Rotary-Orden trotz übler Vorwürfe:Schwer geehrter Herr

Die Rotarier haben dem früheren Chef der Rummelsberger Anstalten, Karl Heinz Bierlein, den Rotary-Orden verliehen - obwohl wegen sexueller Übergriffe auf junge Diakone gegen ihn ermittelt wird.

Olaf Przybilla

Zu "Paul Harris Fellows" küren Rotaryclubs üblicherweise Auserwählte, die sich besonders verdient gemacht haben um die Ziele des rotarischen Gründervaters. Harris, ein Rechtsanwalt, rief 1905 in Chicago einen Wohltätigkeitsclub ins Leben, dessen Mitglieder sich seither auf die Fahne schreiben, sich gegenseitig selbstlos zu dienen und hohen ethischen Grundsätzen im Berufsleben gerecht werden zu wollen.

Karl-Heinz Bierlein, dpa

Damit ihm "auch mal was Erfreuliches angeheftet wird" erhielt Karl-Heinz Bierlein den Rotary-Orden - obwohl gegen ihn ermittelt wird.

(Foto: Foto: dpa)

Dass Karl Heinz Bierlein als ehemaligem Vorstandsvorsitzenden der Rummelsberger Anstalten die Ehre zuteil wurde, Mitglied im Rotaryclub Nürnberg-Land zu werden, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Schließlich versuchen Rotarier, Spitzenkräfte einer jeden Berufssparte in ihren Reihen zu versammeln - und dazu war der evangelische Pfarrer als Chef von 6100 Mitarbeitern in einer der größten kirchlichen Sozialeinrichtungen in Bayern zweifelsohne zu rechnen.

Sehr erstaunlich ist dagegen der Zeitpunkt, den die Rotarier gewählt haben, ihrem ehemaligen Präsidenten Bierlein die Harris-Nadel zu überreichen. Mitte April wurde dem Mann, der wegen des Verdachtes körperlicher Übergriffe auf junge Diakone bereits seit Dezember von der Landeskirche beurlaubt ist, bei einer internen Sitzung der Orden angelegt.

"Damit dir auch mal was Erfreuliches angeheftet wird", will Rotarychef Ulrich Bollmann bei der Zeremonie gesagt haben - und hält diese Formulierung auch drei Wochen danach für angemessen. Bei Bierlein handle es sich um einen "hoch integren Mann", dem von der evangelischen Kirche böse mitgespielt werde.

Unbeirrt durch Ermittlungen

Denn die Landeskirche, glaubt Bollmann, habe ihre "Fürsorgepflicht als Arbeitgeber" verletzt, weil sie die Vorwürfe von Diakonenschülern gegen Bierlein vorschnell öffentlich gemacht habe. Seit Dezember versuche die Kirche nun, "die Sache irgendwie am Kochen zu halten", ohne dabei konkret zu werden.

So weit, die Ehrung für Bierlein auch publik zu machen, habe der Klub zwar nicht gehen wollen. Bierlein den Orden aber gerade jetzt ans Revers zu heften, sei durchaus als "symbolischer Akt" gedacht - auch wenn die Ehre bereits im August 2007 von Rotariern aus Tansania ausgesprochen, die Nadel aber bislang nicht ausgehändigt worden war.

Beirren lassen wollte man sich auch nicht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die gegen Bierlein seit zwei Monaten wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Die betroffenen Jungdiakone - es sollen zirka 20 sein - werfen Bierlein in einem mittlerweile veröffentlichten Brief vor, sie "einzeln, separat und ohne Kenntnis der anderen beteiligten Personen" zu einem Projekt geladen zu haben, um sich in "größtmöglicher Offenheit" über intime Themen wie "Partnerschaft" und "Körper" auszutauschen.

Dabei soll es zu "Grenzüberschreitungen auf körperlicher und psychischer Ebene" gekommen sein, die eine juristische Verfolgung des Falles nach Ansicht der evangelischen Auszubildenden unabdingbar gemacht hätten.

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