Regionalbahnen im Qualitätscheck:Schlechte Noten für die BOB

Defekte Klimaanlagen, verschmutzte Abteile: Die Bayerische Oberlandbahn landet bei einem Vergleichstest auf dem drittletzten Platz. Von Dezember an drohen Strafzahlungen - doch Verbesserungen brauchen Zeit.

Von Isabel Meixner und Andreas Schubert

BOB Zug auf der Großhesseloher Brücke, 2011
(Foto: Robert Haas)

Manchmal gibt es einen Moment, in dem sich eine angespannte Situation in Ärger und Gemaule auflöst - oder in Humor. Diesmal ist es ein Witz, der die Anspannung unter den Ausflüglern löst, die gerade von Tegernsee nach München unterwegs sind. "Mei, seid's froh, dass ihr koa Dirndl ohabts", ruft ein Mann in die Menge. Und nicht nur die Frauen im glühend heißen Zugabteil brechen in schallendes Gelächter aus - ein Lachen, das ein wenig der Verzweiflung geschuldet ist.

Es ist Sonntagnachmittag, kurz vor 17 Uhr. In der "Holzkirchen", einem Zug der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), funktioniert die Klimaanlage nicht. Draußen hat es 28 Grad, drinnen im vollbesetzten Großraumabteil gefühlte 50. Wie heiß es genau ist, weiß keiner - wer hat beim Bade- oder Wanderausflug oder zum Mittagessen im Tegernseer Bräustüberl schon ein Thermometer dabei. Manche Gäste rufen "Klimaanlage, Klimaanlage", doch das einzige Mittel gegen Schweiß sind die im Zug ausliegenden Kundenmagazine, die einige Fahrgäste als Fächer benutzen. Die zwei einen kleinen Spalt weit geöffneten Fenster bringen jedenfalls keine Kühlung.

Das Ergebnis ist erschütternd

Es sind Situationen wie diese, die der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) dieses Jahr eine relativ schlechte Bewertung eingebracht haben. Beim jüngsten Vergleichstest der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) landete die BOB auf dem drittletzten Platz- getestet wurden 15 Regionalbahnen. Beim Qualitätscheck nahmen die Tester die Sauberkeit, den Service, die Kundenorientierung bei Beschwerden, die Fahrgastinformation - und eben die Funktionsfähigkeit der Ausstattung unter die Lupe. Die Pünktlichkeit spielte keine Rolle, diese wird von der BEG gesondert untersucht.

Das Ergebnis liest sich auf den ersten Blick erschütternd: minus 51,18 Punkte auf einer Skala, die von plus 100 bis minus 100 reicht. Zum Vergleich: Der Testsieger, die Berchtesgadener Land Bahn, schnitt mit plus 87, 19 Punkten ab. Die BOB hat sich seit den jüngsten Tests noch einmal deutlich verschlechtert. Minus 17,3 waren es Ende 2011, auf minus 43,22 kam die BOB 2012. Und wie die BEG betont, sind die Ansprüche bei einem Wert von null "gerade mal so" erfüllt.

bob Bahnnetzte im Vergleich

Welche Bahn schneidet wie gut ab?

(Foto: SZ-Grafik)

Es hapert an so einigem, das zeigt auch die Momentaufnahme vom Sonntag. Beispiel Klimaanlage: Jeder Zug sei mit einer Kühlung ausgestattet, heißt es bei der BOB - auch die "Holzkirchen", die ein Dieselzug der Bauart Integral ist. Ob die Anlage defekt war oder einfach nicht stark genug, in der kurzen Fahrzeit von gut einer Stunde den Zug zu kühlen, können die Verantwortlichen bei der BOB nicht sagen. Allerdings räumt Kai Müller-Eberstein Probleme mit den Klimaanlagen ein. Die Integralzüge seien schon einigermaßen betagt, sagt der zweite Geschäftsführer des Unternehmens.

