Artenschutz:Die Rettung von Rehkitzen ist Greenwashing

Artenschutz: Rehkitze sind niedlich. Doch ihre Rettung hilft dem Artenschutz nicht.

Rehkitze sind niedlich. Doch ihre Rettung hilft dem Artenschutz nicht.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Warum die Bewahrung von jungen Rehen vor dem Tod durch die Mähmaschine nur Kosmetik ist und dem Artenschutz sogar schadet.

Kommentar von Ingrid Hügenell

Landwirte, Jäger und Tierschützer retten Bambis - oh, wie schön, oh, wie süß! Alle sind begeistert, wenn Menschen oder Drohnen im Mai zur Kitzrettung ausschwärmen und darüber ausführlich berichtet wird. Es ist doch eine wirklich gute Sache, die kleinen, niedlichen Rehkitze aus den Wiesen zu holen, damit sie beim Mähen von den großen Maschinen nicht schwer verletzt oder gar getötet werden. Nein, das scheint leider nur so.

Natürlich muss man die Tiere vor dem Mähen in Sicherheit bringen. Alles andere wäre barbarisch. Doch ihre Rettung mit viel Aufwand ist nur Kosmetik. Greenwashing, wenn man so will. Gut gegen den Artenschwund ist sie nicht. Denn sie ermöglicht es den Landwirten, mit der unökologischen Praxis fortzufahren, stark gedüngte Wiesen viel zu früh und viel zu oft zu mähen. Diese Art der Bewirtschaftung führt ja erst dazu, dass die kleinen Tiere in Lebensgefahr geraten. Nicht nur junge Rehe fallen übrigens den Kreiselmähern zum Opfer, sondern auch viele junge Feldhasen, die in ihren Kuhlen, den Sassen, in der Wiese sitzenbleiben statt zu flüchten und gehäckselt werden, ohne dass es groß auffällt. Dabei haben es die Hasen auf intensiv genutzten, eintönigen Standorten ohnehin schwer - weil ihnen die Kräuter fehlen und sie unter dem Einsatz von Pestiziden und Herbiziden leiden. Ihre Zahlen nehmen, anders als die der Rehe, immer weiter ab.

Artenschutz: Eng zusammengekuschelt sitzen junge Feldhasen in der Wiese, wo sie leicht und oft unbemerkt Opfer der Mähmaschinen werden.

Eng zusammengekuschelt sitzen junge Feldhasen in der Wiese, wo sie leicht und oft unbemerkt Opfer der Mähmaschinen werden.

(Foto: imago stock&people/imago/blickwinkel)

Im Sinne des Artenschutzes notwendig wäre es, so wie früher üblich, seltener zu mähen und später damit anzufangen, am besten erst Anfang Juli. Dann sind Kitze und Häschen schon so groß, dass sie weglaufen können. Zusätzlich müsste von der Wiesenmitte nach außen gemäht werden, nicht, wie momentan üblich, umgekehrt. Mit langsameren Maschinen, damit auch Insekten wegfliegen können. Denn auch sie werden von den großen Mähern erfasst und brutal gehäckselt. Auf weniger dicht bewachsenen, seltener gemähten Wiesen fänden Vögel wieder einen Lebensraum, die schon fast verschwunden sind: Feldlerche, Kiebitz, Brachvogel. Und weil mehr Blumen blühen dürften, gäbe es auch wieder mehr Insekten. Für den Artenschutz ist es zudem wichtig, dass Katzenbesitzer ihre Tiere in der Brutzeit der Vögel im Haus halten und Hunde an der Leine sowie auf den Wegen bleiben, wie auch die Menschen selbst.

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