Religiöses Brauchtum:Für den Sieger von Lepanto

Der Rosenkranz ist ein Phänomen, dessen Bedeutung schwindet. Dabei erinnert dieses Gebet an ein Ereignis, dem vor mehr als 400 Jahren beinahe das christliche Europa zum Opfer gefallen wäre.

Von Hans Kratzer, München

Bataille de Lepante Lepanto le 7 octobre 1571 La perte de Chypre en 1571 provoque la reaction de

In vielen Gemälden wurde die Schlacht von Lepanto (7. Oktober 1571) verewigt. Hier ein Bild aus dem Maritime Museum Greenwich.

(Foto: imago stock&people/imago/Leemage)

Beim Blick auf die von Skandalen und Massenaustritten gebeutelten Kirchen gerät leicht aus dem Blick, welch eine dominierende Bedeutung die Religion vor nicht allzu langer Zeit noch hatte. Das belegt sehr treffend jene Episode, in die der listige CSU-Abgeordnete Franz Xaver Unertl (1911-1970) verwickelt war. Von ihm ist überliefert, dass er in Gesprächen mit Pfarrern und Bischöfen gerne sein Schneuztuch zückte, wobei er stets den Rosenkranz aus der Tasche fallen ließ, um auf diese Weise seine gute katholische Gesinnung zu belegen. Das konnte in Zeiten, in denen den Gläubigen von der Kanzel herab noch Wahlempfehlungen dargereicht wurden, keineswegs schaden.

Auch der Rosenkranz hat viel von seiner einstigen Bedeutung eingebüßt. Gleichwohl werden in katholischen Pfarreien nach wie vor derlei Andachten gepflegt, gerade im Oktober, der als Rosenkranzmonat bekannt ist. Besonders feierlich kam diese Tradition am Dienstagabend in der Pfarrei St. Peter in München zum Ausdruck, wo Kardinal Reinhard Marx sogar den güldenen Rosenkranz betete. Dies ist in der Regel nur einmal im Jahr der Fall und insofern eine Besonderheit, als dieser Rosenkranz feierlich mit Musik umrahmt wird.

Don Juan d'Austria ist einer der berühmtesten Regensburger

Dass der Oktober als Rosenkranzmonat gilt, hat handfeste historische Gründe. Die Tradition geht zurück auf die am 7. Oktober 1571 geschlagene Seeschlacht von Lepanto im Golf von Korinth, die mit einem unerwarteten Sieg der christlichen Mittelmeermächte über das Osmanische Reich endete. Der Oberbefehlshaber der mit 207 Schiffen und 43 000 Kämpfern und Ruderern ausgestatteten christlichen Liga war einer der berühmtesten Söhne der Stadt Regensburg. Er hieß Don Juan d'Austria und ging als der Retter des Abendlandes in die Geschichte ein.

Viele Gläubige hatten damals am Tag der Schlacht eifrig für den Sieg gebetet, weshalb Papst Pius V. ein Rosenkranzfest einführte, um an diesen Triumph zu erinnern. Bis heute wird es jeweils am 7. Oktober als "Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz" begangen. Papst Leo XIII. rief später die Gläubigen zum täglichen Rosenkranzgebet den ganzen Oktober über auf. Auch das Kirchenpatrozinium Maria vom Siege geht auf diese Seeschlacht zurück. In der Ingolstädter Asamkirche ist das Weltereignis en detail auf einer Monstranz dargestellt.

1978 wurde dem Sieger Don Juan in der Regensburger Innenstadt ein Denkmal errichtet. Es handelt sich um die Kopie eines Standbildes, das schon zu Lebzeiten Don Juans in der sizilianischen Hafenstadt Messina errichtet worden war. In den vergangenen Jahren wurde mehrmals offenkundig, dass der Seeheld nicht alle Regensburger mit Stolz erfüllt. Ein junger Mann war vor Jahren auf den Sockel geklettert und hatte vor einer Menge von Schaulustigen lautstark die Entfernung des Denkmals gefordert. Es brauchte nicht viel Geschichtskenntnis, um zu erkennen, was den Mann an dem Denkmal störte. Denn der Bildhauer Andrea Calamech hatte seinerzeit in Messina den Fuß der Don-Juan-Statue auf dem abgeschlagenen Kopf eines Türken platziert. Am Schlachtensieger scheiden sich seither die Geister.

Es gab Zeiten, da wurde er verboten, dann wieder befohlen

Das Rosenkranzgebet bleibt davon unberührt. Es ist geprägt von einem ruhigen Sprechrhythmus und beinhaltet die Grundgebete Vater Unser, Ave Maria und Ehre sei dem Vater, die während des Betens an dem einer Gebetskette ähnelnden Rosenkranz abgezählt werden. In die Grundgebete werden die sogenannten Gesätze eingeschoben. Häufig wird das Rosenkranzgebet nach den jeweils verwendeten Gesätzen benannt. Traditionell gibt es den freudenreichen, den schmerzhaften, den glorreichen und den lichtreichen Rosenkranz, oft werden aber auch andere, dem Anlass oder Thema entsprechende Gesätze verwendet.

Ein ehrbares Handwerk war früher die Herstellung von Rosenkränzen (bairisch: Better), die dem Bettermacher oblag. Die Rosenkranzproduktion fand sogar in einem Ortsnamen ihren Niederschlag. Gewiss war ein Hersteller in der Ortschaft Bettermacher (Gemeinde Schweitenkirchen, Kreis Pfaffenhofen an der Ilm) tätig. Der letzte deutsche Hersteller, der heute noch Rosenkränze fertigt, ist das Unternehmen Josef Neumeyer aus Neukirchen beim Heiligen Blut im Bayerischen Wald. Früher gab es allein in dieser Ortschaft zehn Hersteller, dann machten die Billigkonkurrenz aus Asien und Osteuropa sowie die sinkende Nachfrage der hiesigen Massenproduktion den Garaus.

Das Phänomen Rosenkranz war stets vielschichtig und widersprüchlich. Eine Ausstellung vor fast 20 Jahren im Diözesanmuseum Freising musste einen Spagat vom lasziv sich mit einem Rosenkranz räkelnden Model bis zum sich kasteienden Wüsteneremiten wagen, um die ganze Bandbreite abzudecken. Kein anderes Gebet im Christentum blickt auf eine bewegtere Geschichte zurück. Der Rosenkranz trug Hoffnungen, entschied Schlachten, vertrieb Krankheiten, prägte das Frauenbild und war Leistungsabzeichen katholischer Frömmigkeit. Es gab Zeiten, da wurde er verboten, dann wieder befohlen. Viele Menschen suchen nach wie vor jene trancehafte Monotonie, die im Rosenkranzgebet zu erfahren ist, finden sie heute aber eher im Ausdauersport.

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