Sie sind im Einsatz, seit die BOB ihren Betrieb aufgenommen hat, also seit 15 Jahren. Bis die bisherige Flotte ausgetauscht ist, dauert es allerdings noch eine Weile. Denn die allgemeine Lebensdauer eines solchen Zuges schätzt Müller-Eberstein auf 25 bis 30 Jahre. Der Manager, der im Juli dieses Jahres von der Eisenbahngesellschaft Agalis zur BOB gewechselt ist, nimmt die Kritik sehr ernst, wie er betont. "Wir tun alles, um die Mängel zu beseitigen", beteuert er.

Müll in den Zügen

Auch das äußere Erscheinungsbild sowie die Sauberkeit im Inneren der Züge kam beim Test der BEG nicht sonderlich gut weg. Und was Ausflügler bei Hochbetrieb zu sehen bekommen, ist in der Tat nicht wirklich sonderlich einladend. Leere Papiertüten oder Flaschen sind in die Schlitze neben mehreren Sitzen hineingestopft, die Toiletten sind nur leidlich sauber.

Dass der Zug von außen auch nicht unbedingt blitzt wie neu, dürfte für die Fahrgäste dabei weniger eine Rolle spielen. Dennoch spricht Müller-Eberstein das Thema von selbst an. Die Waschanlage in Lenggries sei derzeit defekt, sagt er. Erst von Herbst an wird sie voraussichtlich wieder funktionieren. Und innen? Es sei schwierig, die Züge rund um die Uhr sauber zu halten, sagt Müller-Eberstein. Denn in überfüllten Waggons käme das Reinigungspersonal nicht richtig durch.

Das Problem der mangelnden Sauberkeit ist also auch ein bisschen ein Resultat des Erfolgs, den die BOB seit 1998 hat. 15 500 Fahrgäste nutzen die Verbindungen von München nach Lenggries, Bayrischzell oder Tegernsee pro Tag. An Wochenenden hat das Unternehmen wegen des Andrangs zu bestimmten Zeiten sogar einen Halbstundentakt eingeführt. Von Dezember an werde es noch eine "Angebotsanpassung" geben, sagt Müller-Eberstein.

Doch Probleme mit Sauberkeit oder Klimatechnik lassen sich auch bei anderen Bahngesellschaften nicht vermeiden. Ohnehin müsse man das Ergebnis des BEG-Tests relativieren, heißt es bei der BOB. "Alle Bahnen fahren auf sehr hohem Niveau", erklärt die Pressesprecherin Gabriela Wischeropp. "Wenn man es mit Schulnoten vergleicht, kommen alle auf eine Eins oder eine Zwei." Überhaupt seien die Ansprüche der BEG, die den gesamten Regionalverkehr im Freistaat organisiert, hoch.

Es gibt Bonus-Zahlungen

Dass die einzelnen Gesellschaften das Ranking ernst nehmen, liegt nicht alleine an der Sorge um die Passagiere - zur BOB als alleinigem Anbieter gäbe es ohnehin keine Alternativen. Wer an der Bewertung teilnimmt, muss bei schlechtem Ergebnis Malus-Zahlungen leisten. Umgekehrt gibt es bei gutem Abschneiden einen Bonus. Wie viel, ist Betriebsgeheimnis. Nur eines verrät die BEG: "Die Höhe der Bonus- beziehungsweise Maluszahlungen ist abhängig von der Punktzahl und von den im jeweiligen Netz gefahrenen Zugkilometern."

Für die BOB gilt dieses Bonus-Malus-System allerdings erst vom kommenden Dezember an. Dann tritt der neue Vertrag mit der BEG in Kraft. Bisher hat sich das Unternehmen freiwillig beteiligt. "Dieses System kann auch Chancen bieten", sagt Kai Müller-Eberstein. Er verspricht: "Wir werden besser, aber das geht nicht von heute auf morgen."

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