Retter der Würzburger Residenz 1945:Ein Dach für Tiepolo

Wie der vor hundert Jahren geborene US-Offizier John D. Skilton bei Kriegsende die Schätze der Würzburger Residenz für die Nachwelt bewahrte.

Hans Kratzer

Am Abend des 16.März 1945 nahmen 230 alliierte Bomber Kurs auf Würzburg, und nur wenige Minuten später lag die historische Altstadt in Schutt und Asche. "Würzburg ist nicht mehr!", schluchzte der damalige Oberbürgermeister Pinkenburg tief erschüttert.

Würzburg Deckengemälde Giovanni Battista Tiepolo  ddp

Weltrekord in Würzburg: Das Deckengemälde von Giovanni Battista Tiepolo gilt als das Größte

(Foto: Foto: ddp)

Auch aus der Residenz war eine Ruine geworden, vollständig zerstört aber war sie nicht. Der Bau zählte zu den glanzvollsten Fürstenhöfen in Europa und zu den bedeutendsten architektonischen Schöpfungen des Barockzeitalters. Kunstgelehrte nennen die Würzburger Residenz im gleichen Atemzug mit Versailles und dem Habsburgerkasten Schönbrunn bei Wien.

Die Bomberpiloten nahmen auf das wertvolle Kulturerbe allerdings keine Rücksicht. Dass unersetzliche Schätze wie Tiepolos Fresken dennoch gerettet wurden, ist einem kunstsinnigen amerikanischen Offizier zu verdanken, an den man sich in diesen Tagen in Würzburg gerne erinnert. Am 28. Februar 2009 wäre John Davis Skilton, der sich um die Erhaltung der Würzburger Residenz außergewöhnliche Verdienste erworben hat, hundert Jahre alt geworden.

Der damals 36-jährige US-Offizier aus Connecticut war am 18. Juni 1945 in Würzburg gelandet, also nur drei Monate nach der verheerenden Bombardierung vom 16. März. Die zerstörte Altstadt berührte ihn tief, ebenso die Residenz, die anstatt von Dächern nur noch von ausgebrannten Gerippen bedeckt war.

Die von Balthasar Neumann erbauten Gewölbe über dem Treppenhaus, dem Kaisersaal, dem Weißen Saal und der Hofkirche waren ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Die wertvollen Deckenfresken von Giovanni Battista Tiepolo und die Stuckaturen von Antonio Bossi hatten zwar den Bomben standgehalten, drohten aber jetzt schutzlos und durchfeuchtet unwiederbringlich verlorenzugehen.

Das Glück eines regenarmen Sommers

Es war ein Glück, dass es im Juni und im Juli 1945 kaum regnete, aber jeder sah, dass kommender Regen und Frost das Mauerwerk alsbald sprengen würden. Skilton vergaß, dass er im Feindesland stand.

Als Kunsthistoriker und Mitarbeiter der Nationalgalerie in Washington kannte er die Bedeutung der fürstbischöflichen Residenz und ihre einzigartige Innenausstattung. Der Kunstschutzoffizier wusste, dass die Kunstwerke sofort gesichert und das Gewölbe gegen Feuchtigkeit geschützt werden mussten.

Doch das war in jenen Tagen der Not und des Elends leichter gesagt als getan. Selbst für provisorische Notdächer fehlte jegliches Baumaterial. Holz, Dachpappe und Zement zu beschaffen, war damals selbst für einen Angehörigen der amerikanischen Militärregierung nahezu unmöglich.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie US-Offizier Skilton ausreichend Holz für den Schutz der Würzburger Kunstwerke organisierte.

Ein Dach für Tiepolo

Skilton aber brauchte ungeheure Holzmengen. "in normalen Zeiten wäre es schon keine leichte Sache gewesen, aber unter den jetzigen Umständen - ohne Transportmöglichkeiten, alle Brücken gesprengt, die öffentlichen Versorgungsbetriebe außer Betrieb - schien es beinahe töricht, sich an eine solche Aufgabe heranzuwagen" schrieb Skilton später in seinen Erinnerungen ("Memoirs of a Monuments Officer: Protecting European Artworks".

Retter der Würzburger Residenz 1945: Ehrung für den Retter der Würzburger Residenz: Das Archivfoto von 1976 zeigt John Davis Skilton (links) und den ehemaligen Staatssekretär Albert Meyer.

Ehrung für den Retter der Würzburger Residenz: Das Archivfoto von 1976 zeigt John Davis Skilton (links) und den ehemaligen Staatssekretär Albert Meyer.

(Foto: Foto: oh)

Sämtliche Sägewerke und Holzvorräte in der Umgebung waren unter Kontrolle einer US-Pioniertruppe, die allein das Heer beliefern durfte und jede Bitte um Holz für nichtmilitärische Zwecke ablehnte.

Dann setzte auch noch schwerer Regen ein, die Kunstwerke mussten mühsam mit Resten von Dachpappe geschützt werden, junge Würzburger schleppten das Wasser eimerweise aus der Residenz. In der US-Army fand Skilton kaum Unterstützung. Warum sollte man deutsche Kunstschätze retten, sagten seine Landsleute.

Aber auf abenteuerliche Weise, unter Umgehung des Dienstweges und mit großer Bauernschläue und Beharrungsvermögen beschaffte Skilton genügend Holz, um die besonders gefährdeten Teile der Residenz mit notdürftigen Dächern gegen Wind und Regen zu schützen.

Am 6. September 1945 fand sogar ein kleines Richtfest im Gartensaal statt, und auch hier zeigte Skilton sein Organisationstalent, indem er mitten im Hungerland Brot und Leberwurst organisiert hatte.

Zeitlebens eine enge Verbindung

Als Skilton am 16. Oktober 1945 Würzburg verließ, hatte er den baulichen Grundstock für den Wiederaufbau der Residenz gelegt. Der Stadt blieb er zeitlebens eng verbunden. Später erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Die Bayerische Schlösserverwaltung ehrt John D. Skilton, der am 22. Januar 1992 starb, in diesen Tagen mit dem Hinweis, dass er der Welt mit der Rettung der Räume von Neumann, Tiepolo und Bossi ein einzigartiges Kunstwerk erhalten habe: Seit 1981 zählt die Würzburger Residenz zum Weltkulturerbe der Unesco.

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