Religion:Mundschutz, Abstand, Amen

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Im Mai dürfen wieder Gottesdienste gefeiert werden, wenn auch unter strengen Auflagen. Besonders hart trifft es die Muslime im Fastenmonat Ramadan

Von Florian Fuchs, Dietrich Mittler und Lisa Schnell

Wie sehr sich die Bilder doch ähneln - gleich, ob es sich nun um die Synagoge in Augsburg mit ihrem unvergleichlich prachtvollen Deckengewölbe handelt, um die spätbarocke Pfarrkirche im oberpfälzischen Auerbach oder um die Moschee in Penzberg mit ihren modernen Glasfenstern, die im Tageslicht in Lila und Weiß leuchten. All diese Gotteshäuser sind menschenleer, die Gläubigen dürfen sie bislang nicht betreten. Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren war zu hoch. Im Zuge der bevorstehenden Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen kommt die Staatsregierung aber nun auch den Gläubigen entgegen. Vom 4. Mai an sollen öffentliche Gottesdienste in Bayern wieder erlaubt sein. Allerdings nur unter strengen Auflagen, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Freitag im Landtag bekannt gab.

"Gottesdienste ja, Infektionen nein", sagte Herrmann. Seinen Worten nach soll in den Kirchen, Synagogen und Moscheen ein Mundschutz getragen werden und ein Mindestabstand gelten. In Kirchen müssen die Bänke verrückt werden, in Moscheen die Teppiche weiter auseinander gelegt. Mindestens zwei Meter müssen die Gläubigen Abstand halten, Mitglieder eines Hausstands dürfen enger beieinander sitzen. Dass für Gottesdienstbesucher die Abstandsregelung strenger gefasst wurde, begründete Herrmann damit, dass in geschlossenen Räumen eine höhere Ansteckungsgefahr herrsche. Deshalb dürfen Gottesdienste auch nicht länger als eine Stunde dauern.

Gottesdienste im Freien sollen nun möglich sein - mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern und einer Maximalteilnehmerzahl von 50 Personen. Mehr Vorgaben macht der Staat nicht, den Rest regeln die Religionsgemeinschaften in Infektionsschutzkonzepten. Doch eines ist dabei dem Chef der Staatskanzlei durchaus bewusst. "Muslime werden die nächsten vier Wochen ganz anders erleben als sonst", sagte Herrmann mit Blick auf den muslimischen Fastenmonat Ramadan, der am Donnerstag begonnen hat. Trotz des strengen Verzichts auf viele Annehmlichkeiten gilt dieser doch unter den Muslimen als eines der schönsten Ereignisse im Jahreslauf - als eine Gelegenheit, zu der alle Familienmitglieder zusammenkommen und zu der auch Freunde eingeladen werden, die man schon lange nicht mehr gesehen hat.

Wochenlang blieben Bayerns Kirchen, Moscheen und Synagogen leer. Es gab allerdings auch viele kreative Ideen, um die Gläubigen wenigstens virtuell zusammenzuholen. (Foto: Ronny Hartmann/dpa)

Freilich, die Corona-Krise wird alle Gläubigen weiterhin einschränken. Herrmann nennt nur ein paar Beispiele aus den Hygienekonzepten, die sich die Glaubensgemeinschaften selbst gegeben haben: die Anwendung von Desinfektionsmitteln, keine Berührung bei der Ausgabe der Kommunion, kein Kuss auf die Thora in der Synagoge, ihren Koran oder ihr Gesangsbuch sollen die Gläubigen selbst mitbringen.

Auch sollen die Kirchentore stets offen bleiben. Aber es bleibt dabei: Für Muslime sind die Einschränkungen besonders schmerzlich. Es ist Ramadan, doch der bringt dieses Mal eine besondere Härte mit sich - den Verzicht auf Nähe, auf ein Wiedersehen, auf Gespräche im Kreis der Lieben. "Das Gefühl lässt sich vielleicht so beschreiben: Es ist wie ein Fisch, der auf dem Land liegt", sagt Erkan Inan vom Münchner Forum Islam. Für sich könne er nur sagen: "Das zehrt sehr an mir." Besonders die letzten drei Tage des Ramadan, an denen Besuche bei Kranken, auf Friedhöfen und bei Bedürftigen stattfinden sollen, werden für viele "eine Zerreißprobe sein", sagt Inan. Auch Ismail Akpinar, der Sprecher der türkischen Initiative Nürnberg, empfindet das als harte Prüfung. Aber er betont: "Die Gesundheit geht vor." Gerade erst hat seine Initiative 21 000 Euro an das Klinikum Nürnberg übergeben - zum Kauf von Schutzmasken. Akpinar betont, dass er während des Ramadan auf gar keinen Fall seine Eltern besuchen wird. "Sie sind über 80 Jahre alt, und wir müssen darauf achten, dass wir sie auf keinen Fall mit dem Coronavirus infizieren."

Akpinar ist längst nicht der Einzige, der so denkt. Trotz der Lockerungen wollen die muslimischen Gemeinden unter dem Dach der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" - kurz Ditib - ihre Gotteshäuser nur unter hohen Vorsichtsmaßnahmen öffnen. Die Ditib stellt im Freistaat die meisten Moscheen. So sollen, wie aus Nordbayern zu hören ist, die Moscheen nur für die Tagesgebete geöffnet werden. "Die Freitagsgebete, aber auch die Nachtgebete während des Ramadan, werden nicht stattfinden", hieß es.

Auch die christlichen Kirchen wollen die Sicherheit nicht außer Acht lassen. Der ernannte Bischof von Augsburg, Bertram Meier, kündigte am Freitag einen Kriterienkatalog an, durch den sich die Pfarreien "verantwortungsvoll und gewissenhaft" auf die neue Situation einstellen können. Vielen Menschen werde wieder ein Stück Heimat bei der Ausübung ihres Glaubens gegeben. Das sieht auch Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm für die evangelische Kirche so: "In den Mauern der Kirchen herrscht eine besondere Atmosphäre, die Öffnung ist wichtig für uns."

Bedford-Strohm betonte aber auch, dass die Gottesdienste sich anders anfühlen werden wie zu normalen Zeiten. "Es wird kein Händeschütteln geben und auch keine körperliche Nähe." Der Landesbischof wünscht sich, dass all die kreativen Ideen der vergangenen Wochen, wie die Kirche ihre Gläubigen zu erreichen versuchte, weiter Bestand haben. Übertragungen von Gottesdiensten, etwa zu Ostern, hätten doppelt so viele Zuschauer gehabt wie normal. Solche Formate seien weiterhin wichtig für ältere Menschen, die vielleicht weiterhin nicht gerne rausgehen, sagt auch der evangelische Pfarrer Hannes Schott aus Bayreuth. Er betreut ein Seniorenheim, in dem er per Videostream Gottesdienste feierte. "Das wurde gut angenommen."

Auch in Bayerns jüdischen Gemeinden werden sich viele Gläubige über die Möglichkeit eines gemeinsamen Gottesdienstes freuen - auch wenn sich die Gemeinden bislang mit offiziellen Statements zurückhalten. Doch was die Zeit betrifft, in der die Gottesdienste nicht möglich waren, diese Wochen sieht eine ursprünglich aus Tschernobyl stammende Mitarbeiterin der Würzburger Kultusgemeinde nun nicht so schlimm: "Viele unserer religiösen Feste werden auch in der Familie begangen." Und: "Wir haben viel Schlimmeres mitgemacht."

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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