Museum für Bernd Eichinger:Ganz großes Kino in Rennertshofen

Bernd Eichinger Dies At 61

Pilgerstätte zu Ehren von Bernd Eichinger: In seinem Geburtsort sollen ein Kinomuseum mit Veranstaltungszentrum und Kino entstehen.

(Foto: Sean Gallup/Getty)
  • Im oberbayerischen Rennertshofen soll ein "Kinoseum" entstehen - ein Museum für Bernd Eichinger mit Veranstaltungszentrum und Kino.
  • Der Bürgermeister findet, das Projekt ist eine "tolle Sache", sieht aber Diskussionsbedarf.
  • Noch muss geklärt werden, wie das 2,2-Millionen-Projekt finanziert wird.

Von Stefan Mayr, Rennertshofen

München, Berlin oder Hollywood? Logisch, da könnte man sich eine Pilgerstätte zu Ehren des berühmten Kinomanns Bernd Eichinger vorstellen. Aber in Rennertshofen? In einem Nicht-mal-2000-Seelen-Örtchen? Mehr als 100 Kilometer von München entfernt? Irgendwo im Nirgendwo des oberbayerischen Landkreises Neuburg-Schrobenhausen?

Es ist schon ein sehr verwegener Plan, den sich eine Handvoll Männer aus Eichingers Kindheits-Kaff da in den Kopf gesetzt haben. So verwegen, dass er schon wieder gut ist. Und wie die Faust aufs Auge passt zum Leben des berühmtesten Sohnes des Dorfes. Ein "Kinoseum" wollen sie eröffnen in der beschaulichen Marktstraße. Ein Eichinger-Museum mit Veranstaltungszentrum. Und Kino.

Man könnte das Projekt auch Little Hollywood in Rennertshofen nennen. Oder: Leerstands-Management für Abenteurer. Zwischen dem Elektroladen "Meitner & Knoblach" und der Pilsstube "Willis Hütt'n" soll also ein überregional wirkender Magnet entstehen, der den verschlafenen Ort elektrisieren soll. Die Metzgerei gegenüber hat schon aufgegeben. Beim Leerstand daneben ist gar nicht mehr erkennbar, was da mal drin war. "Das Museum ist die Jahrhundertchance für Rennertshofen", sagt Klaus Keil.

Jahrhundertchance für das kleine Dorf?

Der Mann ist im Filmbusiness ein Großer, er war geschäftsführender Professor der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film sowie Intendant der Filmförderung der Länder Berlin und Brandenburg. Und er brennt für das Projekt: "Eichinger war ein Gigant", ruft er. "Mit seinem Museum wollen wir die jungen Leute anmachen. Sie sollen Filme machen, sehen, erleben, lernen." Der Professor weiß, was ein echter Cliffhanger ist: "Alleine Eichingers Geburtshoroskop ist der Hammer", erzählt er von seinem Lieblings-Exponat. "Das hat seine Mutter machen lassen und ist sehr erstaunlich." Mehr verrät er nicht. So sehr man auch bettelt, er zitiert keine einzige Silbe. Das soll bis zur Eröffnung so bleiben.

Spannend ist das, aber kann es überhaupt funktionieren? Ein Museum über den wichtigsten Filmemacher Deutschlands - tief versteckt in einem Landstrich, der touristisch nur eine Nebenrolle spielt? "Wir sind optimistisch", sagt Alfred Bircks, der Vorsitzende des Kulturhistorischen Vereins Rennertshofen. Er ist Gemeinderat, Unternehmer und Mitinitiator des Projekts. Vergangene Woche haben sie im Gemeinderat Bauplan, Ausstellungskonzept und Machbarkeitsstudie vorgestellt. "Unsere Unterstützer sind die Deutsche Kinemathek, die Katholische Universität Eichstätt und die Firma Constantin", sagt Alfred Bircks. Auch Witwe Katja Eichinger und Tochter Nina stehen hinter dem Projekt. "Wir finden das klasse und unterstützen das", sagt Katja Eichinger.

Der Bürgermeister will die Idee prüfen

Fehlt nur noch das Kleingeld. Etwa 600 000 Euro müsste die Gemeinde zu dem 2,2-Millionen-Projekt beisteuern. Falls die eingeplanten Zuschüsse und Spenden fließen. Dazu kämen 60 000 Euro Betriebskosten pro Jahr. Die Macher rechnen mit bis zu 8000 Besuchern jährlich, das wäre für ein Museum in der Provinz schon überdurchschnittlich. Aber kostendeckend noch lange nicht. "Das Projekt ist eine tolle Sache", sagt Bürgermeister Georg Hirschbeck (CSU), "aber auch ein Haufen Geld." Er verweist auf die Pflichtaufgaben der Gemeinde: Kanalsanierung, Schule, Kindergarten. "Wir werden das prüfen", sagt Hirschbeck, "ich bin ergebnisoffen."

Ausstellung 'Bernd Eichinger - ...Alles Kino' in München

Eichingers Witwe Katja (im Bild) und Tochter Nina stehen hinter dem Projekt.

(Foto: Inga Kjer/dpa)

Die Gemeinde hat jüngst viel Geld ausgegeben, um den Ort aufzuhübschen. Seitdem steht die Marktstraße da wie eine perfekte Kulisse für ein romantisches Dorffilmchen. Der Besucher fährt durch ein enges, zartgelbes Tor. Rechts die Kirche und das Rathaus, beide mit einem stattlichen Turm. Dazwischen bunte Altbauten, alle frisch getüncht. Ein moderner Brunnen plätschert, vor den hübschen Fassaden breite Gehwege und Parkplätze. Leere Parkplätze. "Das ist schön, aber tote Hose", sagt Architekt Gerd Mann. "Die Läden sterben aus, wenn hier nichts passiert."

