In Reichling sind inzwischen Bagger tätig, sie bereiten das Bohrfeld vor, auf dem die Firma Genexco zu Beginn des nächsten Jahres ein in der Tiefe vermutetes Gasfeld erkunden will. Wie das Unternehmen mitteilt, wird es dabei aber nicht bleiben: Der Konzern darf grundsätzlich auch in einem 100 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Lech und Dießen am Ammersee nach Gas bohren. Im zweiten Quartal 2025 rechnet Genexco mit der Bohrgenehmigung für eine weitere Entdeckungsbohrung.
Das wird den Widerstand am Ammersee befeuern. „Viele dort dachten bisher, das betrifft uns nicht“, sagt Stefan Krug, Leiter des Greenpeace-Landesbüros Bayern. Nun dringe langsam ins Bewusstsein der Bevölkerung, was Naturschutzverbände zu verhindern suchen: mehrere Bohrplätze in der Region. Greenpeace, Bund Naturschutz und Fridays for Future haben am Donnerstag ein Rechtsgutachten vorgestellt, wonach Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Gasbohrungen in Bayern untersagen könnte – was der Freie-Wähler-Chef bislang abstreitet. Zugleich haben die Kritiker eine Petition gestartet, wonach Pläne für Gasbohrungen in Reichling, aber auch in Holzkirchen gestoppt werden sollen.
In Holzkirchen wolle eine schottische Firma eine Gasblase anbohren. Hinter Genexco in der Ammerseeregion stehe ein kanadischer Konzern, warnt Krug. Es gebe „eine Reihe von Investoren, die sich schnelles Geld erhoffen“. Auf dem Finanzportal boerse.de teilt Genexco mit, dass bei Reichling die Oberflächenverrohrung des ursprünglichen Bohrlochs geortet und der Abbruchzement freigelegt worden sei. Bereits vor gut 40 Jahren explorierte dort der Ölmulti Mobil, die aktuellen Bohrungen sollen teils in dem damaligen Bohrloch stattfinden. Laut Schätzung dürfte der Standort etwa Mitte Dezember bohrbereit sein.
Das 100 Quadratkilometer große Gebiet „Lech Ost“, in dem die Genexco Gas GmbH ebenfalls die Konzession für Gasförderungen hält, sei anhand von 3D-Seismikmessungen erkundet worden. Die Daten seien mithilfe künstlicher Intelligenz analysiert und auf diese Weise weitere Bohrplätze analysiert worden. Der Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer für die erste Testbohrung sei ausgehandelt, ein Umweltverträglichkeitsbericht eingereicht und die Bohrplanung eingeleitet.
Naturschützer argumentieren, dass Gasbohrungen in Bayern das falsche Signal seien, wenn der Freistaat – wie von der Staatsregierung anvisiert – bis 2040 klimaneutral sein soll. Es bedeute „ein fossiles Weiter-so“, es bräuchte neue Gasleitungen, alleine für das Bohrfeld in Reichling mit einer Länge von sieben Kilometern. Dabei sei Deutschland ausreichend mit Gas versorgt, auch regional hätten die Anwohner keinen Vorteil: Weder zahle Genexco in Bayern Gewerbesteuer, noch erhebe der Freistaat im Gegensatz zu anderen Bundesländern eine Förderabgabe. Laut Greenpeace-Bayernchef Stefan Krug würde eine Abgabe die Förderungen in Bayern bei den aktuell gesunkenen Gaspreisen „relativ unrentabel“ machen.
Aiwanger hat bereits deutlich gemacht, dass er keine Förderabgabe einführen will. Der Wirtschaftsminister verweist angesichts des wachsenden Bürgerprotests in der Ammerseeregion darauf, dass er Gasbohrungen für bestehende Konzessionen wie im Fall Genexcos gar nicht unterbinden könnte. Soweit Vorgaben eines Bundesgesetzes erfüllt seien, bestehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bohrgenehmigung. Nur Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) könnte die Förderungen stoppen. Die Grünen in Bayern protestieren ebenfalls gegen die Pläne des Gaskonzerns.
Noch 200 Jahre bis zur Klimaneutralität
Greenpeace und Bund Naturschutz Bayern haben deshalb bei der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte in Würzburg ein Gutachten in Auftrag gegeben. Juristin Lisa Hörtzsch kommt darin zu dem Ergebnis, dass Aiwanger und die Staatsregierung Gasbohrungen in Bayern doch selbst verhindern und sich nicht hinter der Bundesgesetzgebung verstecken können. Entscheidender Hebel wäre das Landesentwicklungsprogramm Bayern, in dem ein Verbot von Gasbohrungen als Ziel der Raumordnung verankert werden könnte. Eine bergrechtliche Zulassung, die Gaskonzerne für eine Genehmigung zur Förderung einholen müssen, hätte raumordnungsrechtliche Ziele verbindlich zu berücksichtigen. Ein solches Verbot im Landesentwicklungsprogramm könnte der Freistaat demnach juristisch mit der Notwendigkeit begründen, durch das bayerische Klimaschutzgesetz bis 2040 zur Klimaneutralität verpflichtet zu sein.
Beim jetzigen Tempo, kritisiert Stefan Krug, wäre Bayern nach Rechnung von Greenpeace erst in 200 Jahren klimaneutral. Neue Gasbohrungen zementierten die Nutzung fossiler Brennstoffe und machten Alternativen wie etwa Geothermie unattraktiv. Mit einer Petition, die Bohrungen zu stoppen, wollen Naturschützer nun den Druck auf Aiwanger erhöhen.