Revolution in Bayern 1918:Hoch die Republik!

Lesezeit: 3 min

Das bayerische Königreich bricht in der Nacht zum 8. November 1918 ohne nennenswerte Gegenwehr zusammen - es war nur noch ein marodes Gebilde, das sich überlebt hatte.

Wolfgang Görl

Als München am Morgen des 8.November 1918 erwacht, flattern rote Fahnen über der Frauenkirche, und überall kleben Plakate mit der Aufschrift: "Volksgenossen! Um nach jahrelanger Vernichtung aufzubauen, hat das Volk die Macht der Zivil- und Militärbehörden gestürzt und die Regierung selbst in die Hand genommen.

Der Anfang vom Ende der Monarchie: Zehntausende Münchner demonstrieren gegen den Krieg. Stunden später proklamiert Eisner die Republik. (Foto: Foto: BSB)

Die Bayerische Republik wird hierdurch proklamiert. Die oberste Behörde ist der von der Bevölkerung gewählte Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat, der provisorisch eingesetzt ist, bis eine endgültige Volksvertretung geschaffen werden wird. Er hat gesetzgeberische Gewalt. Die ganze Garnison hat sich der republikanischen Regierung zur Verfügung gestellt. Generalkommando und Polizeidirektion stehen unter unserem Befehl. Die Dynastie der Wittelsbacher ist abgesetzt. Hoch die Republik! Der Arbeiter- und Soldatenrat. Kurt Eisner."

Keine Gewaltorgien, keine Guillotine

Der Schriftsteller Josef Hofmiller notiert in sein Tagebuch: "München war als Hauptstadt des Königreichs Bayern zu Bett gegangen, um als Hauptstadt des bayerischen Volksstaates zu erwachen." Das klingt unspektakulär, so als sei die Revolution, die eines der ältesten europäischen Herrschaftshäuser vom Thron fegte, das Werk eines Zauberers, der über Nacht das Land verwandelt.

So wundersam friedlich ist es in den Tagen des Umsturzes nun doch nicht zugegangen, aber es waren auch keine Gewaltorgien oder die Guillotine notwendig, um die bayerische Monarchie zu stürzen. Ohne nennenswerte Gegenwehr brach das Königreich zusammen - ein marodes Gebilde, das sich überlebt hatte.

Am Nachmittag des 7.Novembers hatte sich König LudwigIII. noch im Englischen Garten ergötzt, wenig später trafen die ersten beunruhigenden Nachrichten ein, und noch in der Nacht machte sich der Monarch in Richtung österreichischer Grenze aus dem Staub. Am nächsten Tag teilte man ihm mit, sein Königreich sei nunmehr Republik.

Es gärte im Land

Ludwig III. und seine Regierung hatten abgewirtschaftet, und zwar so gründlich, dass weder die konservativen Bauern noch das städtische Bürgertum für die Wittelsbacher in die Bresche sprangen. Der Krieg hatte die Menschen demoralisiert, die Nahrung war knapp oder unbezahlbar, es gab keine Kohlen, kein Holz, die Bauern litten unter den restriktiven Vorschriften der Kriegswirtschaft, und die militärische Lage war aussichtslos.

Der König aber, so sahen es die Leute, tat nichts für sie, man warf ihm vor, sich mehr um seine landwirtschaftlichen Betriebe als um sein Volk zu kümmern - und überhaupt: Er liefere Bayern an Preußen aus. Es gärte im Land, und am heftigsten kochte die Wut in München.

Am Nachmittag des 7.November versammeln sich 50.000 Menschen auf der Theresienwiese, um gegen die Fortsetzung des Krieges zu demonstrieren. Zur Friedenskundgebung aufgerufen hatten die SPD und deren radikale Abspaltung, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD). Kommunistisch gesinnte Arbeiter sind dabei, meuternde Soldaten und Matrosen, aber auch Menschen aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen, die es satt haben, in einem aussichtslosen Krieg weitere Opfer zu bringen.

Einer der Redner ist Kurt Eisner, der Kopf der Münchner USPD. Eisner stammt aus Berlin, er arbeitet als Journalist für die Münchner Post, und schon seit Jahren agitiert er gegen die deutsche Kriegspolitik. Er ruft die Leute zum Handeln auf, und am Ende der Rede, so berichtet der Schriftsteller Oskar Maria Graf, schreit einer seiner Gefolgsleute: "Genossen! Unser Führer Kurt Eisner hat gesprochen.

Es hat keinen Zweck mehr, viele Worte zu verlieren. Wer für die Revolution ist, uns nach!" Der Demonstrationszug zieht von Kaserne zu Kaserne, die meisten Soldaten schließen sich den Aufständischen an. Bis 21 Uhr sind alle Kasernen, bis 2 Uhr nachts alle wichtigen Gebäude der Stadt besetzt. Am Abend konstituiert sich im Mathäserbräu der Münchner Arbeiter- und Soldatenrat.

"Rache an den Roten"

Gegen 22 Uhr marschieren die Mitglieder des Rats zum Landtagsgebäude in der Prannerstraße, wo Eisner die Republik ausruft. Schon am nächsten Tag stellt er sein Kabinett vor, und er hält eine Rede vor dem "Provisorischen Parlament der Republik Bayern": "Wir haben in den letzten Tagen in wenig Stunden gezeigt, wie man Geschichte macht, wie man Tatsachen, revolutionär für alle Zukunft, schafft. Keiner von Ihnen wird heute, welche Anschauung er immer haben mag, des törichten Glaubens sein, dass der Strich, den wir in einer friedlichen Erhebung unter die gesamte Vergangenheit des bayerischen Staatslebens gemacht haben, jemals wieder aufgehoben werden könnte. Und wenn Sie vielleicht den Eindruck gehabt haben, dass diese radikale Umgestaltung der bayerischen Verfassung und des gesamten Lebens etwas anarchistischen Eindruck machen könnte, so ist das auch nur ein Missverständnis des Augenblicks."

Die Landtagswahl am 12.Januar 1919 wird für Eisner und seine USPD zum Debakel. Als er am 21.Februar seinen Rücktritt erklären will, wird er auf dem Weg zum Landtag von Anton Graf Arco auf Valley, einem Offizier des alten monarchisch-militaristischen Systems, erschossen. Es folgen Machtkämpfe, die Proklamierung der ersten und zweiten Räterepublik und schließlich der blutige Terror, mit dem die Reichstruppen und Freikorps Rache an den Roten nehmen.

© SZ vom 07.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ausbruch des Ersten Weltkrieges
:Wie der Krieg das Königreich Bayern überraschte

Ein trügerischer Sommer: Bayerns Bauern haben 1914 wegen der Hitze Angst vor einer Dürre, die Landespolitik verfolgt das Weltgeschehen arglos. Erst Ende Juli begreifen die Menschen, dass der Frieden vorbei ist.

Von Hans Kratzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: