Rollrasen aus Bayern:Alles im grünen Bereich

Rollrasen aus Bayern: Die Brüder Günther (links) und Walter Schwab (rechts) haben den Betrieb kürzlich von Vater Horst übernommen.

Die Brüder Günther (links) und Walter Schwab (rechts) haben den Betrieb kürzlich von Vater Horst übernommen.

(Foto: privat)

In Berlin feiern Fans auf bayerischem Rollrasen der Firma Schwab. Der kommt aus dem Spargelland Schrobenhausen und wächst da auf 250 Hektar. Ernte, Transport und Verlegung innerhalb von höchstens 48 Stunden erfordern ausgeklügelte Logistik.

Von Ralf Scharnitzky

Sie müssen in diesen Tagen früh mit der Arbeit beginnen. Da ist es sogar im Sommer noch dunkel. Die Lichter an den Schälmaschinen müssen den Weg weisen. Um vier Uhr morgens beginnt die Ernte, drei Stunden früher als sonst. "Das ist ganz schön stressig für unsere Mitarbeiter", sagt Günther Schwab. Aber es ist nun mal Hochsaison, Anfang Juni. Und es ist trocken und heiß. Zu trocken und zu heiß, um wie üblich erst um 7 Uhr anzufangen.

Denn die Ware ist leicht verderblich, muss feucht und kühl auf die Lastwagen. Um noch möglichst frisch zu sein, wenn sie wieder ausgeladen wird - in Stadien, auf Golfplätzen, Freibädern oder öffentlichen Grünanlagen in Süd- und Mitteleuropa. Aber auch in vielen Klein- und Hausgärten. Auf den Feldern zwischen Neuburg an der Donau und Schrobenhausen, in erster Linie bekannt für seinen Spargel, wächst auf mehr als 250 Hektar Fläche Rollrasen. 60 verschiedene Sorten baut die Schwab Rollrasen GmbH hier an.

80 Lkw-Ladungen mit fünf Hektar Profi-Sportrasen

"Der Bauer muss täglich sehen, wie es auf den Feldern wächst." - "Mir reicht es, wenn ich den Rasen sehe, wenn er ausgeliefert wird." Zwei Zitate, zwei erfolgreiche Geschäftsmänner. Der 39-jährige Walter Schwab steht der kompletten Rollrasenproduktion vor. Günther Schwab, 42, zeichnet verantwortlich für die Bereiche Vertrieb, Handel und Dienstleistung.

World Cup 2014 - Fanfest Alte Försterei

Berliner Fußballfans jubeln beim Public Viewing während der WM im Stadion Alte Försterei in Köpenick auf bayerischem Rasen.

(Foto: dpa)

Die beiden Brüder haben die 25-Mann-Firma zum Jahresanfang von ihrem 66 Jahre alten Vater Horst, der den Familienbetrieb 1969 gegründet hat, übernommen - und gleich den größten Auftrag der Firmengeschichte an Land gezogen: 80 Lkw-Ladungen mit fünf Hektar Profi-Sportrasen für vier Spielbahnen auf einem Golfplatz in der Schweiz; auf über 1500 Metern Seehöhe. Erreichbar nur über eine Serpentinen-Straße. "Eine schwierige Logistik", sagt Günther Schwab.

Eigentlich ist es immer eine Herausforderung, Rollrasen zu ernten, zu transportieren und wieder zu verlegen - innerhalb von 24 Stunden. In Ausnahmefällen auch mal 48 Stunden, wie bei dem Auftrag aus der Schweiz. Denn das Gras - auf dem Feld feucht, grün und mit dem Geruch nach purer Natur - ist nach der Ernte für jeden Spediteur ein Albtraum: "Es ist voluminös und unhandlich. Und man macht sich dreckig", sagt Günther Schwab.

50 000 Quadratmeter Rasen für Crans Montana, wo im September die Omega European Masters stattfinden - ein wirklich großer Auftrag. Für ein Fußballstadion werden im Schnitt 8000 Quadratmeter gebraucht. Von der Münchner Allianz Arena bis hin zu Stadien in Turin, Prag und Athen: In zahlreichen Ländern sind Fußball-Profis schon auf dem Rasen aus dem oberbayrischen Waidhofen aufgelaufen. Etwa 500 Mal haben die Schwabs innerhalb der vergangenen 20 Jahre für die richtige Spielunterlage in den Fußballigen aller Herren Länder gesorgt.

"Was bis Mittag bestellt ist, wird am nächsten Tag geliefert und verlegt."

Auch für den Rasentausch in einem Stadion werden die Rasenrollen in aller Früh geschält und verladen - 2,20 Meter breite und 20 Meter lange Jumbo-Rollen in 20 Lastwagen; Gesamtgewicht 500 Tonnen. Bei weiten Strecken - beispielsweise nach Italien oder Frankreich - müssen Grenzabfertigung und Fahrerwechsel so geplant sein, dass der Rasen möglichst kurz, niemals jedoch länger als zwei Tage unterwegs ist. Am Ziel verlegt ein bis zu sechs Mann starker Trupp die Bahnen - und innerhalb von vier Tagen ist das Feld bespielbar.

