiner Äußerungen zu töten". Keine spontane Reaktion also, sondern ein gezielter Plan. Als der junge Mann zurückkehrte ins Zimmer seiner Beraterin, soll er gesagt haben, "dass es ihm leid tue, aber er müsse das jetzt zu Ende bringen", sagt der Staatsanwalt. Wegen seiner psychischen Erkrankung sei seine Steuerungsfähigkeit damals erheblich vermindert gewesen.

Für den Prozess sind drei Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil soll voraussichtlich am 28. Oktober verkündet werden.

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