Rettenberg:Streit um Pläne für den Grünten neu entfacht

Lesezeit: 3 Min.

Naturschützer laufen Sturm gegen Lift- und Gastronomiepläne am Grünten. In Rettenberg hofft man dagegen auf die Wiederbelebung des Tourismus.

Von Florian Fuchs, Rettenberg

Eine neue Sesselbahn mit Zehner-Kabinen, eine neue Gastronomie auf dem Berg und eine Talstation mit Parkhaus. Die Investorenfamilie Hagenauer hat ihre Pläne für den Grünten eingereicht, sie sind bis 16. September im Landratsamt Oberallgäu ausgelegt. Der Streit um den Umbau am Grünten, der vor Ausbruch der Corona-Krise zu so etwas wie dem Symbol der Diskussion über den Tourismus im Allgäu geworden war, ist neu entfacht. Bund Naturschutz (BN) und die Bürgerinitiative "Rettet den Grünten" laufen Sturm gegen die Pläne der Unternehmerfamilie. Sie beklagen einen zu massiven Eingriff in die Natur.

"Natur. Genuss. Berg" lautet das neue Motto der Investoren, so ist es auf der Homepage der Grünten-Lifte zu lesen, auf die die Betreiberfamilie verweist. Anja Hagenauer teilt auf Anfrage mit, dass die Familie darüber hinaus keine Stellungnahmen mehr zum Projekt abgeben wolle, stattdessen habe sie vor längerer Zeit "den Weg der Zurückhaltung in der Öffentlichkeit" gewählt. Laut Präsentation und eingereichten Unterlagen sollen am Berg mehrere Liftanlage rückgebaut und durch neue ersetzt werden.

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Eine neue Wegführung soll die Besucherlenkung optimieren und so die Natur schonen. Das Parkhaus an der Talstation soll 315 Stellplätze bereithalten, die Mittelstation soll sich wie alle anderen Gebäude an die Umgebung anpassen, unter anderem mit einer Dachbegrünung. An der geplanten Bergstation sowie in der neu konzipierten Grüntenhütte wird es Essen und Trinken geben. Einheimische und Gäste, heißt es in den Plänen, würden informativ und pädagogisch für die Allgäuer Natur sensibilisiert. Ein Schlechtwetterangebot ziehe ein breites Publikum an.

Unter anderem hier haken die Naturschützer ein: Sie befürchten, dass vor allem Tagestouristen angelockt werden und prophezeien, dass der Ausbau für die Wintersaison nicht zukunftsfähig sei und mittelfristig ohnehin eingestellt würde zugunsten eines Sommerbetriebs. Damit, so kritisiert unter anderem BN-Regionalreferent für Schwaben, Thomas Frey, "besteht hier ganz besonders die Gefahr für einen neuen Freizeitpark am Rand der Alpen." Frey findet es zum Beispiel schwierig, dass im Schutzwald eine neue Lifttrasse angelegt werden soll. Auch dass im Landschaftsschutzgebiet ein Parkhaus entstehen soll, lehnt der Bund Naturschutz ab. In Rettenberg gebe es seit Jahren eine heftige Diskussion über eine Ortsumfahrung, die öffentliche Anbindung dort sei "eine Katastrophe". Der Ort am Fuß des Grünten werde mit den neuen Anlagen ein großes Verkehrsproblem bekommen.

Die Bürgerinitiative schreibt in einer ausführlichen Stellungnahme, dass das Vorhaben aus Natur-und Klimaschutzperspektive "in höchstem Maße abzulehnen" sei. Geplante Umweltprojekte wie eine Schauimkerei seien "Greenwashing". Auf einer Höhe von 1500 Metern sei auf absehbare Zeit kein Skibetrieb mehr möglich. Ein neuer Schneiteich mit 40 000 Kubikmeter Fassungsvermögen sowie mehr als 100 neue Schneischächte sollen deshalb Schneesicherheit vorgaukeln. Alleine in den vergangenen vier Jahren sei es im Ort dreimal zu Hochwasser gekommen, mit Schäden in Millionenhöhe. Die für die Neuplanungen unabdingbaren Rodungen von Schutz- und Bannwald und die Versieglungen von Bodenflächen wären kaum hilfreich, schreiben die Kritiker, um weitere Schadensereignisse zu verhindern.

Als einen "schier unglaublichen Tritt in den Allerwertesten der Natur" bezeichnen die Kritiker die Planungen. Der mehrmals wöchentlich stattfindende Nachtbetrieb im Zuge einer Eventgastronomie bei zum Beispiel Hochzeiten oder Geburtstagen auf der Grüntenhütte seien das I-Tüpfelchen. Die Zunahme von Lärm- und Abgasbelastungen sei die Folge. In das Projekt würde Steuergeld in erheblichem Umfang fließen, die heimische Wirtschaft würde allerdings nicht nachhaltig gestärkt. Höchstens noch Handwerkerbetriebe könnten in der Bauphase profitieren. Darüber hinaus bezweifeln die Vertreter der Bürgerinitiative, dass Hotels und Gaststätten in Rettenberg und Umgebung profitieren würden. Vor allem Tagestouristen würden ihr Geld stattdessen in der Gastronomie der Unternehmerfamilie am Berg lassen.

Im Ort sehen das einige allerdings anders. Eine Initiative unterstützt die Investoren, und auch im Rathaus von Rettenberg verspricht man sich von der Neugestaltung der alten Anlagen am Grünten eine Wiederbelebung des Tourismus. Thomas Frey vom Bund Naturschutz argwöhnt, dass die Unternehmerfamilie den Winterbetrieb nun nur deshalb ausbaue, weil es von der Politik im Ort gewünscht werde. Sukzessive würde dann auf Sommerbetrieb umgestellt, wenn sich der Skibetrieb nicht mehr lohne. Mahnendes Beispiel ist ihm die Alpsee Bergwelt zwischen Rettenberg und Oberstaufen, die ebenfalls die Hagenauers betreiben. "Das war auch ein Skibetrieb, der vor Jahren komplett eingestellt wurde. Das Geld wird dort jetzt im Sommer verdient." Kletterwald und Spielplätze locken Familien an aus den Ballungsräumen München, Augsburg, Ulm und Stuttgart an.

Wann eine neue Bergwelt am Grünten gebaut werden könnte, ist offen. Mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht ist zu rechnen.

© SZ vom 06.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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