Natur und Umwelt:Im Rosenheimer Lokschuppen startet die neue Ausstellung

Natur und Umwelt: Vom Fotografen Carsten Peter stammen zahlreiche eindrucksvolle Aufnahmen in der neuesten Ausstellung des Rosenheimer Lokschuppens.

Vom Fotografen Carsten Peter stammen zahlreiche eindrucksvolle Aufnahmen in der neuesten Ausstellung des Rosenheimer Lokschuppens.

(Foto: Carsten Peter)

Die aktuelle Schau widmet sich ab diesem Freitag dem populären Thema "Vulkane". Auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern werden mehr als 250 Exponate zu sehen sein.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Wer im tektonisch sonst recht ruhigen Bayern Vulkane sehen will, könnte an den Rauhen Kulm oder zum Parkstein in der nördlichen Oberpfalz fahren. Der letzte Ausbruch dort in der Gegend dürfte nur ein paar Hunderttausend Jahre her sein, und den nächsten könnte es vielleicht sogar schon in ein, zwei Millionen Jahren geben. Wer aber so lange nicht warten will, kann es von Freitag an im oberbayerischen Rosenheim versuchen. Im Lokschuppen, der sich zu den zehn besucherstärksten Ausstellungshäusern Deutschlands zählt, kommt es auf einer riesigen 90-Quadratmeter-Leinwand alle paar Minuten zu einer neuerlichen Eruption. Die Projektion ist Teil der neuen Ausstellung, die genau das zeigt, was der Name verspricht: "Vulkane" eben.

Den Rosenheimer Videovulkan hat Nicole Richter entworfen, Vulkanologin an der Hochschule Aachen und eine von vier Kuratorinnen und Kuratoren der Schau. Richters Spezialgebiet ist es, solche potenziell feuerspeienden Berge mit Satelliten vom All aus im Auge zu behalten. Die Eruption im Lokschuppen hat sie am Beispiel der Kanarischen Inseln entworfen, wo 2021 auf La Palma der Cumbre Vieja ausgebrochen ist.

Was das für die Menschen dort bedeutet hat, lässt sich in Rosenheim an Medienstationen in Interviews erfahren, die Lokschuppen-Leiterin Jennifer Morscheiser und der Wissenschaftsautor und Co-Kurator Holger von Neuhoff im vergangenen Jahr auf der Insel geführt haben. Ansonsten aber lassen sich im Lokschuppen die Macht, das Bedrohliche und die Schönheit der Vulkane aus jener sicheren Distanz erleben, die den Ästhetikern als Voraussetzung für die Empfindung der Erhabenheit gilt.

Die Rosenheimer Ausstellungsmacher brauchen dafür als Soundtrack zur Eruption auch noch Pauken und Trompeten. Dass sie ein bisschen auf die Pauke hauen, ist den Ausstellungen im Lokschuppen nicht fremd, denn populär sollen sie schon sein. Die Vulkane sollen bis Dezember möglichst 175 000 Besucher anlocken. Bei der vorangegangenen "Eiszeit"-Schau, die teilweise noch unter Corona-bedingten Erschwernissen stattfand, waren es 135 000. Die Besucher im Lokschuppen können am Ausgang mitteilen, was sie sich als Thema wünschen und in welche Ausstellung sie kommen würden. Erst wenn ein Thema auf mindestens 80 Prozent Zustimmung stößt, hat es Chancen auf eine Ausstellung, sagt Lokschuppen-Chefin Morscheiser. Das Ergebnis wirkt wie ein sicherer Griff ins Regal mit den großen weißen Was-ist-was-Bänden.

Zugleich sind die Ausstellungen stets auf dem letzten Stand der Wissenschaft, wofür im Fall der Vulkane neben Richter und Neuhoff die beiden weiteren Kuratoren sorgen: Martin Meschede lehrt an der Uni Greifswald, ist Präsident der Deutschen Geologischen Gesellschaft und betont, dass es ohne Vulkane gar keine Menschen gäbe, denn ohne die Ausbrüche würde die von stetem radioaktivem Zerfall in ihrem Inneren aufgeheizte Erde so weit überhitzen, dass es an der Oberfläche mindestens 400 Grad hätte. Der Ethnologe Christian Feest, der unter anderem das Museum für Völkerkunde in Wien geleitet hat, würde da nicht widersprechen, sagt aber auch, dass es ohne Menschen auch keine Vulkane gäbe. "Menschen machen Vulkane erst zu dem, was sie für uns sind."

Natur und Umwelt: Die Exponate in der Ausstellung sind meistens Bilder und einiges echtes Vulkangestein.

Die Exponate in der Ausstellung sind meistens Bilder und einiges echtes Vulkangestein.

(Foto: Lokschuppen Rosenheim)

Die Ausstellung vereint die natur- und die kulturwissenschaftliche Perspektive, zeigt die Hinter- und Untergründe der Plattentektonik ebenso wie Kino-Plakate von Vulkan-Filmen und eine Galerie von reproduzierten Gemälden zum Thema. Darunter eines von Caspar David Friedrich, der wie seine Zeitgenossen vor allem deswegen so farbenprächtige Sonnenuntergänge malte, weil der Ausbruch des indonesischen Tambora 1815 so viele Schwefelpartikel um die Welt geblasen hatte. Dem folgte allerdings 1816 das "Jahr ohne Sommer" mit großer Kälte, Dauerregen, Seuchen, Hungersnöten und Revolten auch Tausende Kilometer weit weg vom Ort der Eruption.

Was den Menschen direkt unter dem Vulkan passieren kann, hat sich am Vesuv gezeigt, der im Jahr 79 Pompeji unter Lava und Asche begraben hat. Die Ausstellungsmacher haben eine römische Taverne nachbauen lassen, wie sie 1800 Jahre später in Pompeji wieder freigelegt wurde. Warum immer noch so viele Menschen so nah an Vulkanen leben, liegt an der Zahl sowohl der Menschen als auch der Vulkane - und daran, dass der Boden dort fruchtbar ist. Am Ätna sollen "die Schafe zum Ersticken fett" werden, verzeichnete ein Chronist im 19. Jahrhundert. Die Zeit bis zur nächsten Eruption tickt. Nach mehr als 250 Exponaten, die meisten davon Abbildungen wie die eindrucksvollen Aufnahmen des Fotografen Carsten Peter und etliches originales Vulkangestein, schwingen kurz vor dem Ausgang der Rosenheimer Schau drei große Pendel. Der Vulkan in der Ausstellung soll bis 10. Dezember ausbrechen, begleitend gibt es in Rosenheim eine vierteilige wissenschaftliche Vortragsreihe.

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