Gasvorkommen in Oberbayern:„Die Bohrung ist nicht mehr aufzuhalten“

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Der Protest gegen die geplante Gasbohrung im oberbayerischen Reichling hält an. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Trotz Protesten sei eine Probebohrung nach Gas in Reichling nicht zu stoppen, sagt der Bürgermeister der Gemeinde. Bei einem Dialogabend wird der Widerstand nochmals deutlich.

In seinem Arbeitsleben als Geologe hat Eckhard Peter Oehms schon viel von der Welt gesehen. Seit mehr als 40 Jahren sucht er nach Gas für die unterschiedlichsten Firmen – lange Zeit in Norwegen und Russland. Nun ist er als Geschäftsführer von Genexco Gas in Bayern unterwegs, genauer gesagt hat es ihn in den Landkreis Landsberg am Lech unweit des Ammersees verschlagen. Und wie so oft muss Oehms auch hier feststellen, dass die Freude vor Ort darüber gering ist, vorsichtig gesagt.

„Wir sind gerne hier, Sie sind vielleicht nicht so froh über uns“, sagt Oehms am Montagabend zu seinen Zuhörern im Dorfgemeinschaftshaus Ludenhausen. „Ich will sie bitten, in dem, was wir machen, auch eine Chance zu sehen.“ Applaus gibt es dafür keinen. Auch wenn nicht alle Stühle besetzt sind, knapp 160 Zuhörer – und damit etwa jeder zehnte Einwohner – dürften es sein, tut es der sich zunehmend aufschaukelnden Debatte keinen Abbruch. An Oehms Seite ist der anfangs breit lächelnde Jurist Daniel Juergensen.

Zur Einstimmung referiert Oehms in ruhigem Ton über die Geologie unter der Reichlinger Erde. Und er betont mit Verweis auf die kritische Berichterstattung zum Bohrprojekt, es gebe „einige Punkte, die wir mal klarstellen müssen“. Immer wieder sagt er, wie sicher das Verfahren sei, wie hoch die Standards für den Schutz von Umwelt und Trinkwasser seien oder dass die Förderung kaum zu hören und noch weniger zu sehen sei. Die vermutete Gasmenge von 400 bis 500 Millionen Kubikmetern könne außerdem als klimafreundliche „Brückenenergie“ helfen, den heimischen Gasbedarf von 10 000 bis 15 000 Haushalten über die für rund 15 Jahre anvisierte Förderzeit zu decken.

Bei den Zuhörern lösen Oehms Worte wenig bis gar keine Begeisterung hervor. Seit bekannt ist, dass Genexco Gas in ihrer Gemeinde, genau genommen im Konzessionsgebiet Lech, nach Gas suchen will, ist die Idylle im Ort empfindlich gestört. Die vielen Proteste von Bürgern, Umweltverbänden und Lokalpolitikern sind bisher ohne jeglichen Effekt verpufft. Im ersten Quartal 2025 soll die Probebohrung an der vor Jahrzehnten wegen fehlender Rentabilität geschlossenen Bohrstelle Kinsau 1 erfolgen. Genauso offen, wie die tatsächliche Rentabilität der Bohrung ist – wegen einer Blockade der Anwohner – die Frage, ob es eine Pipeline geben wird, die das Gas abtransportieren kann.

Reichlings Bürgermeister Johannes Hintersberger (CSU) ist sich der schlechten Stimmung bewusst. „Die Bohrung ist nicht mehr aufzuhalten“, sagte der Kommunalpolitiker gleich zu Beginn der Informationsveranstaltung in Ludenhausen. Sollte er damit ein wenig Wind aus den Segeln nehmen wollen, geht das gehörig schief. Auch er erhält keinen Applaus für sein Grußwort – im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit aller Wortbeiträge der Anwesenden macht keinen Hehl daraus, dass die Förderpläne skeptisch oder ablehnend gesehen werden.

In direkter Nähe zum Bohrloch ist die Trinkwasserquelle des Ortes

Insbesondere sorgen sich die Menschen vor Umweltschäden für ihr Trinkwasser, sei es durch die Förderung als auch durch Unfälle oder Störungen rund um den Bohrplatz über der Erde. Denn in direkter Nähe zum Bohrloch ist die Trinkwasserquelle des Ortes. Oehms versucht die Ängste zu zerstreuen – es sei überaus unwahrscheinlich, dass etwas passiere, das Verfahren sei absolut sicher und sollte doch was geschehen, blieben rund 800 Tage, bis kontaminiertes Wasser an der Quelle ankomme.

Auch Angst vor Bohrschlamm müsse niemand mehr haben, dass dieser irgendwo vergraben werde, gebe es heutzutage nicht mehr, sagt Oehms. Wo immer es thematisch passt, lässt er in seinen Vortrag einfließen, dass – sollte es wirklich zur Förderung kommen – die Gemeinde mit Gewerbesteuereinnahmen rechnen dürfe, auch würden zwei bis drei Arbeitsplätze entstehen. Theoretisch könne die Gemeinde das Gas auch für die Ansiedlung von Industrie nutzen und vielleicht könne in Zukunft ein Bohrloch auch für Geothermie genutzt werden. Ob er damit wirklich jemanden überzeugt, ist am Abend zumindest nicht zu hören. Stattdessen müssen Oehms und Juergensen im weiteren Verlauf immer häufiger auf die Fragen der teils sehr gut vorbereiteten Bürgerinnen und Bürger pauschale Aussagen relativieren oder gar zugeben, dass sie auf bestimmte Fragen – etwa zu Details von Haftungs- und Versicherungsfragen oder zum Notfallkonzept für die Trinkwasserversorgung – gar keine Antworten liefern können oder wollen, wie Juergensen es auch zugibt.

Ohnehin ist deutlich zu erkennen, dass die Geduldsfäden der beiden Referenten nach der xten Absage an fossile Energieträger und Rufen nach einer Zukunft mit Erneuerbaren spätestens nach zwei Stunden arg strapaziert sind. Im Publikum sind die Kritiker klar in der Überzahl. Nur einmal ruft ein offenkundiger Befürworter wütend einer jungen Frau am Bürgermikrofon zu, „ob sie mit dem Lastenrad“ hier sei oder doch mit dem eigenen Auto.

Für maximale Unruhe sorgen widersprüchliche Aussagen von Oehms zu Plänen von weiteren Bohrungen im benachbarten Konzessionsgebiet Lech-Ost. Die Firma Genexco GmbH, eine 100-prozentige Tochter des kanadischen Großkonzerns MCF Energie, hat auch das Recht, auf weiteren Gemeindegebieten zu bohren. In der vergangenen Woche teilte das Unternehmen mit, im zweiten Quartal 2025 eine weitere Bohrung im Konzessionsgebiet Lech-Ost anzupeilen. Oehms – bis vor rund einem Jahr noch selbst Geschäftsführer der Genexco GmbH – nennt dies eine falsche Information: „In Vancouver wissen die vermutlich nicht den Unterschied zwischen Lech und Lech-Ost“. So richtig überzeugend klingt das nicht.

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