Erinnerungskultur:Gewunden zum Gedenken

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Der Entwurf der Künstlerin Christiane Huber für das Rosenheimer Gedenken an die NS-Opfer in der Stadt. (Foto: Stadt Rosenheim)

In Rosenheim wurde lange Jahre ergebnislos über die anderswo weit verbreiteten Stolpersteine von Gunter Demnig debattiert. Jetzt hat die Stadt zu einem eigenen Weg des Erinnerns an die NS-Opfer gefunden.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Immerhin 70 Jahre hatte es in Rosenheim nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit noch gedauert, ehe sich der Stadtrat entschloss, der Opfer des Nationalsozialismus auch einzeln und mit Namen zu gedenken. Das ist inzwischen auch schon wieder sieben Jahre her, in denen in Rosenheim vor allem über die weit verbreiteten Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig debattiert wurde. Jetzt hat die Stadt zu einer eigenen Form des Gedenkens gefunden, den sie selbst den "Rosenheimer Weg" nennt: Anstelle von Stolpersteinen im Boden sollen große, mit den jeweiligen Namen versehene Möbiusschleifen aus Messing und Blattgold etwa in Bäumen oder an Hausfassaden an die Ermordeten der NS-Zeit erinnern.

Eine Möbiusschleife ist eine Art einmal in sich verdrehtes Band, oder mathematisch beschrieben eine Fläche, die nur eine Seite und eine Kante besitzt und damit keine Richtung und auch kein Innen und Außen kennt. Als Symbole sind Möbiusschleifen weithin beliebt, zuletzt etwa für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020. Der Entwurf für die Rosenheimer Schleifen stammt von der Münchner Künstlerin Christiane Huber, die sich in ihren Werken - oft sind es Performances oder Installationen - viel mit zeitgeschichtlichen Themen befasst. Ein Jury aus Fachleuten und Lokalpolitikern hat ihren Vorschlag aus fünf eingereichten Bewerbungen ausgewählt. Die Stadt hatte für den Wettbewerb mehr als zwei Dutzend Künstlerinnen und Künstler um Beiträge gebeten.

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Es ist Teil von Hubers Vorschlag, die Rosenheimer im kommenden Jahr in Form von Aktionen in das Werk einzubeziehen. Eine erste Schleife soll freilich schon in einigen Wochen am 9. November installiert werden, dem Jahrestag der Reichspogromnacht 1938. Zuvor muss der Stadtrat in der kommenden Woche dem nahezu einstimmigen Votum zweier Ausschüsse folgen, die in ihrer Besetzung jedoch schon fast die Hälfte des Rats ausmachen. Gegenstimmen kamen nur von der AfD, die es lieber etwa mit kleinen Gedenktafeln hätte bewenden lassen.

Oberbürgermeister Andreas März und seine CSU als dominierende Fraktion stellten sich hinter das Votum der Jury. Vor allem die CSU hatte sich stets gegen Stolpersteine ausgesprochen, wie sie Gunter Demnig inzwischen in mehr als 1200 deutschen Kommunen und an vielen anderen Orten in Europa verlegt hat. Die Christsozialen schlossen sich da stets der Argumentation von Charlotte Knobloch an. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern will die Namen der Opfer auf keinen Fall mit Füßen getreten sehen und hatte damit auch schon die Debatte in München geprägt.

Die Rosenheimer CSU wollte sich zunächst auch in der Form des Gedenkens an München orientieren und für die NS-Opfer schlanke Stelen aufstellen, ehe man sich in Rosenheim in den vergangenen Monaten auf einen eigenen Weg einigte. Mit dem zeigt sich nun auch Karl-Heinz Brauner zufrieden, der sich als Vorsitzender des Historischen Vereins und Grünen-Stadtrat über die Jahre sehr für Stolpersteine eingesetzt hatte. Von der Einigung auf die Schleifen erhofft sich Brauner auch, dass die Recherchen zu den Opfern aus der NS-Zeit weiter vorangetrieben werden.

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