Rund ein Drittel des Geschäfts macht bei Schwab der Sport- und Freizeitrasen aus. Er wird auf 80 Hektar in Haid am Rain bei Schrobenhausen angebaut. Der dortige Sandboden ist ideal für belastbaren Profi-Rasen, Abschlagsrasen oder Spiel- und Gebrauchsrasen. Die Rasenmischungen für die Privatgärten wachsen auf 180 Hektar humusreichem Boden im Donaumoos bei Karlskron: vom robusten Hitze-, Halbschatten- oder Trockenrasen bis zu den feinen Zierrasen mit zum Beispiel einer weltweit einzigartigen Wildblumenmischung sowie die Duft- und Kräuterrasen.

Rollrasen aus Bayern: Rund ein Drittel des Geschäfts macht bei Schwab der Sport- und Freizeitrasen aus. Er wird auf 80 Hektar in Haid am Rain bei Schrobenhausen angebaut. Der dortige Sandboden ist ideal für belastbaren Profi-Rasen, Abschlagsrasen oder Spiel- und Gebrauchsrasen

Rund ein Drittel des Geschäfts macht bei Schwab der Sport- und Freizeitrasen aus. Er wird auf 80 Hektar in Haid am Rain bei Schrobenhausen angebaut. Der dortige Sandboden ist ideal für belastbaren Profi-Rasen, Abschlagsrasen oder Spiel- und Gebrauchsrasen

Um dieses Hauptgeschäft abzuwickeln reicht es bei normalen Temperaturen, wenn die Mitarbeiter um sieben Uhr anfangen. Das ehrgeizige Ziel von Günther Schwab im süddeutschen Raum dabei: "Was bis Mittag bestellt ist, wird am nächsten Tag geliefert und verlegt." Bevor geerntet wird, steht die Logistik, die Route ist ausgearbeitet und die Lkw bei Speditionen sind bestellt.

Den gestressten Rasen wieder aufpäppeln

6000 Quadratmeter in der Stunde schafft die große, selbst entworfene 320 000 Euro teure Erntemaschine. Dafür stehen die Rasenbahnen, ab einer Breite von 40 Zentimetern, am Ende vollautomatisch auf einer Palette verpackt zum Abtransport bereit.

Doch bis es so weit ist, haben die verschiedenen Sorten intensivste Pflege hinter sich - oder manchmal auch nicht. Da sieht man dann schon mal statt sattem Grün verfilzte Flächen, zerrupfte Halme. "Gestresster Rasen" nennt der Experte das. Der Hobbygärtner würde nach dem Ansäen seines Rasens bei einem solchen Anblick wohl die Krise kriegen und an seinem grünen Daumen zweifeln.

Dabei sei der Stress gut, sagt Günther Schwab: "Der Rasen kämpft ums Überleben, wird dadurch widerstandsfähiger." Man muss dann halt nur wissen, wie es danach weiter geht, wie man den Gestressten wieder aufpäppelt: "Wenn die Flächen rechtzeitig wieder gehegt und gepflegt werden, gibt es bis zur Ernte einen Prachtrasen."

Das Familienunternehmen, in dem die beiden Brüder bereits seit zehn Jahren mitarbeiten, läuft gut. Von einem "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" sprechen die Schwabs nach dem Jahresumsatz gefragt. Etwa 25 000 Quadratmeter Rollrasen verlassen in der Hochsaison im Mai und Juni pro Tag den Verladehof auf dem Gut bei Waidhofen. Im Saisondurchschnitt (März bis Oktober) sind es 15 000. Bauer Walter Schwab könnte noch mehr anbauen: "Aber das Pachtland ist rar."

Viele Äcker werden wechselweise mit Spargelbauern genutzt

Und die Felder können auch nicht jedes Jahr mit Rasen bepflanzt werden, damit die Böden regenerieren können. Deshalb werden viele Äcker wechselweise mit Spargelbauern genutzt. Günther Schwab sieht sein Unternehmen in einer "traumhaften Position". Im Privatgartenmarkt, den sich etwa 40 Firmen teilen, ist noch viel Luft nach oben: Während in den USA in etwa 95 Prozent der Gärten Rollrasen liegt, ist es in Deutschland nur jeder fünfte. Schwab: "Da wird sich sicher zu unseren Gunsten was verändern." Im Sportrasen-Bereich, in dem es vier Mitbewerber gibt, gilt Schwab als geschätzter Partner.

Auch beim 1. FC Union Berlin. Dort findet derzeit das wohl ungewöhnlichste Public Viewing in Deutschland während der Fußball-Weltmeisterschaft statt: Im Stadion Alte Försterei in Köpenick stehen 750 Sofas vor einer riesigen Videoleinwand - auf dem Rollrasen von Schwab. Nach der WM gibt's dann neue Rollen aus Waidhofen, damit der Ball wieder rund läuft.

Die Mitarbeiter von Schwab, zumeist gelernte Maurer, Metzger, Zimmerer und Schlosser aus der Region, können die WM entspannt daheim verfolgen. Die Temperaturen sind jetzt kühler, seit ein paar Tagen ist erst wieder um 7 Uhr Erntebeginn. Da sind auch Anstoßzeiten von 21 und 24 Uhr zu verkraften.

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