Wirtschaft in Bayern:Porzellanhersteller Rosenthal schließt Werk in Speichersdorf

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Der Standort Selb des Porzellanherstellers Rosenthal bleibt erhalten. (Foto: Rosenthal)

Um seine Insolvenz abzuwenden, muss das Unternehmen die Produktion an einem von zwei Standorten in Oberfranken einstellen. Am Donnerstag fiel die Entscheidung.

Von Max Weinhold, Selb

Der oberfränkische Traditions-Porzellanhersteller Rosenthal wird sein Werk in Speichersdorf schließen. Der Standort am Rotbühl in Selb bleibt bestehen. Dies teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Zuvor hatte die Geschäftsführung die Belegschaft beider Standorte in zwei Betriebsversammlungen über den Schritt informiert. „Die Überkapazitäten der Rosenthal-Fabriken, kombiniert mit niedrigen Erträgen und hohen Arbeitskosten, führen zu signifikanten finanziellen Verlusten an den Standorten“, sagte Geschäftsführer Gianluca Colonna einer Mitteilung zufolge. Rosenthal müsse sich „den Herausforderungen der Zeit anpassen“.

Die Entscheidung folgt wochenlangen Verhandlungen über die Zukunft der seit geraumer Zeit kriselnden Firma. Bereits im Frühjahr 2024 hatte das Unternehmen angekündigt, etwa 100 von knapp 600 Stellen abzubauen. Im Dezember wurde bekannt, dass eines der beiden Porzellanwerke in Oberfranken schließen würde, um eine Insolvenz abzuwenden. Es traf Speichersdorf, wo künftig nur noch die Logistik angesiedelt sein soll. Etwa die Hälfte der Rosenthal-Angestellten arbeitet an dem Standort. Wie viele ihren Job verlieren, war zunächst unklar.

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Um zumindest übergangsweise bis Ende 2026 den Betrieb beider Werke aufrechtzuerhalten, hat sich die Geschäftsführung mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und dem Betriebsrat bereits im Januar auf einen sogenannten Standortsicherungs-Tarifvertrag geeinigt. Dieser sieht einen Stellenabbau in mehreren Schritten und einen deutlichen Lohnverzicht der Angestellten vor: So sollen sie in den kommenden drei Jahren und rückwirkend für 2024 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten. Das Unternehmen will den Beschäftigten im Gegenzug eine jährliche Prämie in Höhe von 500 Euro und im Falle der Gewerkschaftsmitglieder 1000 Euro zahlen. Etwa die Hälfte der Belegschaft ist laut IG BCE in der Gewerkschaft organisiert.

Mit Hilfe der Einsparungen, zu deren Höhe eine Sprecherin auf Nachfrage keine Auskunft gab, wolle die Arcturus Gruppe, der Rosenthal angehört, mehrere Millionen Euro in eine neue Fabrikanlage investieren – unter anderem in einen energieeffizienten Brennofen – und den Standort „umfassend“ renovieren und umstrukturieren. Überdies soll in Selb ein „Porzellan-Dorf“ entstehen, dessen Zentrum der Firmensitz, ein Outlet-Center und das neue Werk bilden sollen.

Zur Renovierung der Produktionsstätte habe auch der Freistaat dem Unternehmen finanzielle Unterstützung zugesagt, sagte die Sprecherin. In welcher Höhe, beantwortete sie nicht. Die staatlichen Subventionen seien aber ein Argument für Selb gewesen. Ausschlaggebend sei außerdem die Nähe des Werks zum Firmensitz gewesen. Und der Umstand, dass es sich bei dem 1967 von Walter Gropius erbauten Werk nicht nur um einen bedeutenden Teil der Unternehmensgeschichte handele, sondern auch um „ein wertvolles architektonisches Erbe“.

Zuletzt sank der Umsatz bei Rosenthal zwei Jahre in Folge um 30 Prozent

Ihm sei ein großer Stein vom Herzen gefallen, sagte Selbs Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch (Aktive Bürger Selb). Porzellan und Selb seien untrennbar miteinander verbunden. „Ohne Selb wäre Porzellan nicht vollständig, und Selb wäre ohne Porzellan nicht das, was es heute ist.“ Er wolle betonen, „wie glücklich wir alle über die Entscheidung sind und wie wichtig es für unseren Wirtschaftsstandort ist“. Zugleich bedauere er „die damit verbundenen Veränderungen am Standort Speichersdorf“.

Der dortige Bürgermeister Christian Porsch (Unabhängige Bürgervertretung) sprach von einem „schwarzen Tag in der Geschichte unserer Gemeinde“ und einem „gewissen Grad an Unverständnis“. Schon seit 1960 werde vor Ort Porzellan hergestellt. Mit dem Verlust ihres größten Arbeitgebers verliere die Gemeinde „massiv an Arbeitsplätzen und ein großes Stück Identität“. Bei mehreren Gesprächsrunden seien Rosenthal Investitionshilfen und ein günstiger Industriestromtarif angeboten worden. „Leider vergeblich, wie sich nun herausstellt.“ Porsch sagte, es habe schon den Anschein gehabt, „dass es eine gewisse Präferenz in Richtung Selb gab“.

Fortan richteten sich die Anstrengungen darauf, „den vom Verlust des Arbeitsplatzes bedrohten Beschäftigten und deren Familien Perspektiven aufzuzeigen“. Er berief sich dabei auch auf die Zusicherung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), „uns und die Angestellten im Falle einer negativen Entscheidung nicht im Stich zu lassen“.

Rosenthal steckt seit Längerem in der Krise, zuletzt sank der Umsatz zwei Jahre in Folge um 30 Prozent. Neben steigenden Kosten für das energieintensive Brennen des Porzellans sind dafür die sinkende Nachfrage nach hochwertigem Geschirr und günstige Konkurrenz aus China ursächlich. Aber auch innerhalb des Unternehmens herrscht seit Jahren Unruhe. Der aktuelle Geschäftsführer Colonna ist bereits der vierte seit 2021.

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