Süddeutsche Zeitung

Riskante Finanzgeschäfte in Landsberg:2,5 Millionen Euro verzockt

Landsbergs Kämmerei soll mit Termingeschäften spekuliert und dabei mehrere Millionen Euro in den Sand gesetzt haben - ohne Wissen des Oberbürgermeisters. Nun könnten auf die Stadt weitere finanzielle Verluste zukommen.

Hans Kratzer und Mike Szymanski

Die Stadt Landsberg erlebt ausgerechnet am Jahresende eine unliebsame Überraschung. In der Stadtratssitzung am Mittwoch kam ans Licht, dass die Verwaltung durch riskante Finanzgeschäfte offenbar etwa 2,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Die städtische Kämmerei soll ohne Wissen des Oberbürgermeisters und des Stadtrats mit sogenannten Derivaten gehandelt und dabei Geschäfte abgewickelt haben, die weder vom Kommunalrecht noch von einem Stadtratsbeschluss gedeckt waren.

Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) hatte bereits im vergangenen Frühjahr von den riskanten Aktionen Wind bekommen und eine Wirtschaftskanzlei beauftragt, die Vorgänge zu überprüfen. Die Kanzlei kam zu dem Ergebnis, dass die von der Stadt Landsberg abgeschlossenen Verträge über Finanzderivate kommunalrechtlich nicht zulässig waren. Sie beruhten außerdem auf der fehlerhaften Beratung einer Münchner Bank, mit der die Stadt bereits im Gespräch sei, sagte Lehmann, nachdem er den Stadtrat über das Debakel informiert hatte.

Gleichzeitig erklärte der OB: "Ich will, dass der gesamte Vorgang lückenlos aufgeklärt wird, alle Fakten müssen auf den Tisch."

Im November 2004 hatte der Stadtrat die Verwaltung ermächtigt, "zur Steuerung und Optimierung der bestehenden Kredite und Darlehen" moderne Finanzinstrumente einzusetzen. Jene Derivate, wie die Stadt Landsberg sie daraufhin abgeschlossen hat, sind vergleichbar mit Wetten auf die Zukunft. Es handelt sich um Termingeschäfte, deren Wert abhängig ist von der zukünftigen Entwicklung von Zinssätzen, Aktienkursen oder Preisen von Wirtschaftsgütern.

Nach ihrem ursprünglichen Sinn setzen Unternehmen sie ein, um sich gegen Kurs-, Zins- oder Währungsrisiken abzusichern. Allerdings sind solche Termingeschäfte spekulativ, sie bergen viele Risiken. OB Lehmann sagt, dem Stadtrat und ihm seien derlei Geschäfte aus den Jahren 2008 und 2010 nicht zur Mitzeichnung vorgelegt worden. Um ihre Haushaltslage zu verbessern, hatten sich seinerzeit zahlreiche Städte und Kommunen zu solchen Finanzanlagen hinreißen lassen und damit, wie jetzt Landsberg, eine Menge Geld verspielt. Allein die Stadt Pforzheim verlor mit spekulativen Finanzgeschäften 57 Millionen Euro.

Da im Falle Landsberg ein Teil der Zinstauschgeschäfte noch bis ins Jahr 2034 läuft, könnten auf die Stadt noch weitere finanzielle Verluste zukommen. Dieses Debakel erhöht nun auch den Druck auf den Oberbürgermeister, der seit seinem Amtsantritt im Mai 2000 bestrebt ist, Landsberg ein stärkeres Profil zu verpassen: "Wir sind mehr als ein Satellit von München". Bei der OB-Wahl am 11. März 2012 will er abermals antreten.

Lehmann erklärte, er werde mit aller Kraft für eine Verminderung des Schadens sowie für eine vollständige Klärung des Sachverhalts kämpfen. "Ich stehe zu meiner politischen Verantwortung für alle Vorgänge innerhalb der Verwaltung." Doch schon bläst ihm der Gegenwind ins Gesicht. Laut Stadtrat Ludwig Hartmann wollen die Grünen in der nächsten Stadtratssitzung beantragen, dass auch gegen den OB selst ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden soll. Das Controlling in der Stadtverwaltung funktioniere schlichtweg nicht, dafür trage auch Lehmann die Verantwortung. Das könne der Oberbürgermeister nicht allein auf den Kämmerer abwälzen.

OB Lehmann hat indessen die Landesanwaltschaft mit der Prüfung beauftragt, ob ein Disziplinarverfahren gegen den Kämmerer einzuleiten ist.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2011/afis
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