Restaurants im Gut Ising:Traum in Schaum

Chiemseefischer Florian Kirchmeier übergibt einen Waller an Rüdiger Linke

Bei Chiemseefischer Florian Kirchmeier holt sich Rüdiger Linke einen Waller ab.

(Foto: Günter Standl)

Blutampfer, Borretschblüten und Brunnenkresse: Auf Gut Ising am Chiemsee haben sich Gunnar Huhn und Rüdiger Linke mit regionaler Küche einen hervorragenden Ruf erkocht. Für ihre Zutaten müssen sie mitunter schwer arbeiten.

Von Stephanie Schmidt, Chieming

"Riechen sie mal, das hat einen schönen holzig-harzigen Duft", sagt Gunnar Huhn. "Das ist Olivenkraut, ich brauche es für meine Oliven-Emulsion mit Ziegenkäse", erklärt er bei einer Führung durch seinen Kräutergarten, der nur ein paar Schritte vom Restaurant entfernt liegt. Huhn ist Chefkoch des Gourmetlokals Usinga auf Gut Ising am nordwestlichen Ufer des Chiemsees. Das Dorf lockt Feinschmecker wie Naturfreunde an - von hier aus ist es nur eine Viertelstunde zu Fuß bis zum See.

In Huhns Kräutergarten wächst allerlei Ungewöhnliches - Ananas-Salbei, Blutampfer, eine Pflanze mit rot geäderten Blättern, und Erdbeeren namens "Mieze Schindler" - eine kleinwüchsige, aromatische Sorte. "Essbare Blüten sind ein schöner Eyecatcher", sagt Huhn und zeigt auf die sternförmigen, hellblauen Borretschblüten im Hochbeet. Wenn sein Kumpel, der Koch Rüdiger Linke, Brunnenkresse vom Fluss Traun für seine eigenen Gerichte holt, kann es gut sein, dass Huhn davon etwas abbekommt. Denn auf Gut Ising kann man zwei erstklassige Restaurants besuchen. Im selben Gebäude wie das feine Usinga, in dem maximal 23 Gäste verköstigt werden können, befindet sich auch das Lokal Goldener Pflug. Für dessen Speisekarte ist Linke zuständig.

Eine gemeinsame Maxime

Der 38-Jährige hat sich als Koch im Hotel Königshof und in Geisel's Vinothek in München sowie bei Heinz Winkler in Aschau einen Namen gemacht. Gunnar Huhn erkochte für die Hospiz-Alm in St. Christoph am Arlberg zwei Hauben - eine großartige Leistung, zumal der Feinschmecker-Führer Gault Millau maximal vier Hauben vergibt. Beide Spitzenköche sind kein bisschen überheblich. Sie lernten sich schon vor 23 Jahren in der Berufsschule kennen, gingen dann ihre eigenen Wege, bis Huhn, auch auf Vermittlung Linkes, im Jahr 2013 nach Gut Ising kam.

Restaurants im Gut Ising: Die beiden Köche haben eine gemeinsame Maxime: Saisonale Produkte aus der Region kommen frisch auf den Tisch.

Die beiden Köche haben eine gemeinsame Maxime: Saisonale Produkte aus der Region kommen frisch auf den Tisch.

(Foto: Günter Standl)

Linke und Huhn haben eine gemeinsame Maxime: Saisonale Produkte aus der Region kommen frisch auf den Tisch. Deshalb haben die Freunde enge Kontakte zu Lieferanten aus dem Chiemgau geknüpft. "Herr Huhn ist unser wichtigster Foodscout", sagt Linke über seinen Freund. Huhn besorgt Fleisch unter anderem beim Ederhof in Haag, der nach den Richtlinien von Naturland bewirtschaftet wird, bezieht Wildbret aus Schnaitsee, kauft bei der Wasserburger Biokäse Manufaktur ein, um nur ein paar Partner zu nennen. Das Starkbier der Privatbrauerei Truchtlaching namens Camba Imperial IPA verleiht Huhns kapriziösem Amuse-Guele mit Ochsenmaul und Moscardini (Baby-Kraken) ein "bisschen was Bayerisch-Beruhigendes", wie der Koch sagt. "Wir sind ständig dabei, unser Netzwerk auszubauen", berichtet der 43-Jährige.

Ganz nah am Gast

Die beiden Köche haben viele Gemeinsamkeiten, etwa die Passion, selbstgepflückte Kräuter und Blumen zu verarbeiten. Doch kocht jeder seine eigene Suppe, darauf legen sie Wert. Das Charakteristische bei Gunnar Huhn: Seine Kreationen erwecken Assoziationen an manche Kunstwerke des Malers Paul Klee - auf den Tellern prangen filigrane Kompositionen aus essbaren Dreiecken, Kreisen, Quadraten oder Linien in leuchtenden Farben.

Seine Aubrac-Rinderlende serviert Huhn mit Avocado - zubereitet in vier Varianten. Aber was ist ein Aubrac-Rind? "Die Kreuzung eines Alpenrinds mit einem Loire-Rind", erklärt er. Huhn möchte am Ende eines Abends detailliert von den Gästen wissen, wie ihnen die Speisen gemundet haben. "Gute Gastfreundschaft ist mir wichtig", sagt der gebürtige Dresdner mehrmals. "Die ,Mir-san-mir-Mentalität' ist in Bayern ausgeprägter als anderswo", fügt er hinzu - da wolle er gegensteuern.

