"Riesending" im Berchtesgadener Land:In der tiefsten Höhle Deutschlands

Rettungseinsatz für Höhlenforscher

Ein Mitglied der Bergwacht seilt sich am Untersberg in die Riesending-Schachthöhle ab. In rund 1000 Metern Tiefe sitzt hier ein schwer verletzter Mann fest.

(Foto: Leitner, BRK BGL/dpa)

Canyons und unterirdische Seen, Wasserfälle und Höhlenwinde, Schächte und Säle: Erst 1996 wurde die Höhle "Riesending" im Berchtesgadener Land entdeckt. Nun sitzt ein verletzter Forscher in 1000 Metern Tiefe fest. Die Rettungsaktion ist äußerst schwierig.

Von Martina Scherf

"Das ist ja ein Riesending", entfuhr es Hermann Sommer, als er mit seinem Kameraden Ulrich Meyer 1996 die tiefe Spalte im Untersberg im Berchtesgadener Land entdeckte. Die beiden Höhlenforscher aus Bad Cannstatt waren mit der Außenvermessung des Berges beschäftigt und nicht darauf vorbereitet, weiter ins Innere vorzudringen, zumal das untere Ende des Spaltes durch herabgefallene Steine versperrt war. So blieb es zunächst bei Erkundungen des Eingangsschachtes bis etwa 30 Meter.

Doch der Name der Höhle war geboren: Riesending, denn dass sich darunter noch mehr verbarg, davon gingen die Höhlenforscher aus. Dass sie die tiefste Höhle Deutschlands entdeckt hatten, war ihnen damals allerdings noch nicht klar.

Erst sechs Jahre später, im Sommer 2002, begaben sie sich auf eine gezielte Exkursion an den Untersberg bei Marktschellenberg, kurz vor der Grenze nach Österreich. Es war ein verregneter Sommer, andere Reviere waren wegen starken Hochwassers unzugänglich, so begannen die beiden, die losen Steine aus der Spalte zu räumen und sich weiter abzuseilen. Sie staunten nicht schlecht, als sie nach einigen kürzeren Abstiegen einen gewaltigen Schacht entdeckten, der bis auf 300 Meter Tiefe hinabreichte.

Von Jahr zu Jahr arbeiteten sie sich weiter vor und errichteten mehrere Biwaks, in denen sie Ausrüstung deponierten, Schlafsäcke, Ersatzlampen, Spezialseile, Tauchgerät. Bei einer Begehung kam es dabei zu einer gefährlichen Situation: Einem Wassereinbruch in einem Schacht entkamen zwei Höhlengänger nur knapp.

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Canyons und unterirdische Seen erwarten die Forscher im Inneren des Untersberges. Wasserfälle und Höhlenwinde fordern sie heraus, gewaltige Schächte wechseln sich mit riesigen Sälen ab. Es gibt zahlreiche Engstellen, durch die man sich hindurchzwängen muss. 19,2 Kilometer Länge sind bisher erforscht, auf 1148 Meter Tiefe drangen die Höhlenforscher seither vor. Für sie ist das Riesending ein Musterbeispiel für die Entstehung der Hohlkammern in den nördlichen Kalkalpen. Große Mengen Sedimente lassen Rückschlüsse auf die eiszeitlich bedingte Höhlenbildung zu: Der Untersberg war von allen Seiten von kleineren und größeren Gletscherströmen umgeben. Mit dem Rückzug des Gletschers zum Ende der Eiszeit sank der Wasserspiegel.

Anders als etwa in einem Bergwerk, wo die Temperatur mit der Tiefe - also mit zunehmender Nähe zum Erdkern - steigt, sorgen die Wasserströme in der Naturhöhle für ständige Kälte. Die Temperatur in 920 Metern Tiefe, also etwa dort, wo Johannes W . verunglückt ist, liegt auch im Sommer nur bei etwa vier bis fünf Grad. Dort, in einer großen Halle, haben die Forscher Biwak fünf aufgeschlagen. Der Lehmboden ist rutschig, das Gelände fällt in eine Schlucht ab, aus der immer wieder dichte Nebelschwaden aufsteigen.

In der Nähe befindet sich auch ein wasserdurchtoster Monsterschacht. Dieser vereinigt sich unter der Sohle des Hauptganges mit dem Nebelschacht und "gemeinsam ziehen sie als große Röhre senkrecht weiter in die Tiefe", schreiben die Bad Cannstatter Forscher in ihrem letzten Bericht. Was treibt sie an? "Es ist die Faszination, einen weißen Flecken auf der Landkarte zu entdecken", sagt Matthias Leyk von der Höhlenrettung in Stuttgart, "einen Fuß auf ein Stück Erde unter Tage zu setzen, auf dem noch kein anderer war".

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