An „Erfahrung in der Zusammenarbeit mit politischen Gremien“ mangelt es dem Bewerber sicher nicht, schließlich sitzt er seit 16 Jahren für die CSU im Rosenheimer Stadtrat. Jetzt aber würde er gern berufsmäßiger Stadtrat werden, als neuer Dezernent für Grundsatzfragen, Wirtschaftsförderung und Kultur, Personal und IT in der Verwaltung der 65 000-Einwohner-Stadt. Dazu müssten ihn wiederum seine Ratskollegen wählen, wenn sie in drei Wochen zusammentreten. Die Wahl ist geheim, doch ihr Ausgang scheint für viele in der Stadt schon festzustehen – obwohl der rathauseigene Favorit aus der Mehrheitsfraktion sonst jedenfalls nicht allen Kriterien der Ausschreibung entspricht.
Von Bewerbern für den Spitzenposten verlangt die Stadt nämlich neben Gremien-Erfahrung ausdrücklich einen Studienabschluss in Jura, Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaften und eine „mehrjährige erfolgreiche Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung, vorzugsweise in kommunalen bzw. staatlichen Führungspositionen“ sowie „idealerweise Praxiserfahrung im Bereich Personalwirtschaft“.
Der CSU-Mann, der andere Fraktionen per Mail über seine Ambitionen informiert hat, ist von Ausbildung und Beruf Lehrer für Mathematik und Physik an einem örtlichen Gymnasium und arbeitet dort in der Schulleitung mit. Dass er mit der lokalen CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig verheiratet ist, muss nicht gegen seine Bewerbung sprechen und hat es bisher offenbar nicht getan.
Die ersten Runden hat er jedenfalls überstanden. Nach einer eintägigen Vorstellungsrunde einer ganzen Reihe von Bewerberinnen und Bewerbern, die durchwegs als hochklassig beschrieben werden, ist der CSU-Rat einer von vier verbliebenen Aspiranten. Kommende Woche soll der Personalausschuss die endgültige Vorauswahl für den Stadtrat treffen.
In Großstädten werden die Posten nach politischen Absprachen besetzt
Im Rathaus mit OB Andreas März (CSU) an der Spitze hält man sich zu solchen Personalfragen pflichtgemäß bedeckt. Aus den Reihen der Räte ist zwar da und dort ein lautes Grummeln über eine nicht ganz parteifreie Postenvergabe zu vernehmen, doch öffentlich darf auch hier niemand Details aus dem Verfahren verraten.
Allerdings knüpft sich an die Personalie eine Grundsatzfrage, und zu der hat etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Abuzar Erdogan durchaus eine Meinung. Erdogan zählt sich ausdrücklich nicht zu den Kritikern des CSU-Mannes. Vor allem aber schwebt ihm vor, die Dezernentenposten gar nicht erst mit irgendwelchen neutralen Kriterien auszuschreiben, sondern sie auch im eher mittelgroßen Rosenheim gleich offen nach politischen Absprachen und Mehrheiten zu besetzen, wie es in Großstädten geschieht. Das biete „die Chance, dass der Stadtrat sich in der Verwaltung wiederfindet“, statt sich von ihr gängeln zu lassen. Was es im konkreten Fall für Absprachen gibt, ist offen. Eine Mehrheit wird es am Ende für irgendwen geben.