Reinheitsgebot für Bier:Abgekupfert in Regensburg

Feiern zum 'Tag des Bieres' am 23. April

Prost: Früher waren Nusslaub, Petersilie und anderes "Gestrüpp" im Bier. Da gab es noch kein Reinheitsgebot.

(Foto: dpa)

Nusslaub, Petersilie und anderes "Gestrüpp": Früher mischten Bierbrauer ihren Sud nach abenteuerlichen Rezepten. Zur Qualitätssicherung erließ Regensburg 1469 das heute bekannte Reinheitsgebot - viel früher als bislang gedacht.

Von Rudolf Neumaier, Regensburg

Je bedeutender die Jubiläen, desto länger die Schatten, die sie vorauswerfen. Schon jetzt luthert es vernehmbar, obwohl der 500. Jahrestag der Reformation erst in drei Jahren datiert ist. Genauso bedeutend scheint das Jubeljahr davor zu sein: 2016 wird auf das Reinheitsgebot von anno 1516 angestoßen. Die Vorfreude darauf ist so groß, dass der Buchmarkt schon jetzt schäumt wie ein zu heftig geschütteltes Flascherl Helles.

Weit mehr als drei Dutzend Bier-Titel sind allein in diesem Jahr schon erschienen. So gesehen kann die Anordnung, Bier nur mit Wasser, Hopfen und Malz herzustellen, locker mit den Thesen von Wittenberg mithalten. Aber: Einen so folgenschweren Anschlag auf die Kirche gab es nur einmal - Reinheitsgebote gab es mehrere. Und: Sie wurden schon lange vor 1516 erlassen.

Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv an der Münchner Schönfeldstraße schlummert ein Dokument, auf dem das erste, ja das Ur-Reinheitsgebot überhaupt festgehalten sein könnte, das beispielgebend war für alle späteren. Es stammt aus einer Sammlung von Verordnungen der Reichsstadt Regensburg und trägt das Datum Oktober 1469. Weil er so schön klingt, sei der Satz "Niemand darf zum Bierbrauen etwas anderes verwenden als Gerstenmalz, Hopfen und Wasser" hier im Original wiedergegeben: "Es sollen auch eyn yeder preumaister noch nymant von seiner wegen der ain pir sieden vnd machen will dartzu annders nichtz nemen, dann gersstenn mallcz, hopffen vnd wasser vnd sunst ganntz nichts annders dann yetzo vorbestymbt ist. Daz annder allez ist verpoten."

Früher hieß es nur: Was darf auf keinen Fall ins Bier?

Nach den Recherchen des Regensburger Stadtarchivars Heinrich Wanderwitz handelt es sich wohl um das erste Reinheitsgebot, das positiv formuliert ist. Das heißt: Bis dahin war in den Biervorschriften landauf, landab angegeben, welche Ingredienzien nicht zugelassen waren - jetzt aber wurden die Zutaten festgelegt.

Im 14. und 15. Jahrhundert mischten die Brauer ihren Sud nach abenteuerlichsten Rezepten. Ein Gutachter der Stadt Regensburg stellte im Jahr 1450 fest, dass die Brauer der Stadt mit Nusslaub, Petersilie und anderem "Gestrüpp" operierten. Zur Qualitätssicherung erließ der städtische Magistrat 1469 das eindeutige Reinheitsgebot.

Wann die ersten Reinheitsgebote formuliert wurden

Nachdem es erstmals beiläufig in einer Studie aus dem Jahr 1987 erwähnt wurde, aber unbeachtet blieb, hat es nun der Archivar Wanderwitz wieder ausgegraben. Ihm als seriösen Historiker wäre es zu provinziell, nun eine Konkurrenz um den Titel "Wir waren die Ersten" anzufachen. Er setze sich aber für einen differenzierten Umgang mit dem oft von Kommerz missbrauchten Reinheitsgebot ein, sagt er. Daher weist er in einem Aufsatz dezent auf diese Verordnung hin. Der Text erscheint in einem von Bernhard Lübbers herausgegebenen Buch zu einer Ausstellung in der Staatlichen Bibliothek Regensburg.

Regensburg war im 15. Jahrhundert als Reichsstadt keine bayerische Stadt. Die Bayern formulierten gleichlautende Reinheitsgebote erst später. In München kam es im Jahr 1487, Herzog Georg der Reiche erließ es in seinem Teilherzogtum 1493. Was im Jahr 2016 gefeiert wird, ist also so etwas wie eine Kopie.

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