Verkehr in Bayern:Bürger kämpfen mit Studie gegen Neubau von Bahntrasse im Inntal

Zug auf der Bahnstrecke München - Rosenheim, 2018

Streitthema Schiene: Die Bürgerinitiativen bezweifeln auch die Szenarien des Bundes, denen zufolge ein weiteres Wirtschaftswachstum mit einer Zunahme des Bahngüterverkehrs einhergehen werde.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • In Rosenheim herrschen weiterhin Uneinigkeiten zwischen der Deutschen Bahn (DB) und Bürgerinitiativen hinsichtlich des Zulaufs zum Brennerbasistunnel.
  • Die Bürgerinitiativen lehnen die Planung der Bahn ab und legen eine eigene vor. Die Ideen der Initiativen kommen nicht bei allen Rosenheimern gut an.
  • Deutschland ist mit dem Zulauf zum europäischen Großprojekt Brennerbasistunnel ohnehin weit im Verzug.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Aus der Perspektive der Deutschen Bahn sollte bis Ende des Jahres auch das berühmte Licht am Ende des Tunnels zu sehen sein: Bis dann soll die Bahn im Auftrag des Bundes aus fünf grob skizzierten Trassen einen konkreten Vorschlag für zwei zusätzliche Gleise Richtung Brennerbasistunnel machen. Doch im Raum Rosenheim stemmen sich inzwischen 18 Bürgerinitiativen (BI) gegen eine Neubautrasse und haben eine eigene Planung vorgelegt. Aus ihrer Sicht werden die beiden Gleise durchs bayerische Inntal auch nach Eröffnung des Tunnels 2028 ausreichen. Nötig wäre dazu ein massiver Umbau des Bahnknotens Rosenheim. Den BI zufolge würde sich ihre Variante - im Gegensatz zu denen der DB - dafür auch in den bundesweit geplanten Deutschlandtakt fügen.

Dieses Kriterium sieht der Verkehrsplaner Manfred Vieregg in den bisherigen Varianten der DB nicht erfüllt. Viereggs Büro ist darauf spezialisiert, Gegenvorschläge zur Deutschen Bahn zu machen und hat im Auftrag des Vereins Brennerdialog Rosenheimer Land und dessen Mitglieder-Initiativen schon im vergangenen Sommer eine Planung für den Ausbau der bestehenden Inntaltrasse vorgelegt. Am Dienstag haben Vieregg und der stellvertretende Brennerdialog-Vorsitzende Sepp Reisinger in Rosenheim nun die vertiefte Studie für den Raum Rosenheim präsentiert. Kern dieser Planung ist es, den Bahnverkehr vom Brenner nicht wie in den DB-Plänen um Rosenheim herum, sondern weiterhin durch die Stadt und ihren Bahnhof zu führen. Mit diesen teilweise schon vorab durchgesickerten Vorschlägen haben sich die Bürgerinitiativen speziell in Rosenheim und im nahen Großkarolinenfeld nicht nur Freunde gemacht. Dabei verheißt Vieregg den Rosenheimern, dass sie nur so auf Dauer Anschluss an den schnellen Fernverkehr und den im Stunden- oder Halbstundenrhythmus geplanten Deutschlandtakt behalten würden. Zudem berücksichtige nur seine Planung, dass der Güterverkehr vom Brenner künftig nicht mehr über München, sondern von Rosenheim direkt über Mühldorf nach Norden geführt werden könnte.

Die Bahn, die schon Viereggs bisherige Vorschläge als unzureichend eingestuft hat, plant im Auftrag der Politik vorerst nur den Weg über München. Deutschland ist mit dem Zulauf zum europäischen Großprojekt Brennerbasistunnel ohnehin weit im Verzug. Die Planer versuchen es seit 2015 mit einem Bürgerbeteiligungsmodell nach dem Vorbild ihrer österreichischen Kollegen. Die haben damit ohne große Widerstände längst zwei weitere, weitgehend im Boden vergrabene Gleise durch das Tiroler Inntal gebaut. Entsprechend sollten auch auf der deutschen Seite in allerlei lokalen Foren zunächst Kriterien festgelegt werden, nach denen dann die Trassenvorschläge bewertet werden sollten. Sobald aber Ende 2016 die ersten nicht von vorneherein ausgeschlossenen Korridore auf Landkarten zu sehen waren, erhob sich der Protest. Er ist auch nicht abgeebbt, nachdem die Planer 2019 fünf Grobtrassen vorgestellt haben, von denen die beiden politisch bevorzugten östlich um Rosenheim herum und dabei weitgehend unterirdisch verlaufen. Unter anderem Vertreter der Staatsregierung haben sich zwar auf Varianten mit einem hohen Tunnelanteil festgelegt. Die Kritiker rechnen aber auch dafür mit großen Beeinträchtigungen während der Bauphase und darüber hinaus mit so hohen Kosten, dass am Ende doch eine Variante ohne Tunnel realisiert werde.

Die Bürgerinitiativen bezweifeln ohnehin die Szenarien des Bundes, denen zufolge ein weiteres Wirtschaftswachstum mit einer weiteren Zunahme des Güterverkehrs einhergehen werde und dieser Verkehr künftig auf die Schiene verlagert werden soll, weshalb es ohne neue Gleise auf Dauer nicht gehen werde. Die BI fordern dagegen einen "bedarfsgerechten Ausbau" der Bestandsstrecke, der nach Viereggs Vorschlägen auf den 35 Kilometern zwischen Kiefersfelden und Rosenheim 14 Neubaukilometer vorsieht. Auch die nun präsentierte Ergänzung für den Raum Rosenheim würde neben größeren Eingriffen im Stadtgebiet neue Gleise im Westen Rosenheims notwendig machen. Weil diese Gleise nördlich um Großkarolinenfeld verlaufen würden, macht sich dort die Sorge breit, den Bahnhof im Ort zu verlieren.

Die dringendste Forderung der Bürgerinitiativen bleibt es, neben den fünf DB-Varianten auch den Vieregg-Vorschlag in die Erwägungen des Bundes aufzunehmen. Eine entsprechende Petition an den Bundestag haben mehr als 30 000 Menschen unterstützt - zur Überraschung der Bürgerinitiativen, die zum Ende ihrer eigenen Sammelaktivitäten von 18 000 Unterschützern ausgegangen waren. Mitte Februar haben die BI zudem 3000 Menschen zu einem Sternmarsch in die Rosenheimer Innenstadt auf die Straßen gebracht.

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