"Die Münchner stehen auf vegan"

Restaurants im Gut Ising: Gut Ising liegt am nordwestlichen Ufer des Chiemsees.

Gut Ising liegt am nordwestlichen Ufer des Chiemsees.

(Foto: Günter Standl)

Linke, der ebenfalls aus Sachsen stammt, stimmt ihm zu. Er musste sich an den Chiemsee-Fischer Florian Kirchmeier aus Seebruck regelrecht heranpirschen, der heute zu den wichtigsten Lieferanten Gut Isings gehört. "Er hat zum Beispiel wunderbaren Renken-Matjes. Erst hab' ich schüchtern ab und zu einen Fisch gekauft, dann ist der Flo Kirchmeier nach und nach aufgetaut", erzählt er. Der Fischer habe erst einmal seine Skepsis angesichts all "der Großkopferten" überwinden müssen, die er auf Gut Ising vermutete.

Das gastronomisches Angebot der insgesamt vier Restaurants von Gut Ising, wo Linke bereits seit 2009 wirkt, hat er maßgeblich mitgestaltet. "Das Usinga ist unsere Krone. Meine Speisekarte ist nicht so fancy wie die des Usinga", sagt er. Im Goldenen Pflug kommt Bodenständiges, Authentisches auf den Tisch. Wie "Lachsforelle aus heimischen Gewässern mit Safranschaum, Kohlrabi und Chiemgauer Perl-Einkorn". Dieses Urgetreide schmecke sehr gut, wenn man daraus ein Risotto zubereite. Er wolle "die Welt nicht neu erfinden", sagt Linke.

Manchmal muss man schummeln

Sein Stil, das ist zum Beispiel Rehragout mit Mirabelle, Blaukraut und Topfenspätzle. "Bei den Mirabellen muss ich schummeln und stattdessen Aprikosen nehmen", erzählt der Koch. "Normalerweise hol' ich mir Mirabellen von einem Baum in Truchtlaching, ganz in der Nähe, aber dieses Jahr hat es mit der Ernte wegen des vielen Regens im Frühsommer nicht so funktioniert." Mit seinen Sojafleischpflanzerl mit leuchtend grüner Brennesselsauce und Gemüse-Gröstl will er dem Münchner Publikum gefallen: "Die Münchner stehen halt auf vegan, da bin ich ganz ehrlich."

Restaurants im Gut Ising: Linke und sein Kollege Gunnar Huhn (im Bild) kochen auf Gut Ising künstlerische Kreationen.

Linke und sein Kollege Gunnar Huhn (im Bild) kochen auf Gut Ising künstlerische Kreationen.

(Foto: Günter Standl)

Dass das Haus, in dem sich der "Goldene Pflug" befindet, früher ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude war, verrät das Schild an der Eingangstür: "Niedermayrhof, erstmals urkundlich erwähnt 1581, Lehen der Erzdiözese St. Peter in Salzburg" steht darauf. In der Mitte der Hauptgaststube, in der knapp 70 Gäste speisen können, steht eine historische Dreschmühle aus Holz. Das urige Ambiente des Goldenen Pflugs mit seinem Gewölbe aus dem 16. und 17. Jahrhundert und seinen Stuben passe gut zur Speisekarte, findet Linke.

Er ist zufrieden mit dem, was er bereits erreicht hat. Gunnar Huhn hingegen hat einen Stern im Visier. "Ich will da noch was rauskitzeln", verrät er. Vor Kurzem sei ein Tester des Guide Michelin da gewesen. Er besuchte allerdings den Goldenen Pflug, nicht das Usinga. Immerhin, das sei schon mal ein gutes Zeichen, bemerkt der Verwandlungskünstler. Dann geht Huhn wieder in seinen Kräutergarten, um dort etwas Spitzwegerich auszurupfen. Schließlich hat er Wichtiges vor: am Abend die Gäste zu verwöhnen.

Gut Ising

Wo heute Hotel Gut Ising mit seinem 2500 Quadratmeter großen Wellnessbereich liegt, siedelten einst die Kelten. Der Name Ising geht auf die "Villa Usinga" zurück, ein römisches Landgut. An ihm führte Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus die römische Handelsstraße von Augsburg nach Salzburg vorbei. Von Mitte des achten Jahrhunderts nach Christus bis zur Säkularisation 1803 unterstand der Weiler Ising der Salzburger Kirchenhoheit. Das Herz von Hotel Gut Ising bilden die Zwiebelturmkirche und mehrere, teils ineinander verschachtelte historische Gebäude. Auf dem 170 Hektar großen Gelände sind je nach Saison bis zu 140 Mitarbeiter beschäftigt. Häufig finden auf Gut Ising große Konferenzen statt, auch Hochzeiten werden hier gefeiert. Bis zu 350 Gäste auf einmal können bewirtet werden. Auf Gut Ising befinden sich auch das Landschulheim Schloss Ising, ein Golfplatz, ein international bekanntes Reitsport- und Polozentrum sowie ein Startplatz für Heißluftballonflüge. ssc

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