Passender Ort für ein ungewöhnliches Projekt

Mitten in der Straße steht das Haus, in dem eines Tages das Kinoseum einziehen soll. Es wirkt wie ein Fremdkörper, fast wie ein Schandfleck. Verwittertes blassrosa, leere schwarze Schaufenster, marode Hintergebäude. Bis 2011 war hier noch ein Kino in Betrieb, das "Cinema". Bernd Eichinger war hier oft zu Gast, als Jugendlicher und auch als Weltstar, als er seine Mutter besuchte. Zuletzt saß er im Herbst 2010 im Logen-Sessel. Ein halbes Jahr später, am 24. Januar 2011, war er tot. Herzinfarkt.

So hässlich das Cinema von außen ist, so herrlich ist es innen. Im Foyer stehen John Rambo und James Bond herum. Aus Pappe. In der Ecke ein gigantisches schwarzes Uralt-Vorführgerät mit Filmrolle. Das Kassenhäuschen hat analoge Leucht-Anzeigen "Sperrsitz 4.00" und "Balkon 4.50". Ja, einen Balkon hat das Retro-Paradies auch. "Das bleibt alles, wie es ist", verspricht der Architekt. Nur die Außenfassade will er umgestalten, "ansonsten werden wir nur festnageln, was sonst runterfällt."

2011 gingen hier die Lichter aus, mit dem Tod des Betreibers Fritz Appel. Dessen Vater hatte 1949 das Dorfkino eröffnet. In einer Scheune. Der Legende nach hat das Licht der Projektoren immer bis in Bernd Eichingers Kinderzimmer geflackert. Später sah er in der Scheune seinen ersten Film. Sein Elternhaus steht 100 Meter vom Möchtegern-Kinoseum entfernt in einer Seitenstraße. Dort ist auch noch sein Jugendzimmer. Die Museumsmacher hoffen, dass sie es ausstellen dürfen.

Das Cinema ist ein Stück Zeitgeschichte

Eichinger Museum

Gemeinderat und Unternehmer Alfred Bircks will das alte Kino aus der Nachkriegszeit zum Leben erwecken.

(Foto: Stefan Puchner)

Die Deutsche Kinemathek wird ihr Bernd-Eichinger-Archiv öffnen und Skizzen, Briefe und Unterlagen zur Verfügung stellen. Zudem kündigt Klaus Keil "emotionale Zusatzexponate" an. Comic-Hefte und Karl May-Bücher, die Eichinger oft in der Nacht las, "wenn die Dämonen kamen", wie er immer sagte. "Das Museum wird seine Erfolge und Triumphe aufleben lassen", sagt Keil, "aber auch seine Selbstzweifel und Panikattacken."

Dann schlummert da noch ein ungeborgener Schatz: Ex-Kinoboss Appel hat quasi jedes Filmplakat aufgehoben, das jemals im Cinema hing. Es sind geschätzt 20 000 Stück. Bei den ganz alten Teilen sind noch Rollen dabei mit der Wochenschau, die vor den Filmen gezeigt wurde. Zeithistorische Dokumente, eine Reise in die Vergangenheit des Kinos und der Republik.

Etwas Einzigartiges könnte entstehen

Auch das Haus ist ein Stück Zeitgeschichte, wie Kulturwissenschaftler Jochen Ramming erklärt: "Derartige Einraum-Dorfkinos gibt es nur noch sehr selten", sagt der Autor der Machbarkeitsstudie. Das Cinema Rennertshofen sei "ein Glücksfall", weil es weder abgerissen noch modernisiert wurde. Hier könne "etwas einzigartiges" entstehen, in ganz Deutschland gebe es kein Museum, das einer einzelnen Film-Persönlichkeit gewidmet ist. Die Dauerausstellung soll knapp 200 Quadratmeter groß sein, dazu kämen 120 Quadratmeter für Sonderausstellungen. An den Wochenenden soll Programmkino Leute anlocken.

Die Kunstpädagogen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wollen in Rennertshofen Seminare, Lehrerfortbildungen und Forschungsprojekte veranstalten. Emeritus Günther Köppel träumt von "Schulfilmtagen" und Festivals, die auch leer stehende Geschäfte bespielen. "In jedem Laden könnte man einen begehbaren Film darstellen." An Unterstützern mit Visionen mangelt es also nicht. Jetzt braucht's nur noch den Mut der Gemeinderäte. Eine Entscheidung soll noch dieses Jahr fallen.

Bernd Eichinger wurde 1949 als Sohn eines Arztes in der Kreisstadt Neuburg geboren. Seine ersten zwölf Lebensjahre verbrachte er in Rennertshofen. Dann wurde er auf ein katholisches Internat geschickt. Er machte Abitur in München, studierte dort an der neu gegründeten Filmhochschule. Er produzierte Filme, führte Regie und schrieb Drehbücher. Seine Filmliste klingt wie ein Best of Cinema: Das Boot, Die unendliche Geschichte, Der Name der Rose, Der bewegte Mann, Der Schuh des Manitu, Das Parfüm, Der Baader Meinhof Komplex, und viele mehr. Am 11. April 2019 ist Eichingers 70. Geburtstag. Das wäre ein denkbarer Termin für die Eröffnung des Museums.

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