Rosenheim:Zahl der Flüchtlinge sinkt deutlich

Grenzkontrollen an der A93

Die strengen Kontrollen an der Grenze zwischen Österreich und Bayern werden zunächst bis Mai dieses Jahres verlängert.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bilanz der Bundespolizei: Intensive Kontrollen an den Grenzübergängen und die geschlossene Balkanroute zeigen ihre Wirkung

Von Matthias Köpf, Rosenheim

In den Containern am Rosenheimer Bahnhofsvorplatz ist die Lage ruhig an diesem kalten Januartag, und auch in der Kaserne im Stadtnorden, dem Hauptquartier der Bundespolizeiinspektion Rosenheim, herrscht nur gedämpfte Betriebsamkeit. Noch vor einem Jahr hatten die Beamten hier alle Mühe, das Chaos in geordnete Bahnen zu lenken, doch seit Frühjahr 2016 ist auf der Balkanroute für Flüchtlinge kaum mehr ein Durchkommen. Über Salzburg und Freilassing kommen seither nur noch vergleichsweise wenige Migranten ins Land, auf der Brennerroute über Tirol und das bayerische Inntal sind es nicht um so viel mehr geworden, wie es mancher befürchtet hatte. Das lässt sich auch an der Statistik für 2016 ablesen, die die Rosenheimer Bundespolizei am Dienstag vorgelegt hat.

77 000 Migranten wollten demnach im vergangenen Jahr zwischen dem Bodensee und dem Berchtesgadener Land nach Deutschland einreisen, zwei Drittel weniger als 2015. Im Januar und Februar waren es fast 60 000. Das sind weitaus mehr als in allen anderen Grenzregionen miteinander, und zusammen mit der Region Passau waren es fast alle Flüchtlinge, die 2016 überhaupt in Deutschland eingetroffen sind. Denn die Rosenheimer Bundespolizei ist für 650 Kilometer Grenze und mehr als 50 Übergänge von Österreich nach Bayern verantwortlich, darunter die der A 8 am Walserberg und der A 93 bei Kiefersfelden sowie die Bahnlinien via Salzburg und Innsbruck. Diese Autobahnen und Bahnstrecken treffen bei Rosenheim aufeinander, und weil auch 2016 zwei Drittel der Migranten mit der Bahn eingereist sind, blieb der Bahnhof der Stadt zunächst ein Brennpunkt der Flüchtlingspolitik. Mit dem Ende der Balkanroute ist die Zahl der Neuankömmlinge aber drastisch gesunken, zuletzt lag sie im Bereich der Rosenheimer Inspektion bei 1200 bis 1400 im Monat. Von den Neuankömmlinge waren zuletzt etwa ein Fünftel Syrer und fast ebenso viele Afghanen, gefolgt von elf Prozent Irakern und neun Prozent Nigerianern.

Während insgesamt viel weniger Menschen eintreffen, steigt zugleich der Anteil der Zurückgewiesenen. Seit dem Sommer weist die Bundespolizei zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Migranten zurück und übergibt sie den österreichischen Kollegen, insgesamt waren das im vergangenen Jahr 9600 Menschen. Viele von ihnen können nicht glaubhaft machen, dass sie in Deutschland Asyl oder Schutz brauchen, andere haben falsche Papiere oder sind schon in anderen Ländern registriert, oft in Italien. Ungefähr ein Zehntel aller erfassten Migranten versucht es nicht zum ersten Mal, ins Land zu kommen, schätzt Ludger Otto, der seit Einführung der Grenzkontrollen im September 2015 als Einsatzleiter zuständig ist. Dem Staatsschutz habe man nur ganz vereinzelt Migranten gemeldet, etwa als mögliche islamistische Gefährder.

Die Schleuserkriminalität hat mit der Blockade der Balkanroute für die Bundespolizei nicht erkennbar zugenommen. Gleichwohl gingen den Beamten der Rosenheimer Inspektion im vergangenen Jahr 280 Schleuser ins Netz, weniger als 2013 vor dem ganz großen Andrang an den Grenzen. Zuletzt waren es 20 bis 30 Schleuser pro Monat - einige davon nicht an den sporadisch kontrollierten kleinen Übergängen, sondern immer noch an den fixen Kontrollpunkten an den Autobahnen, an denen die Bundespolizei seit Dezember von einer Hundertschaft bayerischer Bereitschaftspolizei unterstützt wird und seither rund um die Uhr kontrolliert. Bei den Grenzkontrollen landeten die Polizisten 2016 etwa 5300 Fahndungstreffer, davon 4800 gesuchte Personen, der Rest gestohlene Autos oder anderes Diebesgut. Die Bundespolizei sieht diese Fahndungstreffer als eine Art Kollateralnutzen an, wie Inspektionsleiter Reinhold Tomm einräumt. Denn ähnliche Erfolge ließen sich auch bei einer kompletten Fahrzeugkontrolle an einem beliebigen Autobahnabschnitt erzielen, wofür es aber keine Rechtsgrundlage gibt.

Die Rechtsgrundlage der wiedereingeführten Grenzkontrollen gilt derzeit bis Februar und soll zunächst bis Mai verlängert werden. Intern rechnet die Bundespolizei aber nicht damit, dass die Kontrollen vor der Bundestagswahl im Herbst wieder eingestellt werden. Sie will ihre eigene Struktur den gewachsenen Aufgaben anpassen und aus der Rosenheimer Inspektion Mitte dieses Jahres drei selbständige Inspektionen in Freilassing, Rosenheim und Lindau machen. Der jetzige Personalstand von 550 Bundespolizisten soll sich in dem ganzen Gebiet dann nach und nach verdreifachen. Momentan werden die Beamten noch von der Bundesbereitschaftspolizei unterstützt. Nach Angaben des zuständigen Abteilungsleiters im Bundesinnenministeriums hatte die Bundespolizei in Bayern zuletzt insgesamt 700 Beamte im täglichen Einsatz.

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